Ossendorfer Gartenhöfe, Köln
Wir bauen zuviel. Auch die ArchitektInnen, die sich dem Thema CO₂-Reduzierung, Ressourcenverbrauch und anderen, die Zukunft bestimmenden Parametern verantwortungsvoll widmen, reißen immer noch ab, um Neues zu bauen. Das ist auch in Köln so gewesen: Die alte Siedlung Ossendorfer Gartenhöfe wurde sukzessive abgerissen. Dass die Architekten dabei jedoch die alte Struktur als effizient und städtebaulich gelungen anerkannten und sie mit heutigen Mitteln wiederbelebt haben, ist ein Anfang in der wohl lange noch andauernden Debatte um Entwicklung, Wirtschaftlichkeitsrechnung und Anspruchshaltung auf allen Seiten. Dass die Gartensiedlung in Form und Idee erhalten bleibt und sie so schön ist wie damals und das sicher noch viele Jahrzehnte, macht sie am Ende
dann doch hinreichend nachhaltig.
Die Ossendorfer Gartenhöfe, eine Siedlung mit zehn in Nord-Süd-Richtung lang gestreckten, zweigeschossigen Wohnriegeln, wurde in den 1930er-Jahren am westlichen Kölner Stadtrand in Ossendorf errichtet. Rund 300 Wohnungen für den unteren Mittelstand, jede Wohnung mit gleichen, höchstens noch gespiegelten Grundrissen und einer Einheitswohnfläche von 43 m² wurden realisiert. Die Wohnfläche von damals ist in Deutschland heute exakt die Fläche, die einer Person durchschnittlich zur Verfügung steht. Damals und sicher bis in die 1970er-Jahre wohnten darauf Familien mit auch mal vier Kindern. Die Siedlung, mit zwischen den Riegelpaaren liegenden weiten Höfen, war deutlich in die Jahre gekommen. Vereinzelte Sanierungen aus den 1990er-Jahren waren Oberflächenkosmetik. Trotzdem war der Wohnraum stark nachgefragt, nicht nur weil die Mieten günstig waren. Mittlerweile war die durchgrünte Siedlung näher ins Stadtzentrum hineingewandert. Von Anbeginn an in genossenschaftlicher Hand – „Die Ehrenfelder“ heisst die gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft eG –, wuchs der Wunsch der Wohngemeinschaft nach Erneuerung, zumindest nach einem Anheben des Wohnniveaus auf zeitgenössischen Standard. Eine Bestandssanierung wurde schnell ausgeschlossen, zu gering war die Qualität der Bausubstanz und eine Erweiterung der Wohnfläche für die Zeilen hätte eine Verringerung der Wohnungen bedeutet. Also: Die Genossenschaft führte einen geladenen Architektenwettbewerb durch. Das Büro Molestina Architekten, Köln, konnte überzeugen.
Konzept
Die Kölner Architekten schlugen vor, die Grundstruktur der Gartensiedlung zu erhalten. Sämtlicher Bestand wird sukzessive abgerissen – heute sind die letzten beiden Riegel noch in Teilen bewohnt – und, ausgehend von der Rochusstraße im Osten, neu aufgebaut. Dabei werden die Riegel um ein Geschoss höher (zur Rochusstraße gar um zwei, was dem Bestand gegenüber geschuldet ist und auch einen Lärmschutzeffekt für die dahinterliegenden Siedlungsriegel hat). Sie wurden tiefer und in der Raumhöhe mit 2,7 m jeweils höher, um die tieferen Räume ausreichend mit Tageslicht zu versorgen. Damit wird die Wohnfläche des ursprünglichen Bestands von ca. 15 000 m² auf mehr als 30 000 m² verdoppelt.
