Prüfung bestanden und dennoch mangelhaft

Luftdurchlässigkeit bei Mauerwerkswänden

Bei Mangelrügen hinsichtlich einer zu großen Luftdurchlässigkeit der Gebäudehülle reicht es nicht, auf eine „bestandene“ Differenzdruckprüfung zu verweisen. Die Ausführung kann – wie in dem hier geschilderten Fall – dennoch mangelhaft sein.

Zusammenfassung

Die Ausführung einer außenseitig unverputzten Außenwand mit einem hinterströmbaren „Trockenputz“ auf der Innenseite ohne weitere luftdichtende Maßnahmen ist in technischer und wohl auch juristischer Hinsicht mangelhaft. Hieran ändert auch eine „bestandene“ Differenzdruckprüfung nichts, da die Konstruktion nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht.

Sachverhalt

Kurz nach Fertigstellung eines Reihenhauses rügten die Käufer Mängel. Im ausgebauten Dachgeschoss seien Zugerscheinungen feststellbar bzw. sei keine ausreichende Luftdichtheit gegeben. Vor diesem Hintergrund sollte eine technische Beurteilung erfolgen, inwieweit die Bauausführung den anerkannten Regeln der Technik entsprach.

Feststellungen

Das Reihenendhaus wies ein Kellergeschoss, Erdgeschoss, Obergeschoss und das ausgebaute Dachgeschoss auf. Im Bereich des Ober- und Dachgeschosses war die Fassade des Gebäudes mit einer Holzschalung versehen (Bild 01). Im Dachgeschoss waren die Wand- und Decken- bzw. Steildachflächen mit Gipsbauplatten bekleidet. Bei den An- und Abschlüssen der Bauplatten sowie bei deren Eck- und Kehlstößen wurden diverse Risse festgestellt. Das Gebäude wies keine mechanische Lüftungsanlage auf.

Zur Ermittlung der Luftdurchlässigkeit erfolgte eine Differenzdruckprüfung. Hierzu wurde in ein bodentiefes Fenster im Erdgeschoss ein Ventilator eingebaut. Sämtliche übrigen Fenster bzw. absichtlich vorhandenen äußeren Öffnungen in der Gebäudehülle wurden geschlossen und die Innentüren geöffnet; diese Vorgehensweise entspricht dem Verfahren A nach der zum Prüfzeitpunkt noch anzuwendenden DIN EN 13829 [1] (Gebäude im Nutzungszustand); zwischenzeitlich ist diese Norm durch die DIN EN ISO 9972 [2] ersetzt. Mittels des Ventilators wurde dann ein Differenzdruck in dem Reihenendhaus von 50 Pa zur Außenluft erzeugt. Infolge der Druckdifferenz stellten sich Luftströmungen durch Leckagen in der Gebäudehülle ein. Diese Luftströmungen wurden mittels einer Thermografiekamera visualisiert.

Bei vorhandenem Unterdruck im Gebäude gegenüber der Außenluft waren insbesondere bei den Rissen in der Bekleidung aus Gipsbauplatten Luftströmungen vorhanden. Anhand der Thermografie war darüber hinaus ersichtlich, dass die Bauplatten punktweise am Untergrund verklebt waren. Über die Bereiche mit Rissen hinaus wurden Luftströmungen insbesondere bei Einbauteilen wie Steckdosen festgestellt.

Um eine quantitative Bewertung der Luftdurchlässigkeit vornehmen zu können, wurde im weiteren Verlauf zunächst der n50-Wert gemessen, der eine Aussage zur Luftdurchlässigkeit der Gebäudehülle allgemein trifft. Hierbei ergab sich ein Wert n50 = 1,8 1/h. Um über diesen globalen Messwert hinaus eine konkrete Bewertung zur Baukonstruktion im Dachgeschoss  abgeben zu können, wurden daraufhin noch zerstörende Prüfungen vorgenommen.

