Natürlich und gratisTageslicht und Gesundheit
Wir alle sind tagtäglich umgeben von elektromagnetischer Strahlung, die sich uns aufgrund unterschiedlicher Frequenzen und Intensitäten in verschiedenen Weisen mitteilt. Frequenzen in aufsteigender Reihenfolge sortiert sind zum Beispiel Radio- und Fernsehstrahlung, die Mikrowelle, Radar, Röntgen-, Gamma- und Höhenstrahlung. Zwischen Radar- und Röntgenstrahlung (beides interessanterweise Techniken, die uns Verborgenes sehen lassen) liegt im Frequenzbereich von ca. 400 bis 750 nm (1 Nanometer = 10-9 m = 1/1 000 000 000 m), eingebettet zwischen ultravioletter und infraroter, die für das menschliche Auge sichtbare elektromagnetische Strahlung – das Licht. Soweit die physikalische Beschreibung des Phänomens, die allerdings nicht einmal ansatzweise erahnen lässt, welchen Einfluss das „Lebensmittel“ Licht auf den Menschen hat. Denn Licht ist nicht gleich Licht. Auch wenn wir den größten Teil des Tages in geschlossenen Räumen und zumindest teilweise unter Kunstlicht verbringen, haben wir doch im Laufe der Evolution das Tageslicht als Referenz abgespeichert. Es ist für uns das natürlichste, das gesündeste, das beste Licht.
Tageslicht als Steuerelement
In Zeiten, in denen Kunstlicht nicht allen unbegrenzt zur Verfügung stand, gestaltete sich der Tag häufig nach dem Sonnenlauf. Und das war äußerst natürlich, denn das Licht nimmt Einfluss auf unseren circadianen Rhythmus, unsere innere Uhr, also z. B. auf unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Hauptaufgabe des in der Zirbeldrüse gebildeten Melatonins besteht darin, unseren Stoffwechsel herunterzufahren und uns müde werden zu lassen. Dessen Ausschüttung wird durch Licht verringert, mit dem Ergebnis, dass wir wach und leistungsfähig sind. Der Effekt wird bei erhöhtem Blauanteil im vorhandenen Lichtspektrum – wie er im Tageslicht morgens bis mittags vorherrscht - um den Faktor 25 erhöht. Das Tageslicht weckt uns also am Morgen und schickt uns abends zu Bett – vollautomatisch und seit Millionen Jahren.
Und auch die Haut, größtes Sinnesorgan unseres Körpers, reagiert auf Licht: sie bildet unter Einfluss der UV-B-Strahlung des Tageslichts das Vitamin D3, das unter anderem für den Knochenaufbau wichtig ist. Zu wenig (Tages-) Licht führt zu Abgeschlagenheit, Anfälligkeit gegenüber Erkrankungen und sogar zu Depressionen. Umgekehrt führt eine gute Beleuchtung zu Leistungssteigerungen, stärkt das Immunsystem und verbessert das Wohlbefinden.
Tageslicht und Kunstlicht
Wenn oben gesagt wird, dass Tageslicht das beste Licht sei, so gilt das mit Einschränkungen. Vor allem nachts. Selbstverständlich sind wir auf Kunstlicht angewiesen, doch jeder Planer ist gut beraten, immer dann sorgfältig abzuwägen, wenn beide Arten des Lichts infrage kommen, zumal Tageslicht Energie spart und Ressourcen schont. Der Vergleich des Spektrums von Tageslicht mit dem einer Leuchtstofflampe (neutralweiß) macht deutlich, dass dem Kunstlicht einige Frequenzbereiche gänzlich fehlen. Das wirkt sich auch auf die Lichtfarbe aus, die wir in der Regel als „etwas kalt“ empfinden. (Kalt ist übrigens das richtige Wort, denn Versuche haben gezeigt, dass auch das Wärmeempfinden von der Lichtfarbe abhängt. Die gefühlte Temperatur lässt sich durch Veränderungen der Lichtfarbe um bis zu 2° C beeinflussen.) Diese fehlenden Teile des Spektrums wirken sich aber vor allem auf die Fähigkeit des Lichts aus, Farben richtig wiederzugeben: der Farbwiedergabeindex von Tageslicht beschreibt mit Ra = 100 die maximale Qualität. Was eine schlechte Farbwiedergabe bedeutet, zeigen uns die fast monochromes Licht aussendenden Natriumdampflampen im Straßenverkehr, also jene Lampen mit dem charakteristischen orangefarbenem Licht, welche häufig an Kreuzungen und Zebrastreifen zum Einsatz kommen. Diese können, wie alle Entladungslampen, das Licht nicht über sein gesamtes Spektrum darstellen. Dadurch können bestimmte Farben nicht wahrgenommen werden; Rot wirkt wie Schwarz. So kann es tragischerweise geschehen, dass Hilfskräfte bei einem Verkehrsunfall Blut für ausgelaufenes Motorenöl halten. Über solche Extrembeispiele hinaus stellen minderwertige Beleuchtungslösungen grundsätzlich eine ergonomische Belastung dar, die langfristig auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann, denn unser Gehirn ist stets bemüht, festgestellte Fehler in der Wahrnehmung zu kompensieren. Meist geschieht das unbewusst und läuft wie ein Programm im Hintergrund ab. Häufig wird es erst durch indirekte Symptome, wie Kopfschmerzen, Verspannungen und Müdigkeit, wahrgenommen.
