Beständiges Gesindehaus

Revitalisierung Meierhof, Trausdorf/AT

Als ersten Schritt in der Revitalisierung des Meierhofs in Trausdorf verwandelten AllesWirdGut (Architektur) und Mobimenti (Innenarchitektur) das einstige Gesindehaus zu einem einmaligen Ort für Veranstaltungen und Feste. Der große Saal mit dem freigelegten Sandsteinmauerwerk unter dem alten Dachgestuhl verströmt authentische Atmosphäre.

Vor den Toren von Eisenstadt, der Landeshauptstadt des Burgenlands, liegt das Weingut der Esterházys in Trausdorf am Fuß des Leithagebirges. Die ungarische Aristokratenfamilie hat schon zu Maria Theresias Zeiten hoch geschätzten Wein produziert und als Bauherrenschaft über viele Generationen hinweg Stilbewußtsein bewiesen. Von Trausdorf aus sieht man ihr Schloss am Horizont, einige Lagen der Esterházy-Weine befinden sich in der Nähe. 2006 setzten die Architekten Pichler & Traupmann und Anton Mayerhofer ein modernes Weingut vor den alten Meierhof Trausdorf, das von der Ruster Straße gut zu sehen ist: Hier gibt es ein Schaulager mit Barriquefässern aus Eiche, Stahltanks, Abfüllstationen, Lager, einen Shop und einen verglasten Verkostungsraum mit Terrasse an der Abendsonne, von dem man ins Weingut auf die Fässer oder über die Landschaft mit den Rieden blicken kann.

Atmosphärischer Verfall

Dahinter dümpelte auf einem Grundstück im Nordosten der Meierhof vor sich hin: Ein landwirtschaftliches Ensemble mit 250 Jahren Geschichte auf einem Grundstück von etwa 140 m Breite und 173 m Länge. Es besteht aus mehreren Wirtschaftsgebäuden um einen Hof:
Am südwestlichen Eck gleich hinter dem neuen Weingut befand sich das eingeschossige, 10 m breite und 52 m lange Gesindehaus mit mehreren Kleinwohnungen. Daran grenzte an der Nordwestflanke ein früherer Rinderstall an, dessen gemauerte Gewölbebögen von Stahlsäulen mit Kapitellen getragen werden: ein hochinteressanter, unorthodoxer Raum. Das lange Gebäude gegenüber vom Gesindehaus ist heute ein Stall für Angusrinder, im Südosten reihen sich lose ein paar kleinere Bauten aneinander. Der große Wirtschaftshof mit dem alten Baumbestand, die bemoosten Ziegeldächer und der fleckige Putz der Häuser, an dem sich schon Pflanzen hochrankten,
verbreiteten eine melancholische Aura des langsamen und stetigen Verfalls.

Zukunftsperspektive

Die Stiftung Esterházy lobte 2012 einen Wettbewerb über ein Zukunftsszenario für den Meierhof aus. Die Architekten AllesWirdGut siegten. „Der Meierhof ist im Prinzip wie ein Vierkanthof. Man kann seine Gebäude wunderbar für verschiedene Funktionen nutzen und damit das Weingut optimal ergänzen“, so Christian Waldner von AllesWirdGut. „Die klare Nüchternheit moderner Architektur stößt immer wieder an Grenzen. Da bietet der Meierhof mit seiner Historie eine ganz andere Atmosphäre.“ Diese spezifische Qualität der Geschichtshaltigkeit des Bestands wollten die Architekten betonen. „Wir haben viele Synergien zwischen dem zeitgenössischen Weingut und dem historischen Meierhof gesehen. Das einstige Gesindehaus eignet sich für Veranstaltungen. Der große Stall mit den Stahlstützen könnte ein Weinrestaurant werden, die mittleren Stallungen ließen sich gut als Büros ausbauen und an der letzten Seite des Gevierts würden wir neue Appartements vorsehen.“ Dort könnten Gäste eine stilvolle Übernachtungsmöglichkeit finden, woran es in Eisenstadt mangelt.

Spannende Metamorphose

Als erster Schritt wurde das einstige Gesindehaus zum „Kalandahaus“ umgebaut. „Wir wollten den Standort stärken“, so Julia Handler von der Stiftung Esterházy. „Schalanda“ heißt auf Slowakisch die Gesindestube, in der man mit Musik, Speis und Trank die Geselligkeit pflegte. Das wortverwandte „Kalanda“ steht für eine mittelalterliche Kulturgemeinschaft. „Uns war wichtig, das Ensemble zu schützen“, sagt Christian Waldner. „Außen sind nur wenige Eingriffe sichtbar, innen wollten wir eine möglichst hohe Flexibilität in der Nutzung erreichen.“ Das eins- tige Gesindehaus wurde entkernt, bis nur noch seine schützende Außenhülle stand. Damit ergab sich ein 53 m langer, etwa 10 m breiter, von den Fenstern und dem Sprengwerk des Dachstuhls gegliederter Raum. „Durch das Entkernen hat es fast die Atmosphäre einer Kathedrale und die Qualität einer großen Tiefe dazu gewonnen. Es war eine spannende Metamorphose.“

