Stadtraumverallgemeinerung
Was ist ein urbaner Raum? Was macht ihn aus? Gibt es einen Raum, den wir auch Platz nennen, der in der so genannten Europäischen Stadt ein anderer ist als in Asien? Oder in Lateinamerika? Welcher Maßstab ist zumutbar, welcher fördert die Kommunikation? Welche Platzgestalt wirkt wie auf das Wohlbefinden einerseits wie auch auf eine anhaltende Vitalität eines Platzes? Und ja: Wem gehört eigentlich ein Platz? Denen, die ihn beleben oder denen, die ihn als Anrainer in Teilen besitzen/besetzen?
Ohne Plätze keine lebendige Stadt. Doch müssen die Plätze auch lebendig sein, müssen neben aller Funktion auch Ort sein. Viele Plätze dieser Welt wurden funktionsoptimiert, Fußgänger:innen, Flaneur:innen gar mussten sich mit Drohblech, Feinstaub und Lärm abfinden, so lange, wie die Automobilität Zukunft hatte und die passende Lobby dazu. Das scheint nun, im 21. Jahrhundert, zu wackeln, die Städter:innen wollen ihre Plätze, ihre Orte zurück. Und weil das Automobile schwächelt, stehen die Chancen auf Rückeroberung gut. Jedenfalls zeigen das die in diesem dickleibigen Band versammelten Beispiele aus 32 europäischen Städten. Geordnet nach Typen – z. B. „die Repräsentativen“, „die Verteiler“, „die Impulsgeber“, „die Wohnzimmer“ oder „die Aktiven“ – werden uns revitalisierte Plätze unterschiedlichster Dimensionen vor Augen geführt, Arbeiten von Architekt:innen und/oder Landschaftsarchitekt:innen, von Künstler:innen und Stadtplaner:innen aus den ersten beiden Dekaden dieses Jahrhunderts. Dabei werden die Arbeiten fotografisch im Ganzen wie in kleinen Details gezeigt, es gibt den Schwarzplan und die Oberflächenplanung, eine um den Platz gelegte Abwicklung der Ansichten der begrenzenden Bauten und meist drei oder vier Kartendarstellungen, die die Fläche zeigen, die neuen Objekte, Grünpflanzen oder Beleuchtung. Der jeweilige Projektbeschrieb ist textlich sehr konzentriert auf das Objekthafte, teils in phrasenhaftem Planer:innensprech und leider immer ohne eine Meldung über Erfolg oder Misserfolg der Planung.
Dennoch haben wir eine sehr klar gestaltete, schön gemachte Übersicht über Orte mit „Aufenthaltsqualität“ (wann endlich wird dieses Wort aus dem Planer:innenwortschatz verbannt!), die nicht jedem gefallen müssen, die allerdings, wenn sie die „neue Öffentlichkeit“ beschreiben sollen, schon ein wenig Sorge machen. Sorge, dass viele der neuen Plätze am Ende nichts anderes sind, als autoverkehrsbefreite, grafisch schwungvoll gestaltete und zweckhaft möblierte Flächen, die mit ihrer Stadtraumverallgemeinerung für so vieles Verwendung finden können; auch für die Rückkehr des dann allerdings elektrisch getriebenen Individualverkehrs. Be. K.