Jede qualitativ hochwertige Beleuchtungslösung bedient einen hohen Anspruch an den Sehkomfort. So wie wir gegebenenfalls Brillen tragen, um schärfer sehen zu können, sind wir automatisch auch bemüht, nicht nur Konturen und Dreidimensionalität, sondern auch Farben ideal wahrzunehmen. Auch wenn wir theatralische Lichtinszenierungen, zum Beispiel im textilen Einzelhandel, bewusst zur Kenntnis nehmen - spätestens zur Beurteilung von Farbschattierungen bewegen wir uns automatisch in Richtung Fenster oder Tür, um im Tageslicht die Kaufentscheidung zu treffen. Glühlampen, also auch Halogenstrahler, funktionieren hinsichtlich der Farbwiedergabe zwar deutlich besser, doch wo es darauf ankommt, die Dinge „im rechten Licht“ zu sehen, sollte Tageslicht auch aus gesundheitlichen Gründen immer die Lichtquelle der Wahl darstellen.
Das Recht auf (Tages-) Licht
Weil das Licht also Einfluss auf Gesundheit, Stoffwechsel, Schlaf-Wach-Rhythmus etc. nimmt, verwundert es nicht, dass der Gesetzgeber gewisse Standards vorschreibt. Jeder verantwortungsvolle Planer sei sich aber darüber im Klaren, dass das einfache Abarbeiten dieser Standards noch nicht zu einer hochwertigen Beleuchtungslösung führt. Trotzdem lohnt ein Blick auf die einschlägigen Normen und Regelwerke auch deshalb immer, weil aus ihnen die am häufigsten gemachten Fehler schnell herauszulesen sind.
Im Wohnungsbau sind die vorhandenen Regelwerke überschaubar. Hauptsächlich die Landesbauordnungen (LBO) sowie die DIN 5034 - Tageslicht in Innenräumen verhindern, dass Mieter und Eigentümer in ihren Räumen allzu wenig Tageslicht erhalten. Die LBO regeln dies über unterschiedliche prozentuale Verhältnisse (10-12,5 %) der lichten Maße der Fensteröffnung (Rohbaumaß) zur Raumgrundfläche, wobei die Ausnahmeregelung gleich mitgeliefert wird, nämlich dann „...wenn wegen der Lichtverhältnisse Bedenken nicht bestehen“.
Die DIN 5034 - Tageslicht in Innenräumen operiert mit Tageslichtquotienten und spricht ansonsten für den Wohnbereich hauptsächlich Empfehlungen aus, die dem schlechtmeinenden Bauherren große Handlungsspielräume einräumen, denn es gilt: „Eine Wohnung gilt als ausreichend besonnt, wenn in ihr mindestens ein Wohnraum ausreichend besonnt wird.“
Ganz anders sieht das bei gewerblich genutzten Immobilien aus. Die Arbeitsstättenverordnung setzt eine EU-Richtlinie in deutsches Recht um und schreibt u. a. Tageslicht für Arbeitsplätze vor; es existiert also quasi ein Recht auf Tageslicht. Die DIN EN 12464-1 regelt „Licht und Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen“ und die DIN 5035-7 widmet sich der künstlichen Beleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen. Außerdem lohnt ein Blick auf die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A 3.4“, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Hier heißt es: „Eine Beleuchtung mit Tageslicht ist der Beleuchtung mit ausschließlich künstlichem Licht vorzuziehen. (…) Tageslicht weist Gütemerkmale (…) auf, die in ihrer Gesamtheit von künstlicher Beleuchtung nicht zu erreichen sind. Tageslicht hat im Allgemeinen eine positive Wirkung auf die Gesundheit und das Wohlempfinden des Menschen.“ Und schließlich geben die Berufsgenossenschaften Informationsschriften (BGI) heraus und zwar unter anderem zu den Themen Beleuchtungsanlagen für Bildschirmarbeitsplätze (BGI 856) und Sonnenschutz im Büro (BGI 827).
