Museum Sinclair-Haus, Bad Homburg
Das Gebäude des Museums Sinclair-Haus in Bad Homburg besitzt eine lange Historie. Im Jahr 1708 erbaut, wurde es seither vielfach umgebaut, umgenutzt und saniert. Jetzt, nach fast 30 Nutzungsjahren als Ausstellungsort, musste das denkmalgeschützte Gebäude umfassend modernisiert werden. Die Bauherrin, die Stiftung Kunst und Natur, beauftragte dafür das Büro Plan Forward und sein Schwesterunternehmen W+P Gesellschaft für Projektabwicklung, deren Basis für Planung und Bau digitale 3D-Modelle waren.
Bad Homburgs Innenstadt beeindruckt mit einem malerischen Ensemble aus Schlosspark in englischem Stil, barocker Schlossanlage mit mittelalterlichem Turm und der Erlöserkirche, einer viertürmigen, kreuzförmigen Emporenbasilika aus dem Jahr 1905. Gegenüber der Kirche, an der städtischen Mittelachse zum Schloss, steht ein recht unscheinbares, zweistöckiges Eckhaus mit Mansarddach und Eckquaderfassung, das den Endpunkt einer ganzen Reihe an ähnlich geformten Häusern hier in der Dorotheenstraße bildet, ehe man durch das Osttor in den Schlosspark gelangt. 1708 als freistehendes Haus für den Hessen-Homburgischen Regierungsrat und Geschichtsforscher als Wohnhaus erbaut, war es im Lauf der Zeit im Besitz einiger bekannter Persönlichkeiten. Namensgeber des dort seit 1982 bestehenden Museums „Sinclair-Haus“ ist der Homburger Diplomat Isaac von Sinclair, der 1775 in dem Haus geboren wurde. Die Nutzung für Wechselausstellungen, die stets von einem Programm aus Literatur und Musik, Wissenschaft und Kunst begleitet werden, machte es nun notwendig, das Gebäude umfassend zu sanieren, das Gebäude also energetisch auf den neuesten Stand zu bringen und gleichzeitig wegen des Denkmalschutzes zumindest optisch nichts zu verändern.
Sanierung eines historischen Bauwerks
Wichtiges Ziel für das Planungsbüro Plan Forward aus Stuttgart war also die ganzheitliche Betrachtung aller Maßnahmen innerhalb der denkmalgeschützten Struktur. Vor allem für die Ausstellungsräume musste ein zeitgemäßes Konzept gefunden werden. Das betraf besonders die Beleuchtung, die die Exponate ins rechte Licht rückt, sowie die Anlagentechnik, mit der künftig ein bedarfsgerechtes Innenraumklima bereitgestellt werden sollte. Mit der Sanierung der bestehenden Bausubstanz sollte vor allem die historisch geprägte Aura erhalten bleiben und allenfalls eine gestalterisch beruhigte, raumbildende Atmosphäre erzeugt bzw. herausgearbeitet werden. Nicht zuletzt deshalb war zu Projektbeginn zunächst eine gründliche Untersuchung der bestehenden Bausubstanz nötig.
Digitale Unterstützung
Wichtige erste Maßnahme der Bestandsaufnahme war die Anfertigung eines umfangreichen Laserscans, um das komplette Haus außen wie innen fotografisch sowie geometrisch dreidimensional zu erfassen. Die Aufstellpunkte des Laserscan-Geräts wurden dabei in Bezug zu einem Gesamtnetz gestellt, das die einzelnen Räume im gesamten Bauwerk genau verortet. Pro Raum dauerte eine von einem externen Partner gefertigte Aufnahme inklusive Aufstellen und Ausrichten rund eine halbe Stunde. Ergebnis des Laserscans war eine visualisierte Datenwolke aus Millionen von Punkten, also ein pixelbasiertes Abbild des Bestandsbaus. „Gegenüber der händischen Vermessung bedeutet diese digitale Erfassung einen deutlichen Zeitvorteil bei gleichzeitig unveränderter Genauigkeit“, erläutert Wulf Oschwald, Geschäftsführer bei Plan Forward.
„Dieses digitale Abbild des Bestandsbaus war eine ideale Grundlage für die weiteren Maßnahmen. Dadurch konnten wir das Gebäude millimetergenau erfassen und uns voll und ganz auf die passgenaue Planung konzentrieren.“ Die Datenpunktwolke hatte eine Toleranz von maximal 3 mm. Aus ihr wurde im nächsten Schritt ein vektorbasiertes Gebäudemodell erstellt, eine Arbeit, die zunächst der Computer übernahm. Vom Architekten wurde das computergenerierte Ergebnis anschließend überprüft und gegebenenfalls korrigiert, etwa wenn gerade Wand- oder Deckenflächen als leicht krumme Vektoren interpretiert wurden. So hatten die Planenden am Ende ein in sich schlüssiges, dreidimensionales BIM-Modell vorliegen, mit dem die Planungsarbeiten über alle Gewerke hinweg gestemmt werden konnten.