Bei einer Wandkehle zwischen Giebelwand und Abseitenwand wurde die Bekleidung aus Gipsbauplatten bereichsweise entfernt. Auf der Giebelwand aus Ziegelmauerwerk waren die Gipsbauplatten punktweise verklebt. Das Mauerwerk wies unvermörtelte Stoßfugen auf. Zwischen den Gipsbauplatten und dem Mauerwerk befand sich in der Ebene der punktweisen Verklebung ein Spalt (Bild 02). Bei der Abseitenwand war hinter den Gipsbauplatten eine PE-Folie vorhanden, die im Bereich der Wandkehle mittels Klebeverbindung an die Gipsbauplatten der Giebelwand anschloss (Bilder 03 und 04). Nach dem Öffnen der Folie war ersichtlich, dass das Ziegelmauerwerk der Giebelwand im Abseitenraum weder bekleidet noch verputzt war.↓

Bei einem Fenster in der Giebelwand war die Holzschalung der Fassade in die Laibung geführt (Bild 05). Nach Entfernung des Laibungsbretts war ersichtlich, dass das Ziegelmauerwerk hinter der Holzschalung unverputzt war (Bild 06).

Bei der Kommunwand zum angrenzenden Reihenhaus wurde ebenfalls die Bekleidung aus Gipsbauplatten kleinflächig entfernt. Analog zur Giebelwand war zwischen der Bekleidung aus Bauplatten und dem Mauerwerk ein Spalt vorhanden. Die Stoßfugen des Ziegelmauerwerks der Kommunwand waren unvermörtelt (Bild 07).

Bewertung

Anforderungen an eine möglichst luftundurchlässige Bauweise bestehen schon lange. Bereits in der DIN 4108 aus dem Jahr 1952 (!) [3] wurde ausgeführt: „Der Wärmeschutz eines Raumes ist abhängig von dem Wärmedurchlaßwiderstand der umschließenden Bauteile (Wände, Decken), der Luftdurchlässigkeit dieser Bauteile (Fugen, Spalten, usw.), vor allem derjenigen, die den Raum gegen die Außenluft abschließen, und der Wärmespeicherung. […] Wände und Decken, namentlich wenn sie verputzt sind, sind im allgemeinen nur wenig luftdurchlässig, so daß der Wärmeverlust durch Wärmemitführung gering ist. Dagegen gehen durch Undichtigkeiten an Fenstern und Türen große Wärmemengen verloren; deshalb sollen alle Fugen gut abgedichtet sein.“

Die aktuellen Anforderungen an die Luftdurchlässigkeit ergeben sich immer noch insbesondere aus der DIN 4108. In DIN 4108-2 [4] wird speziell auf die Gebäudehülle eingegangen: „Durch undichte Anschlussfugen von Fenstern und Außentüren sowie durch sonstige Undichtigkeiten, z. B. Konstruktionsfugen, insbesondere von Außenbauteilen und Rollladenkästen, treten infolge des Luftaustauschs Wärmeverluste auf. Die Außenbauteile müssen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik luftdicht ausgeführt werden. Eine dauerhafte Abdichtung von Undichtheiten erfolgt nach DIN 4108-7.“ Die Anforderung der aktuellen Norm ist damit inhaltlich praktisch unverändert zum 61 Jahre älteren Vorgängerdokument! Allerdings kann ein Gebäude nicht absolut luftdicht ausgeführt werden, sondern es soll die Gebäudehülle möglichst wenig luftdurchlässig sein. Dementsprechend stellen auch die inzwischen zurückgezogene DIN EN 13829 [1] sowie die aktuelle DIN EN ISO 9972 auf die „Luftdurchlässigkeit“ von Gebäuden und eben nicht deren „Luftdichtheit“ ab. Die Formulierung der „alten“ DIN 4108 war in dieser Hinsicht die Bessere!