Materialien vom Land

Für die Innenarchitektur zog die Stiftung Esterházy das Büro Mobimenti hinzu. „Die Herausforderung war, mit einem alten Gebäude so umzugehen, dass es seine Atmosphäre behält und seine Geschichte als Gesindehaus erzählt“, so Renate Allmayer-Beck von Mobimenti. „Daher haben wir Materialien vom Land verwendet: breite Eichendielen, Vorhänge aus Leinen. Unsere Zusammenarbeit funktionierte sehr gut.“ Beiden Büros war wichtig, den Dachstuhl zu erhalten, der sehr viel autenthische Patina vermittelt. Nach Abschlagen des Putzes zeigte sich, dass die Wand aus Sandsteinmauerwerk aus dem nahen St. Margarethner Steinbruch war: Sie wurde innen sorgfältig freigelegt und dort, wo sie schadhaft war – wie im Bereich der Fensterstürze – durch neue Ziegel ergänzt. Die unregelmäßige Struktur der zurückhaltend sandgestrahlten Steine ist sehr reizvoll, außen wurde aus bauphysikalischen Gründen mit 6 cm Sanierputz verputzt.

Altes neu beleben

An den beiden Enden des jetzigen Langhauses ordneten AllesWirdGut Funktionen wie Eingang und Küche an, die verbliebene Mitte wurde zum vielseitigen Saal. „Beim Foyer war wichtig, dass das Gebäude in zwei Richtungen offen ist – sowohl zum Weingut im Südwesten als auch zum Meierhof im Nordosten“, sagt Christian Waldner. Das Foyer ist nun ein breiter Durchgang mit zwei Türen. Seine Stirnwand ist mit dunkel gebeizter, grob gebürsteter Fichte verkleidet, aus der auch die integrierten Regale und Kästen gefertigt sind: Hier kommen, von LEDs im Raummöbel und von abgependelte LED-Leuchten beleuchtet, die Weinflaschen der Esterházys wunderbar zur Geltung. Auch lässt sich hier unkompliziert ein Shop mit ausziehbarer Kasse installieren. Die weißen Mauerflächen mit den weißen Türen an den Rändern führen zu den dahinterliegenden Garderoben und WCs. Das andere Ende des Gebäudes dient als Lager und Küche mit direktem Zugang zum Wirtschaftshof. Für die Flügeltüren aus Holz wurden eigens die Scharniere aus Schwarzstahl dem his-torischen Vorbild nachempfunden. „Der Umgang mit his-torischer Substanz ist für mich so spannend, weil er besondere Ergebnisse einfordert“, so Waldner. „Es gibt viele Elemente wie die Fensterläden, die alt aussehen, aber nicht alt sind.“

Großes Theater

Der lange Festsaal lässt sich mit Vorhängen auf Schienen unterteilen und ermöglicht so unterschiedliche Nutzungsszenarien. „Die Leinenvorhänge haben verschiedene Farbtöne. Das Konzept ist sehr stimmig: Man kann damit ein wenig mit dem Raum Theater spielen und mit fünf Leuten drinnen sitzen oder mit hundert“, so Renate Allmayer-Beck. Die Bewahrung der alten Patina erwies sich als aufwändig, denn das Sandsteinmauerwerk, das im gestampfen Lehmboden etwa 1 m tief in die Erde ragt, brauchte zwar kein Fundament, dafür aber eine horizontale Aussteifung. Man setzte also eine 15 cm breite Stahlbetonplatte auf die Schüttung am neu gedämmten Boden und zog über dem Fenstersturz einen 30 cm dicken, horizontalen Kranz um die Außenmauern des Hauses, um sie zu stabilisieren. Auch der Erhalt des historischen Dachstuhls entwickelte sich zur Herausforderung. „Wir mussten sämtliche Sparren demontieren, säubern, sandstrahlen und dann wieder einbauen“, so Waldner. Weil die statischen Werte für den Dachstuhl nicht exakt zu berechnen waren, wurden alle Sparren mit weißen Stahlträgern verstärkt und ein Akustikfilz angebracht. Die Hauptbalken sind zudem mit weißen Stahlseilen diagonal verstrebt. Dahinter sorgt ein wärmegedämmter, neuer Dachstuhl mit Oberlichten, die sich auch für die Nachtlüftung bestens eignen und anthrazitgrauer Deckung für ein gutes Raumklima und ein ruhiges Erscheinungsbild.