Anhand der „Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A 3.4“ lässt sich gut ablesen, worauf bei der Lichtplanung zu achten ist bzw. negativ formuliert, welche Fehler zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können. Direkt auf die Forderung nach „ausreichendem Tageslicht“ folgen die „Maßnahmen zur Begrenzung der Blendung“. Nach der Reglementierung der „Beleuchtungsstärken“ nimmt sich das Werk der „Farbwiedergabe“ an und schreibt Indizes vor. Erwähnung finden auch die möglichen negativen Eigenschaften von Leuchtstofflampen: „Flimmern oder Pulsation dürfen nicht zu Unfallgefahren (z. B. durch stroboskopischen Effekt) oder Ermüdung führen. Dies kann unter anderem durch den Einsatz von elektronischen Vorschaltgeräten oder durch Drei-Phasen-Schaltung verhindert werden.“
Die Informationsschriften der Berufsgenossenschaften geben sehr konkrete Planungshilfen an die Hand. Neben der Erläuterung der „lichttechnischen Gütemerkmale“, als da wären Beleuchtungsniveau, Leuchtdichteverteilung, Begrenzung der Direktblendung, Begrenzung der Reflexblendung auf dem Bildschirm und auf sonstigen Arbeitsmitteln, Lichtrichtung und Schattigkeit, Lichtfarbe und Farbwiedergabe sowie Flimmerfreiheit, kann der Planer einen Raum anhand von Modellgrundrissen und Tabellen überprüfen.
Bei aller Sorge um Leuchtdichteverteilung und Lichtstärken sollte man eine der wichtigsten – und gesündesten – Qualitäten des Tageslichts nicht aus dem Blick verlieren: Tageslicht ist dynamisch. Noch vor nicht allzu langer Zeit ging man davon aus, dass man durch das präzise Erreichen der in der Literatur geforderten Werte zu einer optimalen Belichtung gelangen könnte. Diese akademische Annahme erwies sich als falsch. Gerade unter dem Aspekt einer gesunden Beleuchtung kommt der Dynamik des Tageslichts eine große Bedeutung zu; dessen Helligkeit und Lichtfarbe variieren ständig, kurzfristig durch Wolkenflug oder langfristig durch saisonale Veränderungen. Und auch wenn diese von uns kaum bewusst wahrgenommen werden, tun sie uns dennoch gut.
Tageslicht – fast überall
Es stellt sich natürlich nun die Frage, wie man möglichst viel des begehrten Tageslichts in das Gebäude bekommt. Der Bezug über das Fenster, mit den einhergehenden Blickbeziehungen innen/außen, ist uns lieb und teuer, wenn auch lichttechnisch nicht gänzlich unproblematisch: direkt am Fenster ist es schnell zu hell und es kommt zu Blendungen. Nach wenigen Metern in den Raum hinein ist der Lichteintrag hingegen so stark reduziert, dass Kunstlicht zugeschaltet werden muss.
Schlimmstenfalls müssen in den warmen Sommermonaten, während derer ein Maximum an Tageslicht zur Verfügung steht, die Räume verschattet und mit künstlicher Zusatzbeleuchtung versehen werden.
Hochwertige Tageslichtleitsysteme sind jedoch in der Lage, die Belichtung durch Fens-terflächen zu ergänzen und auch fensterlose Räume vollständig mit Tageslicht zu versorgen. Dazu sammelt eine Acrylglaskuppel, als Prismenkuppel ausgebildet, auf dem Dach oder der Fassade größere Mengen des Tageslicht ein, als es einer ebenen Öffnung möglich wäre und leitet diese über eine stark reflektierende Röhre ins Innere des Gebäudes. Das System transportiert das Licht dabei über viele Meter (es wurden bereits Systemlängen von über 20 m Länge realisiert) und auch um die Ecke herum. Nicht sichtbare IR- und UV-Strahlung bleibt draußen, was dem sommerlichen Wärmeschutz zugutekommt. Das austretende Licht erreicht den Raum schließlich über einen Diffuser, der eine breite, schattenfreie Lichtverteilung im Raum erzielt.