In der DIN 4108-7 [5] wird ein n50-Wert von maximal 3,0 1/h für Gebäude ohne raumlufttechnische Anlagen und von maximal 1,5 1/h für Gebäude mit raumlufttechnischen Anlagen vorgegeben. Die Anforderung bezieht sich somit auf den Nachweis der Luftdurchlässigkeit des gesamten Gebäudes. Die durchgeführte Differenzdruckprüfung hatte einen n50-Wert von 1,8 1/h ergeben. Der Messung lag das Verfahren A (Gebäude im Nutzungszustand) zugrunde, das in der DIN 4108-7 [5] für entsprechende Überprüfungen vorgegeben wird. Der Anforderungswert liegt hier bei n50 = 3,0 1/h, da das Gebäude keine raumlufttechnische Anlage aufweist. Das heißt, dass das Reihenendhaus die Anforderung der  DIN 4108-7 [5] an die Luftdurchlässigkeit erfüllt. Dennoch bedeutet dies nicht, dass grundsätzlich kein technischer Mangel hinsichtlich der Luftdurchlässigkeit vorliegt. Die DIN 4108-7 [5] gibt hierzu den Hinweis: „Selbst bei Einhaltung der […] Grenzwerte sind lokale Fehlstellen in der Luftdichtheitsschicht möglich, die zu Feuchteschäden durch Konvektion führen können.“ Die Einhaltung des Grenzwerts für die Luftdurchlässigkeit der gesamten Gebäudehülle bedeutet also nicht automatisch, dass in dieser Hinsicht keine technischen Mängel vorliegen.

Es ist bereits seit langer Zeit (siehe oben) allgemein anerkannte Regel der Technik, die Gebäudehülle möglichst luftundurchlässig auszuführen. Hierzu gehört, dass Mauerwerk auf mindestens einer Seite mit einer Putzschicht versehen wird oder dass sonstige luftdichtende Maßnahmen vorgenommen werden, um eine ausreichend geringe Luftdurchlässigkeit der betreffenden Wand zu erzielen. Eine punktuell am Untergrund verklebte Trockenbaubekleidung aus Gipsbauplatten kann dies ohne weitere Maßnahmen nicht leisten; sie entspricht hier insofern nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, weil das Mauerwerk an der Außenseite unverputzt ist. In der Folge dieser technisch mangelhaften Bauweise kann bei einem Differenzdruck Luft insbesondere durch die unvermörtelten Stoßfugen des Mauerwerks strömen und über den Spalt zwischen der Trockenbaubekleidung und dem Mauerwerk sowie durch Risse in der Trockenbaubekleidung in das oder aus dem beheizten Gebäudevolumen strömen. Im Resultat liegt – trotz „bestandener“ Differenzdruckprüfung – ein technischer Mangel hinsichtlich der Luftdurchlässigkeit vor.

Neben der rein technischen Bewertung ist bei Mangelrügen vielfach letztlich eine rechtliche Beurteilung erforderlich. Als Hilfestellung zur Beurteilung der Luftdurchlässigkeit aus juristischer Sicht wurde im Rahmen eines Forschungsvorhabens [6] eine Bewertungsmatrix entwickelt; der sogenannte „Hohwachter Leckagepegel“. Diese Matrix (siehe oben) berücksichtigt technische und rechtliche Aspekte und ergibt auf Basis sechs unterschiedlicher Kriterien eine Tendenz, inwieweit die Annahme des Vorliegens eines rechtlichen Mangels naheliegt.

Die Anwendung der Bewertungsmatrix auf den hier geschilderten Fall ergibt Folgendes: Die rein juristischen Kriterien, wie die vertraglichen Vereinbarungen oder eine mögliche Relevanz für die Finanzierung, sind nicht bekannt; hierfür wird insofern die gesamte mögliche Bewertungsspanne angesetzt. Eine direkte objektive Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit war in Form der gerügten und auch festgestellten Luftströmungen („Zugerscheinungen“) gegeben. Das Risiko des Eintritts von Folgeschäden kann nicht ganz sicher ausgeschlossen werden, ist aber aufgrund der Hinterlüftung der außenseitigen Holzschalung als gering zu bewerten. Eine Vermeidbarkeit war sicherlich gegeben; Planung, Ausführung und Bauleitung müssen sich hier aus technischer Sicht Verursachungsanteile zurechnen lassen. Die Kosten einer Sanierung bewegen sich aufgrund der direkten Zugänglichkeit – allerdings im fertig ausgebauten Dachgeschoss – im mittleren Bereich. In der Summe ergibt sich damit hier ein Gesamtwert zwischen 9 und 24; die Bewertung des technischen Mangels auch als rechtlicher Mangel ist damit naheliegend.

