Schlossbaumeister? Eine Vereinnahmung

Dr. Hans-Ulrich Kessler ist ein eher stiller Mann, ein für seine Disziplin der Kunstgeschichte typischer Vertreter. Wenn man ihn aber fragt, warum wir überhaupt eine Ausstellung über einen Künstler und vielleicht Baumeister brauchen, die sich scheinbar allein aus einem runden Todestag ergibt, wird er energisch und seine Augen beginnen zu leuchten. Weil Andreas Schlüter (1659/60-1714), so der Kurator, völlig zu Unrecht unbekannt ist, weil er durchaus auf einer Stufe mit dem großen Universalgenie Michelangelo stünde und weil gerade Berlin diesem Mann so viel zu verdanken habe. Gewiss sogar den Aufstieg vom eher provinziellen Großdorf hin zur Reichs- und Haupt-, vielleicht gar zur Metropole heute?!

Über Schlüter, der seit ein paar Jahren immer als Schlossbaumeis-
ter apostrophiert wird, ist biografisch wenig bekannt. Seine Hauptspuren sind einige plastische Arbeiten und ein paar Bauten im heutigen Polen und in Berlin. Sämtliches Zeichenmaterial, ob Skizzen oder Pläne, sind verschwunden oder untergegangen. Das, was wir von ihm wissen kommt über Dritte. Sein Anteil am zur Zeit neuinszenierten Schloss bezieht sich im Wesentlichen auf das, was Hans-Ulrich Kessler als Schleier – Architekten nennen es Layer – bezeichnet: komplette Fassadenarbeiten, Detailarbeiten in den Fassaden und den Innenräumen. Und tatsächlich erscheint das Werbetrommelrühren im Stadtraum Berlin-Mitte für den Schlosswiederaufbau als eine einseitige und durchaus überzogene Vereinnahmung eines Künstlers, der weniger Bauender war als vielmehr ein schöpferisch denkender Mensch, dessen Leistungen in der im Bode-Museum gezeigten großartig inszenierten Schau auf ganz andere Weise beeindrucken, als über seine eher marginalen Leistungen in der tatsächlichen Erfindung einer Schlossform beispielsweise.

Damit leidet die prächtige Inszenierung im Ernst-von-Ihne-Bau nachhaltig unter der Marke „Schlossbaumeister“, denn die erscheint, nach Durchgang und intensiver Auseinandersetzung mit der Ausstellung, eher eine Art Trittbrett zu sein, auf welchem die Schlossgesellschaft in vorteilnehmender Weise Blumensträuße in gemächlicher Vorbeifahrt als etwas Buntes präsentiert. Dass der Ausstellungskatalog, „Andreas Schlüter und das barocke Berlin“ – also ohne Schlossbaumeister! –, diese Perspektivnahme ebenso korrigiert wie die Arbeiten der Ausstellung in der Gegenüberstellung und Kontextualisierung von Schlüters Zeitgenossen beweisen, dass man dem Bildhauer und Künstler in dieser überdeutlichen Zuschreibung Unrecht tut, muss man allerdings selbst und am eigenen Leib erleben. In Berlin, am besten in Begleitung des begeisternden wie zugleich überraschend undogmatisch denkenden Hans-Ulrich Kessler. Be. K.

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