Der Festsaal ist mit breiten Holzdielen aus weiß lasierter Eiche belegt, die Fenster mit Zweifachisolierglas sind neu, haben aber ungleich hohe Stürze. Als Möblierung entwarfen Mobimenti eigens einen Klapptisch aus Eichenholz. Das Gestell entwickelten sie mit einem Schlosser. Sein schwarzer Stahl wurde nach einer alten Methode mit heißem Öl gefärbt. Das Kalandahaus kommt gut an: allein bis April waren 80 Veranstaltungen gebucht. Dass AllesWirdGut hier ihr Teamfoto machten, ist auch kein schlechtes Zeichen. Isabella Marboe, Wien

Baudaten
Objekt: Revitalisierung Meierhof Trausdorf, Burgenland
Standort: Meierhof Trausdorf/AT
Typologie: Veranstaltungsstätte
Bauherr: Esterházy Wein GmbH,
www.esterhazy.at
Nutzer: Esterházy Wein GmbH
Architekt: AllesWirdGut ZT GmbH, Wien/AT, www.awg.at
Mitarbeiter (Team):
Wettbewerb: Ondrej Stehlik, Jakub Klíma, Adrian Leitoiu, David Kovarik
Ausführung: Jan Schröder, Paula Groß, Harald Groll, Jakub Klíma, Eva Bírová
Bauleitung: Esterházy Betriebe GmbH – Herr Wolfgang Thurner
Bauzeit: 05.2015 – 10.2015
Fachplaner
Tragwerksplaner: Simon-Fischer ZT-GmbH, Pöttsching/AT,
www.simon-fischer.at
TGA-Planer: Zentraplan Planungsges.m.b.H., Wiener
Neustadt/AT, www.zentraplan.com
Innenarchitekt: Mobimenti,
www.mobimenti.at
Akustikplaner: Ianko Ivanov, Wien/AT,
www.bauphysik.me
Brandschutzplaner: Ianko Ivanov
Projektdaten
Grundstücksgröße: 78 699 m²
Nutzfläche: 620,3 m²
Technikfläche: 43,8 m²
Verkehrsfläche: 18,9 m²
Hauptnutzfläche: 303,4 m²
Brutto-Grundfläche: 776 m²
Brutto-Rauminhalt:
3 023 m³
Baukosten
KG 200 (netto): 80 000 €
KG 300 (netto): 672 000 €
KG 400 (netto): 220 000 €
KG 500 (netto): 140 000 €
KG 600 (netto): 58 000 €
Gesamt brutto: 1 404 000 €
Gesamt netto: 1 170 000 €
Hauptnutzfläche: 3 856 €/m² BGF: 1 507 €/m² Brutto-Rauminhalt: 387 €/m³
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand:⇥0,94 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte: ⇥0,13 W/(m²K) U-Wert Dach:⇥0,14 W/(m²K) Uw-Wert Fenster:⇥1,2 W/(m²K)
Luftwechselrate n50: ⇥1,5 1/h
Hersteller
Dach: Eternit GmbH, www.eternit.de
Dachfenster: Velux, www.velux.de
Holzfenster: Kranz Tischlerei Gesellschaft m.b.H. & Co.KG,
Sanierputz: Baumit Wopfinger Baustoffindustrie Gmbh, www.wopfingerbaustoffe.at
Dämmung: Isover, www.isover.de
Holzdielen/Parkett: Weitzer Parkett, www.weitzer-parkett.com
Fliesen: Cevica, www.cevica.es
Sanitär: Keramik Laufen AG,
Beleuchtung: Karman, Gangster, Pendelleuchte, www.stilbasis.de
x

Thematisch passende Artikel:

Wein + Architektur

Architekturpreis Wein 2010 in Stuttgart verliehen

Immer mehr Winzer schaffen mit anspruchsvoller Architektur ein der Qualität ihrer Weine angemessenes Umfeld für Präsentationen und Degustationen. Der zweite Architekturpreis Wein, bundesweit...

mehr
Ausgabe 02/2016 Weingut in Ellerstadt/Pfalz

Beton als römisches Zitat Weingut Schneider, Ellerstadt/Pfalz

„Formal sehen wir die Kassettendecke als ein Zitat des Pantheons in Rom“, sagt Holger Gräf, Architekt der neuen, zweigeschossigen Produktionshalle des Weinguts Schneider in Ellerstadt. Der Planer...

mehr
Ausgabe 02/2016

Blick zum Weinberg Vinothek des Weingut Reiss, Unterdürrbach

Seit 2003 führen Christian und Martina Reiss das Weingut in Unterdürrbach bei Würzburg, dass Bruno Reiss 1960 gegründet hat. Die Vinothek, die dort steht, wo sich zuvor der Packraum befand, ist...

mehr
Ausgabe 02/2013

Winzerkunstwerkstatt Weingut Château Cheval Blanc, St. Emilion/FR

Entgegen der allgemeinen Tendenz in dieser Region Frankreichs die neue Architektur eines Weinkellers als Teil des Marketings zu begreifen, handelt es sich bei der Entwicklung der Kellerei Château...

mehr
Ausgabe 06/2014 Weingut Keller

Behutsamer Umgang mit Natur Weingut Franz Keller, Oberbergen

Franz Keller in Oberbergen im Kaiserstuhl gehört zu den erfolgreichsten deutschen Gütern und hat sich 2013 einen neuen Betrieb zugelegt. Der Erfolg des rheinischen Weines im Allgemeinen und der des...

mehr