Die in der DIN 4108-7 [5] angegebenen Grenzwerte für die gemessene Luftwechselrate n50 sind hier für die Beurteilung von untergeordneter Bedeutung; maßgebend ist vielmehr die technisch mangelhafte Ausführung mit einer vermeidbar hohen Luftdurchlässigkeit. Unabhängig davon ist zu bezweifeln, dass insbesondere der in der Norm [5] angegebene Grenzwert für Gebäude ohne raumlufttechnische Anlagen n50 ≤ 3,0 1/h noch anerkannte Regel der Technik ist. Gemessene Luftwechselraten n50 ≤ 1,5 1/h sind heute – auch ohne besondere Maßnahmen – als Mindeststandard zu bezeichnen. Bei Neubauten sollten Werte n50 ≤ 1,0 1/h angestrebt werden.

Instandsetzung

Die nachträgliche Herstellung einer ausreichend geringen Luftdurchlässigkeit ist z. B. durch Verputzen der Mauerwerkswände oder anderweitige luftdichtende Maßnahmen möglich. Auch aus Gipsbauplatten kann prinzipiell eine Luftdichtheitsebene hergestellt werden. Dabei sind allerdings im Bereich von Stößen, Anschlüssen und Durchdringungen gesonderte Maßnahmen erforderlich. Für die Elektroinstallation können dann z. B. luftdichte Hohlwandinstallationsdosen verwendet werden [5].

Literatur

[1] DIN EN 13829:2001-02: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von Gebäuden – Differenzdruckverfahren

[2] DIN EN ISO 9972:2018-12: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von Gebäuden – Differenzdruckverfahren

[3] DIN 4108:1952-07: Wärmeschutz im Hochbau

[4] DIN 4108-2:2013-02: Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Mindestanforderungen an den Wärmeschutz

[5] DIN  4108-7:2011-01: Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Luftdichtheit von Gebäuden – Anforderungen, Planungs- und Ausführungsempfehlungen sowie -beispiele

[6] Vogel, K., Sous, S., Zöller, M. Grün, G., Norrefeldt, V.; Bewertung von Fehlstellen in Luftdichtheitsebenen – Handlungsempfehlung für Baupraktiker, Bericht F 3012 der Forschungsinitiative Zukunft Bau, Fraunhofer IRB Verlag, 2017

[7] DIN 18015-5:2015-07: Elektrische Anlagen in Wohngebäuden – Luftdichte und wärmebrückenfreie Elektroinstallation

[8] Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV), letzte Änderung vom 24.10.2015

[9] Entwurf des Gesetzes zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG), Stand vom 28.05.2019

Schadensvermeidung

Maßnahmen zur Erzielung einer ausreichend geringen Luftdurchlässigkeit müssen im Sinne einer durchgehenden „Luftdichtheitsebene“ geplant werden; die DIN 4108-7 [5] enthält hierzu Empfehlungen und Beispiele. Für die in diesem Zusammenhang oft gescholtene Elektroinstallation enthält die DIN 18015-5 [7] Hinweise.

Schon gewusst?

Die mittlerweile zurückgezogene DIN EN 13829 [1] unterscheidet bei der Differenzdruckprüfung zwischen Verfahren A (Gebäude im Nutzungszustand) und Verfahren B (Gebäudehülle). Bei einer Überprüfung der „Anforderungen an die Luftdichtheit“ gemäß DIN 4108-7 [5] ist das Verfahren A anzuwenden. Die (noch) aktuelle Energieeinsparverordnung EnEV [8] verweist zur Überprüfung der Dichtheitsanforderungen auf das Verfahren B. Dies ist erstaunlich, da eine Messung nach dem Verfahren A aufgrund des Einbezugs auch der absichtlich vorhandenen Öffnungen höhere – also ungünstigere – Werte ergibt als eine Messung nach dem Verfahren B.

Die aktuelle DIN EN ISO 9972 [2] unterscheidet das Verfahren 1 (Gebäude im Nutzungszustand), Verfahren 2 (Gebäudehülle) und Verfahren 3 (spezifischer Zweck). Für das Verfahren 3 werden im nationalen Anhang der Norm detaillierte Vorgaben zur Präparation des Gebäudes vor Durchführung der Prüfung gemacht. Im aktuellen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes GEG [9] wird auf diesen nationalen Anhang verwiesen. Die bei der Prüfung einzuhaltenden Höchstwerte der Luftwechselrate n50 bleiben dabei im GEG-Entwurf unverändert, was energetisch wenig zweckmäßig ist.

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