Die alte Struktur wurde auch deshalb erhalten, weil sie, so der Architekt Pablo Molestina bei der Begehung, einen kaum zu unterschätzenden positiven Effekt für die soziale Identität der Siedlung insgesamt habe. Denn im Gegensatz zur Blockrandbebauung biete der Zeilenbau Wohnungen an, die sämtlich vergleichbare Tageslichtqualitäten haben und einen ähnlichen Gartenzugang, womit es keine bevorzugten oder benachteiligten Wohnareale in der Siedlung gebe. Natürlich wollte man die Höfe erhalten, allerdings wurden und werden sie noch neu aufgebaut: Unter ihnen liegen die Tiefgaragen, die nötig sind, um für die nun 435 Wohnungen Stellplätze anbieten zu können (Faktor 0,6). Erhalten geblieben sind auch die Stichstraßen zwischen den Wohnriegeln. Wer sein Auto stehen lassen möchte, kann recht bequem und im 10-Minutentakt mit der Straßenbahn in 20 Minuten zum Kölner Dom fahren.
Die Wohnriegel erhalten unterschiedliche Farben (rot, gelb, blau, weiß). Ihre Fassaden zu den Stichstraßen sind eher geschlossen, die zu den Gärten über Loggien und Balkone offen gestaltet. Jeder Zeilenbau bietet unterschiedliche Grundrisstypen (insgesamt werden es 32 sein) und Wohnungsgrößen. Sie reichen von 41 bis 113 m², für Ein- bis Fünfzimmerwohnungen, als Geschosswohnung, Stadthaus- oder Maisonettetyp. Der Riegelbau zur Rochusstraße ist in der Mitte durch die Haupterschließung unterbrochen, der nach Süden weisende Kopfbau ist wie alle Abschlüsse nach Süden hin durch große Loggien geöffnet. Im Erdgeschoss ist ein Café untergebracht mit gutem italienischen Café; sympathischer Rest einer größer gedachten, aber im Planungsprozess herausgesparten Idee von Gemeinschaftsräumen im Siedlungsgefüge. In dem aus Ziegeln gebauten Riegel sind zudem Wohnungen für Demenzerkrankte untergebracht, was nicht nur diesen Bauabschnitt förderwürdig machte: Insgesamt ein Drittel der Wohnungen haben öffentliche Gelder erhalten. Die Verwendung von Ziegeln in diesem zweigeteilten Bauteil erklärt sich aus der höheren Schallbelastung der Wohnungen entlang der Straße.
Gestaltung
Über die starke Farbigkeit der Fassaden zur Rochusstraße und zu allen Stichstraßen werden die gleichförmigen Riegel unterschieden. Die Südköpfe zur Nebenstraße sind nun nicht mehr die Brandwände wie im Bestand, sondern bilden mit ihren großen Loggien eigene Fassaden. Die Fassaden zu den Gärten sowie die der Kopfbauten am südlichen Ende und sämtliche Oberflächen der Einschnitte ins Riegelvolumen sind weiß gestrichen. In den kräftig farbigen Fassaden arbeiten die von den Architekten entworfenen, fast simplen Klappläden ebenfalls mit Farbe. Das lackierte Lochblech kann leicht vor die französischen Fensterformate gezogen oder von ihnen weggeklappt und arretiert werden.
Gestalterisch behandelt wurde auch die Balkon- und Loggienlandschaften auf den Gartenfassaden. Die die Fassadenflächen gliedernden und unterschiedlich großen Fenster- und Balkonformate (mit unterschiedlich großen Wohnungen dahinter) machen die überlangen Riegel maßstäblich, ebenso die geschossweise nach aussen gesetzten, massiven Wände ohne Dämmung. Das erzeugt eine horizontale Gliederung, erleichtert die Putzarbeiten und sorgt nicht zuletzt für einen baulichen Witterungsschutz der Farbflächen auf dem rauen Putz.
Rhythmisch gegliedert werden die langen Zeilenbauten in den farbigen Stichstraßenfassaden zudem durch die schon genannten Auskerbungen im Dachgeschoss, die Tageslichteintrag in die hinter der Fassade versteckten Treppenhäuser erlauben.
Grundrissvarianten
Dass es aktuell eine Wohngruppe gibt sowie Familien mit und ohne Kinder, Paare und Singles sowie einen guten Querschnitt durch die Generationen, ist kein Zufall. Der Mix resultiert aus den 32 Wohnungsgrundsvarianten in der Horizontalen (in der Vertikalen sind die Grundrisse aus ökonomomischen Gründen identisch). Nicht je- de Variante wurde auch realisiert – teils hätte der Aufwand den Nutzen überwogen, teils waren die bereits Umgesetzten so erfolgreich, dass man sich über weitere keine Gedanken mehr machen musste.
