Neue Wege gehen
Wie sich Architekturbüros ein Profil geben
Die TU Cottbus hat vor kurzem festgestellt: Architekten kümmern sich zu wenig um ihre strategische Ausrichtung. Oftmals hinken sie in Marketing, Kostenrechnung und Positionierung hinterher. Zwei Büros zeigen, es geht auch anders. Als auf Passivhäuser und Industriebauten spezialisierte Architekten besetzen sie ihre Märkte vorbildlich.
Statt mit privaten Bauherren über Fliesen und Türgriffe zu diskutieren, hat Andreas
Grube mit seinen Partnern Hans Jakel und Jürgen Löffler (GJL Architekten) früh Industrieunternehmen als Kunden gesucht. Das 1994 gegründete Büro mit Standorten in Karlsruhe und Gütersloh schätzt den professionellen Umgang der Manager und Vorstände mit Bauvorhaben. „Denn die suchen in erster Linie einen Dienstleister, der Kosten und Termine im Griff hat“, erklärt Grube. Erst dann kämen gestalterische Aspekte und der Entwurf zum Tragen.
Als Grundlage aller Kalkulationen dient
ihnen eine mehr als 20 000 Positionen umfassende Datenbank, die sie in den vergangenen 15 Jahren aufgebaut haben. Mit deren Hilfe ist das Büro in der Lage, 27-Mio.-Euro- Projekte, wie die Erweiterung der Pfullendorfer Geberit AG, genau zu berechnen und zum festgelegten Budget auch ausführen zu lassen. Andreas Grube, der nach einer Bauzeichnerlehre in Karlsruhe Architektur studierte, erklärt: „Wir mussten schnell von unseren Industriekunden lernen.“ Mit einem fast minutiös durchgeplanten Arbeitsablauf bewerkstelligt das Büro alle Leistungsphasen und realisiert heute mit 20 Mitarbeitern im Schnitt 110 Projekte pro Jahr. Auch, weil die Partner jedes Projekt im Detail vor- und nachkalkulieren und somit immer wissen, welche Stellschrauben sie bei weiteren Aufträgen justieren müssen. Zum Beispiel sind derzeit die Preise für Stahl, Beton und Blech im Keller. „Mit diesem Wissen können wir leichter Einsparmöglichkeiten ausrechnen“, erläutert Grube.
„GJL agiert in Projekten hoch professionell“, staunt auch Werner Preißing nicht schlecht. Der Architekten-Berater kennt mehr als 4 500 Büros in Deutschland: „GJL hat den Dienstleistungsgedanken, wie ihn Unternehmen als Auftraggeber fordern, verinnerlicht und sich damit etabliert.“ Und nicht nur das. Weil es ebenfalls bei öffentlichen Auftraggebern gut ankommt, wenn Kosten und Liefertermine im Fokus stehen, baut die Partnerschaft mittlerweile sogar in Zeiten knapper Haushaltsbudgets Feuerwehren, aktuell in Gütersloh und Herford. Überhaupt spielen in der Entwicklung der GJL-Architekten Berater eine wichtige Rolle. „Als vor neun Jahren der Wohnungsbau, wo wir stark aktiv waren, in die Knie ging, suchten wir neue Wege, um an Aufträge zu kommen“, erzählt Grube. Seit damals pflege man Partnerschaften mit Consulting-Firmen, die Unternehmen hinsichtlich Einsparpotentialen und Prozessoptimierung beraten. Diese sind wegen ihrer Nähe zur Wirtschaft mittlerweile wichtige strategische Partner. 15 Stammkunden aus der Industrie hat GJL inzwischen gewinnen können, die
einen Großteil der Projekte beisteuern.
In die andere Richtung, vom Verwaltungs- zum Privatbau, ist Roland Matzig marschiert. Mit seinem vor knapp 30 Jahren gegründeten Architekturbüro, das sich auf Altbausanierung gewerblicher Immobilien spezialisiert hatte, stand er vor sieben Jahren fast vor dem Aus. War sein Büro seit Mitte der 80er Jahre, „als Kollegen lieber neu bauten, statt zu sanieren“, in dieser Nische erfolgreich, kippte die Auftragslage zur Jahrtausendwende. Etablierte Büros drangen in seinen Sanierungsmarkt vor, weil deren Neubaugeschäft zurück ging. „Ich stand auf einmal ohne einen einzigen Auftrag da“, erinnert sich der 52-Jährige. Doch statt vom bis dahin erwirtschafteten Geld zu leben, suchte der Mann
heimer eine neue Nische. Die fand er im Segment Passivhausbau. Verhandlungen mit Verwaltungschefs war gestern, von nun an wollten solvente Privatkunden angesprochen und gepflegt werden.
Preißing beurteilt diesen Turn-Around als äußerst kritischen Schritt: „Von heute auf morgen in einen neuen Markt zu springen, erfordert viel Fingerspitzengefühl und vor allem ein großes finanzielles Polster“, verdeutlicht der Berater. Bis zu zwei Jahre gehen ins Land, bis ein Architekt mit ersten Aufträgen rechnen kann. Zuvor muss kräftig in Know-how und Außendarstellung investiert werden. Matzig bestätigt diese These. Rund eine Mio. € investierten Roland Matzig und Partner (r-m-p) in den vergangenen sechs Jahren. Ein großes unternehmerisches Risiko, wie der Passivhaus-Experte zugibt. Aber ohne diesen Mut geht es nicht. Matzig will nicht stehen bleiben, sondern seinen Ruf als Marktführer ausbauen. 53 Passivhäuser hat das 15-köpfige Büro bis heute geplant und gebaut. Vor kurzem gründete r-p-m eine Niederlassung in London: die „Passivhaus Design Solutions Ltd“. Und auch in Frankfurt entsteht ein neues Büro mit drei Beschäftigten. In beiden Fällen sieht der Businessplan vor, nach zwei Jahren schwarze Zahlen zu schreiben.
Um im Markt bestehen zu können, finanziert der Passivhausexperte nicht nur neue Standorte. Mit wöchentlichen Schulungen aller Mitarbeiter verbessert das Architekturbüro seine Kundenansprache. „Wir haben gelernt, uns auf beratungsintensive Bauherren exakt einzustellen“, betont der Chef und stützt sich dabei auf Erkenntnisse der Kommunikationsforschung. Der Erfolg gibt dem Planer Recht. Inzwischen sind 90 Prozent seiner Kunden private Bauherren. Und Preißing, der von den Architektenkammern oft zu schweren Sanierungsfällen gerufen wird, bestätigt: Nur wer ein klares Profil herausarbeitet, hat in Zukunft Überlebenschancen.