Nachhaltigkeit bei Tragwerken
DBZ Heftpate Knut Stockhusen von schlaich bergermann partner
Ja, wir planen und bauen gerne. Und ja, natürlich streben wir dabei alle nach anhaltender Verbesserung unserer gebauten Umgebung. Wir wünschen uns noch mehr Komfort, höhere Sicherheit, einfach die Freiheit, alles realisieren zu dürfen – aber nachhaltig soll es sein! Rein im Sinne des CO2-Fußabdrucks wäre es natürlich am nachhaltigsten, Bauwerke einfach auch mal nicht zu realisieren. Aber das ist natürlich weder im Businessplan einer Volkswirtschaft, geschweige denn im eigenen wünschenswert.
Die Vielfältigkeit und Komplexität der heute zu bewältigenden Themen und Technologien erfordert die Bildung von Schwarmintelligenz. Gerade im digitalen Zeitalter (mit BIM und Co.) bietet sich eine große Chance durch das vernetzte Arbeiten als quasi „digitaler Baumeister“. Mit optimalem Input und aktuellem Wissen der Besten einer jeden Disziplin, egal wo sich jeder Protagonist derzeit befindet, kann so Neues und Besseres entstehen.
Freunde des Leichtbaus machen es sich mit einem Beitrag zu diesem Thema, wie der Name schon nahelegt, leichter. Und dabei geht es bei weitem nicht nur um tollkühne, weitspannende Überdachungen, die dank Ideenreichtum, Formfindung, Optimierung und Weiterentwicklungen im Seil- und Membranbau dem Betrachter immer wieder ein Staunen entlocken können. Vielmehr entwickelt sich der Leichtbau in allen Bereichen des Bauens als Essenz einer intelligenten, konsequenten und disziplinübergreifenden Kombination aus Architektur, logischen Tragwerken und rationalem Materialeinsatz heraus. Leichtbau resultiert aus einer grundlegenden Arbeits- und damit auch Lebenseinstellung.
Hinter den vielfältigen Erscheinungsformen dieser Bauweise steht immer die maximale Reduktion der verwendeten Materialien. Im Kontext von Nachhaltigkeit ist dies ein immenser Vorzug, bedenkt man, dass teils mehr als 80 % des CO2-Fußabdrucks eines Gebäudes allein in den verwendeten Materialien gebunden sind. Je kleiner das Verhältnis von Eigengewicht zu Verkehrslast ist, desto leichter wird die Struktur, desto weniger Ressourcen sind erforderlich, um den Lastabtrag sicherzustellen. Dieses Prinzip lässt sich in unterschiedlichster Form und Funktion, teils bis zur Unkenntlichkeit getarnt, in nahezu alle Entwürfe und Bauprozesse integrieren. Nicht zuletzt der Bauherr, der für weniger Material auch weniger bezahlt, profitiert davon und wird sich den Vorteil schnell zu eigen machen.
Sollten Sie Interesse haben, nach diesem Prinzip eines Ihrer zukünftigen Projekte zu realisieren, wäre das toll. Das Ergebnis könnte sein, dass Sie sich mit dem Leichtbauvirus dauerhaft infizieren, mit noch mehr Freude am nachhaltigeren Erschaffen tatkräftige Teams bilden, die nicht nur getrieben durch wirtschaftlichen und zeitlichen Druck oder digitale Algorithmen handeln, sondern durch Enthusiasmus und Ideenreichtum Neues und Sinnvolles ermöglichen.
Es könnte sogar dazu führen, dass in Zukunft für jedes einzelne Bauwerk der Nutzen dem Materialeinsatz gegenübergestellt wird und bei der Errichtung von Bauwerken grundsätzlich immer auch der gesamte Kreislauf von der Erschaffung bis zum Recycling konsequent berücksichtigt und dadurch messbar wird. So wäre es durchaus wahrscheinlich, dass dann immer noch großartig und einzigartig, aber eben auch nachhaltig(er) und funktionsorientierter entworfen wird.
Mit dem Potential unserer modernen Bemessungstools und Fertigungsmechanismen lassen sich diese Wege weiter ausbauen. Aus dem typischen Ingenieursspruch „Alles ist möglich“ würde „Alles ist sinnvoll möglich“ werden.
Und fürchten wir uns nicht vor neuartigen Materialien und Bauverfahren. Der Einsatz höherfester Materialien, die gerade im Leichtbau zum Einsatz kommen, kann die CO2-Bilanz eines Bauwerks deutlich verbessern. Und je langlebiger Materialen werden, desto später muss das Recycling folgen … ist ja klar.
Infraleichtbeton? JA! Mit dem vermehrten Einsatz dieses innovativen Materials würden sinnlose Berge an Dämmung einfach eliminiert. Vorgespannte Carbonbeton-Decken und -Träger würden größere Spannweiten bei reduziertem Materialverbrauch ermöglichen. Kombiniert mit einer integralen Bauweise würden sich die Kosten für Wartung und Instandhaltung deutlich reduzieren und auch die negativen Folgen durch oftmals stiefmütterlich gehandhabte Wartung könnten weniger werden.
Was ist also die Essenz? Alles ist sinnvoll möglich und der Erfolg umso wahrscheinlicher, je früher Kerndisziplinen in Projekten zusammenarbeiten. Das legt einen der wichtigste Erfolgsfaktor in der gesamten Nachhaltigkeitsverbesserung nahe: die Freude an der Zusammenarbeit. Denn ohne die intensive und immer respektvolle Auseinandersetzung mit allen Beteilig-ten, den sich daraus ergebenden, weitreichenden Verbindungen und hoffentlich auch Freundschaften, ohne die gemeinsame Überzeugung an etwas Besonderem zu arbeiten und die geteilte Haltung, in Problemen Motivation für die Lösungsfindung zu sehen, entstünde eventuell nur ein weiteres geschichts- und vielleicht sogar gesichtsloses, aber mit großer Wahrscheinlichkeit nur wenig nachhaltiges Bauwerk. Und gerade das wollen wir alle doch verhindern.