Neben unterschiedlichen Zuschnitten und absoluten Größen gibt es Varianten in der unterschiedlichen Platzierung der Wohnungen im Riegel (Kopfbau, Zeilenmitte). Durch variierende Erschließungen wurde weitere Wohntypologien erreicht. So gibt es an den zur Haupterschließung liegenden Riegelköpfen Walk-ups, offene Treppenhäuser, die nur eine oder zwei Wohnungen erreichen. Andere Wohnungen werden über die Erschließung von der Stichstraße aus über fast schon unauffällige Türen als gleichsam eigenständiges Reihenhaus zugänglich gemacht. Das Reihenhaus ist dabei allerdings derart in den Fassadenlauf integriert, dass man es als solches nicht erkennt. Neben dem Reihenhaus gibt es auch Maisonettewohnungen, ebenfalls im Gesamtvolumen versteckt.
Die Wohnungen selbst sind einfach gestaltet, Kunststofffenster, Laminat, innenliegende Bäder und keinerlei smarte Aufrüstung macht die Wohnungen zu Orten, die Gartenbezug haben, Balkone, Loggien … also ein Mehr, als man es in diesem Preissegment erwarten würde (1 200 €/m² KG 2-3). Alle Wohnungen sind barrierefrei, was aber nicht heißt, dass ein Rollstuhlfahrer die Wohnungen im 1. oder 2. OG erreichen kann. Sollte der Bedarf für die Zugänglichkeit der oberen Geschosse steigen, besteht die Möglichkeit, die Treppenhäuser mit einem Fahrstuhl nachzurüsten. Der Raum dafür ist in den lichten Erschließungskernen vorhanden.
Fazit
Das Engagement der Architekten in den Gartenhöfen ist getrieben von der Frage: Was meint man mit Wohnung? Ist eine Wohnung mehr, als nur ein Dach über dem Kopf haben?! Sie beantworten diese Frage mit Ja und ganz konkret mit dem Angebot von kollektiven Räumen, konkret mit Grünflächen als Garten-/Gemeinschaftsflächen. Sie antworten mit öffentlichen Räumen, mit einer fließenden Durchwegung eines Teils der Riegellandschaft, die es vorher so nicht gegeben hat. Sie antworten mit einem Mix aus unterschiedlichen Wohntypen, die von ganz einfach (aber nicht wenig) bis hin zu anspruchvoll (aber nicht luxuriös) reichen. Sie wehren sich gegen die sehr aufwendige und damit teure Herstellung von Individualität (Fassadengestaltung), die am Ende gleiche Grundrisse bringt und ein homogenes und im wörtlichen Sinne exklusives Mieterbild. Sie schaffen zahlreiche Freiräume für ein Ankommen und Miteinanderleben, bieten aber auch die Rückzüge, ohne die ein gemeinschaftliches Miteinanderwohnen stressfrei nicht funktioniert. Mit all diesem haben sie bewiesen, dass der aktuelle Wohnungsbau keine Fassadenwettbewerbe braucht, keine Hochglanzprospekte, sondern schlicht Vielfalt und gutes Handwerk. Der Rest kommt von selbst, inklusive Wartelisten für Wohnungsbewerber. Be. K.
