New Work in Behnisch-Bau und Neue Burg, Hamburg
Das Arbeiten – auch Thema in diesem Heft – verändert sich und damit verändern sich u. a. auch die Anforderungen an die Räume, in denen gearbeitet wird/werden soll. Zwei große Unternehmen haben das zum Anlass genommen, ihre Arbeitsräume einmal neu zu denken, zu überdenken: Unilever und NEW WORK SE. So unterschiedlich beide im Herkommen, ihrer Tradition sind, so vergleichbar sind sie im Hinblick auf ihre Personalgröße; jedenfalls mit Blick auf die Arbeitsplätze, die in den beiden Häusern zur Verfügung stehen, die jetzt in Hamburg bezogen wurden.
Unilever, fest verknüpft mit ihrem vielfach ausgezeichneten „Unilever-Haus“ in der Hamburger Hafencity, eine Architektur aus dem Büro Behnisch, Stuttgart, hat diesen prominenten Standort Uferkante Elbe verlassen und ist ins Hamburger Herz gezogen: direkt ins Nicolaiviertel zwischen Kirchenruine und altem Rathaus. In den ehemaligen Unileverbau ist aktuell das Unternehmen NEW WORK SE eingezogen, zu dem u. a. XING oder kununu gehören.
Beide Unternehmen haben in der Planung ihrer neuen Flächen wesentlich auf die Mitsprache ihrer MitarbeiterInnen gesetzt, bei Unilever durften die rund 60 Teammitglieder auch ihre Räume gestalten, was durchaus an den jeweiligen Fenstern von außen ablesbar ist (Stölken Schmidt Architekten, Hamburg). Bei NEW WORK SE bezieht sich die Neuplanung auf die innere Struktur des Gebäudes, in dem zusammen mit dem Kieler Architekturbüro Schnittger Architekten + Partner ebenfalls die MitarbeiterInnen das Gestaltungskonzept entwickelten, das sich, nach Aussage von NEW WORK SE, „vor allem an den Bedürfnissen und Wünschen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ orientiere. Wie bei Unilever auch haben neben dem Planungsteam über 20 sogenannte „Change Champions“ aus verschiedenen Teilen der Belegschaft an der konzeptionellen Gestaltung des NEW WORK Harbour mitgewirkt. Neben allem Effizienzdenken hatte man das Ziel, so Projektleiter Kai Hollensteiner von der NEW WORK SE, „ein motivierendes, energiegeladenes Arbeitsumfeld für unsere Mitarbeiter [zu] schaffen, das die Arbeitswelt nach Corona bereichert – unser Officehome“. Man wolle, so Hollensteiner weiter, „mit dem NEW WORK Harbour unsere Attraktivität als Arbeitgeber weiter stärken.“
Bei Unilever gab es eine „Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit“, die Entwicklung eines neuen Mobilitätskonzepts: Fahrradstellplätze ersetzen PKW-Parkplätze, die Bezuschussung des öffentlichen Nahverkehrs wurde signifikant erhöht. Kernstück des zum großen Teil 1 : 1 umgesetzten Gebäudekonzepts ist die maximale Anpassungsfähigkeit der Arbeitsumgebungen. Dazu gehören modernste Technik, die das Arbeiten vor Ort genauso ermöglicht wie im virtuellen Raum, sowie flexibel einsetzbare Arbeitszonen unterschiedlicher Größe für kreative Zusammenarbeit oder Rückzug. Heute verteilen sich auf acht Geschossen 6 500 m² Bürofläche mit über 1 000 Sitzplätzen, davon 229 an Schreibtischen, 170 Co-Working-Plätze und 545 Arbeitsorte in Meetingräumen und flexiblen Arbeitsflächen. „Team Neighbourhoods“ sind frei wählbar, der Vorstand sitzt ebenfalls in einem offenen Bereich mit einem Team zusammen, klassische Einzelbüros gibt es nicht. Die künstliche Beleuchtung passt sich dem Biorhythmus des menschlichen Körpers an, neben ergonomischen, verstellbaren Möbeln sind über 70 Sportgeräte im Haus verteilt, die die Bewegung auf spielerische Art fördern sollen.
So richtig „NEW WORKig“ wird es im 6. OG. Hier kann man sitzend, stehend oder liegend arbeiten, allein oder im Team oder einfach gar nichts machen (Planung: NEST ONE). Es gibt eine Bar, die Dachterrasse, eine Open Air Yoga-Ecke, Musikins
trumente zum Spielen, Bücher zum Schmöckern. Ein Kaminzimmer, eine Kantine, in der Selbstkochen erwünscht ist, einen „Harbour of Silence“ genannten Ruheraum.
Beide Projekte zeigen, dass die neuen Arbeitswelten gerade sehr konkret umgesetzt werden, neugedacht sind sie ja schon länger. Was – insbesondere bei Unilever – überrascht, ist, dass sich das Neue nach außen hin nicht ablesen lässt, hier sind eine gediegene Fassade und ein akademischer Städtebau zwar akzeptabel, mit dem, was innen passiert ist, haben sie aber wenig zu tun. Bescheidenheit? Zu hohe Auflagen wegen des sensiblen Kontextes? In den Köpfen geht es schneller, das Bauen braucht offenbar seine ganz eigene Zeit. Be. K.