Schön gemacht

Sie sind gerade in Mode: Bücher über Materialien. Das ist einerseits gut so und korreliert mit einem zunehmenden Materialbewusstsein in Architektur, Design, Mode und Hochleistungssport. Andererseits verleitet ein Trend auch seriöse Verlage nicht selten dazu, mehr und schneller mehr zu publizieren. Und so klingt es einem schon verdächtig nach Entschuldigung, wenn gleich zu Beginn der hier vorliegenden Publikation auf „Unzulänglichkeiten“ und „Lücken“ hingewiesen wird.

Doch los geht es, hinein ins Material. Gestartet wird mit einem Überblick über die hier so genannten „Materialfamilien“: Holz, Papier, Leder/Haut, Metalle usw. Auf jeweils ein paar Seiten wird das Material von seiner Herstellung, der Verarbeitung, Eigenschaften wie auch seiner Geschichte kurz und anschaulich vorgestellt. Dabei wird einerseits tatsächlich der interessierte Laie angesprochen, andererseits fehlen diesem Laien ganz sicher hin und wieder Aufschlüsselungen von Fachbegriffen, an denen man offensichtlich doch nicht vorbeikommt (oder kennen Sie das Wort „Retifizieren“? ein Blick ins Stichwortverzeichnis verweist auf zwei Fundorte, die erstens meine Stolperstelle nicht listen, und dann nur in dem einen der beiden Verweise die nötige Aufklärung bringt).

Dennoch vermitteln die Artikel einen guten Überblick, lexikalische Verweise, die hier mit zahlreichen Unterstreichungen angedeutet werden, bleiben allerdings aus. Die Zeichnungen und erläuternden Schemata sind hilfreich und von eigener gestalterischer Qualität, wie überhaupt die Gestaltung des Buches vorzüglich geraten ist.

Die nach dem Überblick über die Familien dargestellten 110 Materialien zeigen natürlich nur einen winzigen Ausschnitt aus der vorhandenen Palette möglicher, auch vernünftig einsetzbarer Stoffe. Sie werden äußerst verknappt auf einer Druckseite mit schönen Abbildungen (ca. halbe Seite) und einem kleinen Text dargestellt. Wenig hilfreich ist das Stärken-/Schwächen-Resumee in seiner Verkürzung, zumal es auch nicht bei allen Materialien gemacht wurde. Wenig aussagefähig erscheint einem, wenn unter Schwächen häufig „Preis“ oder auch „selten“ o. ä. zu lesen ist. Preis ist nun eine relative Sache, keinesfalls ein Schwächenkriterium!

Dem Katalog folgt ein großartiges Kapitel über unterschiedlichste wie zugleich gebräuchliche Verarbeitungstechniken, das, wie schon die Familienübersicht, hier aber noch deutlicher durch seinen grafischen Teil punktet. Um der ganzen Geschichte noch einen hier als „Weiter gedacht“ bezeichneten Aspekt zu geben, wird im Abschluss über verschiedene Materialthemen im weitest verstandenen Sinne in Form kurzer Essays reflektiert: „Das Problem des Überangebots“, „Endliches Material, unendliche Materie“, „Hartnäckige Vorurteile“, „Eine nano-dominierte Welt“ und andere. Unverbundenen mit dem Vorhergeschilderten wirken sie wie mäßig verbindliche Aperçus, die einer vereinfachenden Darstellung einer hochkomplizierten Geschichte ein Tüpfelchen kritische Distanz einhauchen sollen. Ihr Unverbundensein mit dem Werk zuvor macht sie schön, und gleichzeitig beinahe überflüssig. Mit Register.

Daniel Kula, Elodie Ternaux, Materiology. Handbuch für Kreative: Materialien und Technologien. Hrsg. v. Materio. Eine Kooperation von Frame, Amsterdam, und Birkhäuser, Basel 2009, 342 S., 200 Farbabb.

79,90 €, ISBN 978-3-7643-8423-4

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