Baudaten
Objekt: Ossendorfer Gartenhöfe, Haus 1-3 (1. BA), Haus 4-7 (2. BA), Haus 8-10 (3. BA)
Standort: Köln-Ossendorf
Typologie: Wohnungsbau/Sozialer Wohnungsbau/Zeilenbauten mit halböffentlichen und privaten Höfen
Bauherr: Die Ehrenfelder Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft eG, Köln
Architekten: Molestina Architekten Ges. für Architektur mbH, Köln, www.molestina.de
Projektteam: Felix Junker, Carmen Bedbur, Laura Blanco, Pablo Allen, Fredericke Wernicke
Bauleitung: BMP Baumanagement GmbH, Köln, www.bmp.de
Generalunternehmer: Bauwens Construction GmbH & Co. KG, Köln, www.bauwens.de
Bauzeit: Mai 2017–August 2018 (1. BA - Haus 1-3)
Fachplaner
Tragwerksplaner: Milbradt & Lemke, Beratende Ingenieure PartmbB, Köln, www.milbradt-lemke.de
TGA-Planer: SKIBA Ingenieurgesellschaft für Gebäudetechnik mbH, Gelsenkirchen; PTG Marl Planungsgesellschaft für technische Gebäudeausrüstung mbH, Marl, www.ptg-marl.de
Landschaftsarchitekt: FSWLA Landschaftsarchitektur GmbH, Düsseldorf, www.fswla.de
Energieplaner: Büro für Bauphysik, Dipl.-Ing. Architekt Stefan Horschler, Hannover,
www.bfb-horschler.de
Brandschutzplaner: Pirlet & Partner Ingenieurgesellschaft mbH, Köln, www.pirlet.de
Verkehrsplanung: Büro Stadtverkehr Planungsgesellschaft mbH & Co. KG, Hilden,
www.buero-stadtverkehr.de
Vermessung: SEAD Vermessungsbüro Dieper & Henkel, Köln, www.vermessung-sead.com
Projektdaten
Grundstücksgröße: Haus 1: 3 872 m², Haus 2: 3 004m², Haus 3: 3 134 m²
Grundflächenzahl: Haus 1: 0,41,
Haus 2: 0,41, Haus 3: 0,36
Geschossflächenzahl: Haus 1: 1,58 – 02: 1,57 – 03: 1,02
Wohnfläche: Haus 1: 4 352 m²,
Haus 2: 3 261 m², Haus 3: 2 363 m²
Über alle 10 Riegel: 32 verschiedene Grundrisse
Wohneinheiten gesamt: 435,
davon öffentlich gefördert: 145
Brutto-Grundfläche für alle Häuser: 59 925 m² (inkl. TG: 6 283 m²)
Brutto-Rauminhalt für alle Häuser: 183 011 m³
Baukosten alle Häuser
(nach DIN 276)
KG 200 (brutto): € 2,37 Mio. €
KG 300 (brutto): € 57,5 Mio. €
KG 400 (brutto): € 12,22 Mio. €
KG 500 (brutto): € 2,15 Mio. €
KG 700 (brutto): € 7,25 Mio. €
Gesamt brutto: 81,5 Mio. €
Energiekonzept
Dach: Warmdach – Bitumen mit Gefälledämmung 220 mm i. Mittel
Außenwand: Wärmedämmziegel, 36,5 cm (Haus 1+2) / Porenbeton, 36,5 cm (Haus 3-10)
Fenster: Kunststofffenster, 3-fach Verglasung
Boden: Stahlbetondecke mit Heizestrich, 20 cm+ca. 15 cm Bodenaufbau
Energiebedarf
Haus 1: 29,1 kWh/m²a
Haus 2: 29,4 kWh/m²a
Haus 3: 29,3 kWh/m²a
Haustechnik
Blockheizkraftwerk mit Pellets, mehrere Häuser über Nahwärme versorgt
Hersteller
Fassade: KEIMFARBEN GmbH,
www.keim.com; Baumit GmbH, www.baumit.de
Wand: UNIPOR Ziegelmarketing GmbH,
www.unipor.de; Ytong, www.ytong-silka.de
Türen/Tore: Novoferm Riexinger Türenwerke GmbH, www.novoferm.de; Kaldunski & Löhr GmbH,
www.tore.de
Pelletheizung: GUNTAMATIC Heiztechnik GmbH, www.guntamatic.com
Holzdielen/Parkett: Georg Gunreben GmbH & Co. KG, www.gunreben.de
Außenbeleuchtung: BEGA Gantenbrink Leuchten KG, www.bega.com
Die Ossendorfer Gartenhöfe verkörpern eine Typologie des „Bezahlbaren Wohnens für alle“. Hier orientieren sich die Architekten an den selbstbewussten, großmaßstäblichen Modellen der frühen Wohnsiedlungen. An der Grenze zwischen Architektur und Städtebau kompensiert das „große Mietwohnen“ die Einschränkungen der Einzelwohnungen durch ein ausgewogenes, kollektives Umfeld.«⇥DBZ Heftpartner Molestina Architekten