Unternehmensstrategie in Krisenzeiten
Wir leben in ungewöhnlichen Zeiten, nutzen Sie Ihre Chance. Jörg M. Proksch gibt Tipps, wie Sie in Ihrem Planungsbüro die Krise strategisch bewältigen.
Strategisches Management ist für ArchitektInnen und IngenieurInnen ein Thema, das gerne hinten angestellt wird. In den vergangenen Boom-Jahren haben sich viele Büros und Planungsunternehmen eher auf die operative Seite konzentriert. Gerade für erfolgreiche Büros kann dies verhängnisvoll sein. Je besser die operativen Daten sind, desto größer ist die Gefahr strategische Fehler zu begehen.
Oft gibt es Ideen zur Zukunft des eigenen Büros. Eine Idee ist jedoch keine Strategie und offensichtlich pragmatische Lösungen sind nicht immer die beste Wahl. Abraham Maslow, ein amerikanischer Psychologe, sagte dazu: „Wenn das einzige Werkzeug, dass Du besitzt, ein Hammer ist; dann bist Du geneigt, jedes Problem als Nagel anzusehen.“
Bei strategischen Überlegungen sollten immer zwei wesentliche Gesichtspunkte beleuchtet werden, bevor gehandelt wird. Zum einen die Veränderungen im Umfeld, zum anderen das Selbstverständnis als selbständige/r ArchitektIn oder IngenieurIn.
Veränderungen im Umfeld wahrnehmen und einschätzen
Wir erleben seit einiger Zeit eine Umwälzung unseres sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systems. Die Corona-Krise ist dabei nur ein Aspekt von vielen.
Beschrieben sind solche Zeitenwenden durch die Kondratieffschen Zyklen. Danach treten in der Marktwirtschaft langfristige Schwankungen (lange Wellen) in Perioden von vierzig bis sechzig Jahren auf. Mit dem Übergang zum nächsten Zyklus findet immer eine tief greifende Veränderung der Gesellschaft statt. Die Auslöser der Wellen sind sogenannte Basisinnovationen. Hier finden sich neue Ideen und künftige Wertschöpfungspotentiale.
Das Antizipieren solcher Entwicklungen ist eine wertvolle Grundlage für die Strategiearbeit, ansonsten besteht die Gefahr zwar die Dinge richtig zu tun, aber eben nicht die richtigen Dinge zu tun.
ExpertIn oder UnternehmerInnen sein
Für InhaberInnen eines Architektur- oder Ingenieurbüros gibt es zwei Wege.
Beim Weg des/r ExpertIn stehen die fachlichen Themen im Vordergrund. Hier fühlen sich die BüroinhaberInnen wohl, die sich als ArchitektInnen oder IngenieurInnen im klassischen Sinne begreifen. Die InhaberInnen sind selbst die kompetentesten ExpertInnen. Sie arbeiten hauptsächlich in ihrem Büro.
Dem/der UnternehmerIn geht es in erster Linie um die Arbeit am Unternehmen. Diese InhaberInnen befassen sich primär mit der Lösung von Kundenproblemen, kreieren daraus Geschäftsmodelle und organisieren sich mit wirkungsvollen Strukturen und Prozessen. UnternehmerInnen begeistern ihre MitarbeiterInnen für attraktive Ziele und wollen gemeinsam wirtschaftlich erfolgreich sein. Normalerweise findet sich ein Käufer für ein Unternehmen, was bei einem „Büro“ oft ein Problem darstellt.
Viele „Büros“ legen an Größe zu und sind irgendwann Unternehmen, ohne dass vorher klare Entscheidungen getroffen wurden. Konflikte sind in diesem Fall vorprogrammiert.
Der Weg „Vom Büro zum Unternehmen“, kann über 6 Stufen definiert werden, die meisten „Büros“ befinden sich zwischen Stufe 1 und 2.
01: Der Weg vom Büro zum Unternehmen: Die meisten Büros in Deutschland befinden sich zwischen den Stufen 1 und 2
Grafik: Agetis Consulting GmbH
Was können Sie als InhaberIn eines Architektur-, Ingenieurbüros oder Planungsunternehmen in schwierigen Zeiten tun, um eine Strategie zu entwickeln?
1.Lage einschätzen.
Jetzt ist nicht die Zeit die Dinge schönzureden. Gehen Sie davon aus, dass die Welt, wie sie bisher war, künftig nicht mehr existiert. Haben Sie genügend Puffer (z. B. Liquidität), um Veränderungen durchzustehen? Was können Sie aktivieren? Denken Sie nicht nur an Staatshilfen, denken Sie quer.
2.Betriebswirtschaftlichen Status feststellen.
Die Praxisinitiative erfolgreiches Planungsbüro PeP e.V. hat 7 betriebswirtschaftliche Kennzahlen entwickelt (Umsatzrendite, Umsatz pro Mitarbeiter, Arbeitskostenquote, Projektstundenanteil, mittlerer Stundensatz, Gemeinkostenfaktor, Aufwandswerte), die Hinweise darauf geben, wo Ihr Büro bzw. Ihr Unternehmen derzeit steht und wo Schwachstellen vorhanden sind. Unternehmen, die mit nach dem PeP-7-Standard zertifizierter Software arbeiten, haben diese Werte automatisch vorliegen.
3.Ressourcen klären.
Sie: Fangen Sie bei sich selbst an. Sind Sie physisch und psychisch ausreichend gefestigt, um die Herausforderung anzunehmen? Wenn nicht, was kann Sie stärken?
Ihre Haltung: Sie brauchen eine Basis für Ihr Handeln. Das sind Ihre Werte. Was treibt Sie an, auch wenn die Lage schwierig ist? Machen Sie sich das bewusst, es ist Ihre Lebensressource.
Ihre MitarbeiterInnen: Ihre MitarbeiterInnen sind bestimmt loyal, was aber wenn Sie Entlassungen vornehmen müssen? Sprechen Sie die Probleme offen an, laden Sie Ihre MitarbeiterInnen ein, an Lösungen mitzuarbeiten. Sie sitzen alle im selben Boot. Bestimmen Sie gemeinsam den Kurs und rudern Sie im Team.
Ihre Stärken: Gehen Sie diese Frage professionell an. Es gibt bewährte Methoden dafür, z. B. die SWOT-Analyse.
4.Planung hinterfragen.
Betrachten Sie Ihre unternehmerische Idee, Ihre bisherige Zielplanung und Ihre Vorgehensweise. Sind die noch zukunftsfähig?
5.Navigieren ins unbekannte Terrain.
Welche Erwartungen haben Sie an die weitere Entwicklung? Arbeiten Sie mit Szenarien (z. B. worst-case-/ best-case-Szenarien). Was sind deren Auswirkungen auf Ihr Geschäftsmodell?
6.Ziele bestimmen.
Formulieren Sie Ihre Zielvorstellungen kraftvoll. In einem komplexen Umfeld fokussiert eine packende Zukunftsgeschichte alle auf die „Neue Welt“.
7.Das Scheitern erwägen.
Nur wer nichts unternimmt, macht keine Fehler. Akzeptieren Sie, dass es schwierig werden oder schiefgehen kann und machen Sie einen Plan für den Fall der Fälle. Eine gute Methode dafür heißt WOOP (Wish ,Outcome, Obstacle, Plan).
8.Ins Handeln kommen.
Niemand kann in einem komplexen Umfeld sagen, was genau geschehen wird. Sie haben deshalb nur eine Chance. Beginnen Sie mit kleinen Schritten. Aber beginnen Sie! Jetzt!