Neue Gebäudetechnik
Das Sinclair-Haus wurde zuvor klassisch beheizt und mit RLT-Anlagen im Dachgeschoss belüftet. Vor allem, was den Energieverbrauch und das Innenraumklima angeht, sind die Anforderungen heutzutage allerdings wesentlich höher, weswegen die Gebäudetechnik erneuert werden musste. Wesentlicher Gedanke dabei war, für eine zusätzliche Belüftung der Schulungs- sowie Ausstellungsräume zu sorgen. Die dafür notwendige Lüftungsanlage konnte im denkmalgeschützten Bestandsbau aus Platzmangel nicht untergebracht werden. Die Lösung: Im Hof wurde ein unterirdischer Erweiterungsbau angeordnet, in dem die neue Technikzentrale mit den Anlagen für die Raumklimatisierung untergebracht werden konnte. Der Anschluss an das historische Gebäude erfolgt über den Keller, von wo aus die Lüftungskanäle über Steigleitungen weiterverteilt werden. So versorgt die neue Anlage jetzt die öffentlichen Bereiche des Erdgeschosses, und die bestehende Anlage die Räume in den Geschossen darüber. Durch die Auslagerung der bisherigen ELT-Räume sind zudem Flächen freigeworden, etwa Nebenräume für die MitarbeiterInnen im Untergeschoss. Der Hof mit Garten wurde nach den Baumaßnahmen in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt. Den unterirdischen Neubau sieht man fast nicht mehr, lediglich die zwei gestalterisch zurückhaltend eingefügte Öffnungen für die Zu- bzw. Abluft finden sich im Boden.
Zeitgemäßes Gestaltungskonzept
Die Planung mit BIM machte es möglich, alle Gewerke nicht nur platzsparend im Bestandsbau unterzubringen, sondern auch die Baumaßnahmen vor Ort selbst sinnvoll zu koordinieren, etwa wenn es um die richtige Reihenfolge beim Einbau der verschiedenen gebäudetechnischen Versorgungsleitungen ging. Eine große Herausforderung war auch die unsichtbare Leitungsführung in Wandaufdopplungen sowie das Unterbringen der Installationen in minimalen Abhangdeckenhöhen. Die oberste Prämisse bei der gestalterischen Sanierung war, möglichst nichts zu verändern. Wulf Oschwald: „Die Maßnahmen wurden behutsam geplant und durchgeführt. Man sieht deshalb hinterher keinen wesentlichen Unterschied.“ Den erkennt nur der Kenner: Die Fußböden bestehen aus einem neuen geölten Eichenparkett, die nun zweifach-verglasten Fenster fügen sich optisch in den Bestand ein. Einige Bauteile wurden runderneuert, etwa die markanten Fensterläden, die Wände oder der Dachstuhl. „Im Grunde haben wir an vielen Stellen repariert und wiederhergestellt, was eigentlich schon da war“, ergänzt Oschwald. So erscheint das Gebäude jetzt tatsächlich wie ein Neubau – in altem Stil und mit neuer Technik.
Raum für wechselnde Ausstellungen
Wichtiger Teil der Gestaltung der Ausstellungsräume war auch die Beleuchtungsplanung. Zum Einsatz kommen in Sinclair-Haus homogene LED-Leuchtlinien, bei dem die einzelnen Leuchtpunkte nicht zu sehen sind. So wird der Deckenspiegel hauptsächlich durch die Kombination aus Lichtband bzw. Lichtpunkte, Stromschiene und Luftauslass bestimmt, dezent ergänzt durch Dome-Kameras und Unterputzlautsprecher. Die Rauchdetektion erfolgt durch das Rauchansaugsystem, wodurch Rauchmelder nicht mehr nötig sind. Auch das neue Verdunkelungssystem ist in der Decke integriert. Wandflächenheizungen ergänzen die zentrale Raumklimatisierung. So gelingt es, das Altbau-Flair im „Sinclair-Haus“ zu erhalten, die historische Raumwirkung durch konsequente Reduktion zu schärfen und die Aufenthaltsqualität durch präzise geplante Klima-, Licht- und Audiotechnik nachhaltig zu erhöhen.
Thomas Geuder, Der Raumjournalist, Stuttgart-
Projektdaten
Generalübernehmer: W+P Gesellschaft für Projektrealisierung mbH – ein Unternehmen der WOLFF GRUPPE Holding GmbH,
www.wp-projekt.de
Konzept/Planung: PLAN FORWARD GmbH, www.plan-forward.de
BGF | BRI | NF: ca. 920 m² | ca. 2 870 m³ | ca. 508 m²
Leistungen: Generalplanung, HOAI LPH 1 – 8
Zeitraum der Dienstleistung: Q2/2017 – Q4/2018
Auftraggeber: Stiftung Kunst und Natur gGmbH, Bad Heilbrunn,
www.kunst-und-natur.de
Die unaufgeregte Sanierung und Erweiterung des Museums zeigt, dass es keine laute Formensprache benötigt, um ein Gebäude für die Zukunft zu wappnen. Gerade für das Bauen im Bestand ist das Verwenden einer Punktwolke und das daraus erstellte digitale Bestandsmodell die perfekte Planungsgrundlage. Diese Basis hilft, sich während der Planung auf das Wesentliche konzentrieren und präzise planen zu können.«
DBZ Heftpartner Behm.Maasberg Architekten, München