Urheberrecht und Vergütung bei Realisierung von nichtplatzierten Entwurfsideen
Mit der Aufwandsentschädigung vom Architektenwettbewerb ist es nicht immer getan. Wenn nach einem Wettbewerb auch Planungen eines Nachplatzierten zum Zuge kommen sollen, sollte sich der Ausrichter dazu vorab Gedanken machen. Nach Architektenwettbewerben kann es vorkommen, dass der Bauherr neben den Ideen des Siegers auch Entwurfsdetails des Zweit- oder Drittplatzierten realisieren möchte. So könnte beispielsweise der Gewinner beauftragt werden, den Baukörper gemäß seinem Entwurf zu realisieren, bei der Fassadengestaltung könnten jedoch die Einfälle eines anderen Teilnehmers zum Zuge kommen. Werden mit diesem nichtplatzierten Planer keine Regeln getroffen und trotzdem seine Einfälle beim Bau berücksichtigt, kann unter Umständen eine Urheberrechtsverletzung vorliegen und eine Vergütungspflicht entstehen.
vergüten
Üblicherweise überträgt nur der beauftragte Architekt die Nutzungsrechte an der Planung an den Bauherrn, entweder durch entsprechende ausdrückliche Vereinbarung oder aufgrund der Honorierung, der sogenannten Zweckübertragungslehre. Mitwettbewerber, die während der Auslobungsphase geistig-schöpferisch tätig waren, werden – falls überhaupt – mit einer Aufwandsentschädigung abgefunden. Diese liegt in der Regel bei überschaubaren Beträgen. Der Auftraggeber kann keinesfalls davon ausgehen,
damit auch die Nutzung etwaiger Urheberrechte erworben zu haben. Zwischen Aus-
lober und Planer besteht nämlich während der Wettbewerbsphase nur eine Vertragsbeziehung hinsichtlich des Wettbewerbs, nicht hinsichtlich der baulichen Realisierung (vgl. BGH, I ZR 217/81). Zu bedenken ist, dass nicht jeder Entwurf automatisch geistig-schöpferisch und somit urheberrechtlich schützenswert ist. Darauf wird später noch eingegangen.
Vereinbarung bereits in der Ausschreibung festschreiben
Es sind mehrere Möglichkeiten denkbar, wie man dieses Dilemma von Anfang an in den Griff bekommt: So kann man bereits in den Ausschreibungsunterlagen Regeln vereinbaren. Die meisten Kommunen, die ausschreiben, haben seit einigen Jahren einen entsprechenden Passus in ihren Unterlagen, viele private Bauherren jedoch nicht. Aufgenommen werden kann ein Absatz, wonach urheber- und wettbewerbsrechtlich geschützte Kreativleistungen von Teilnehmern, die keinen Auftrag zur Realisierung erhalten haben, nur gegen eine angemessene Vergütung
genutzt werden dürfen. Diese finden sich auch in den „Richtlinien für Planungswett-
bewerbe“ (§ 8, Abs. 3) des Bundesbauminis-teriums.
Zwei Dinge sind hierbei jedoch zu beachten: Erstens kann der zu honorierende Architekt im Falle einer zu niedrig angesetzten Vergütung später noch Honorarkorrekturen ver-
langen, sowohl nach der HOAI als auch nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG). Dies gilt auch dann, wenn er die Honorierungsregel in der Auslobungsphase akzeptiert hat. Zweitens ist zu beachten, dass zu weitgehende Rechte des Bauherrn, etwa, wenn er Architektenpläne ändern möchte, Probleme verursachen. Ratsam ist also eine enge Abstimmung mit dem Entwurfsverfasser. Denn insbesondere die Urheberpersönlichkeitsrechte sind nicht übertragbar. Dazu gehört auch der Schutz vor einer „Entstellung“ des Werkes. Diese Schwelle kann schneller erreicht sein, als man gemeinhin denkt. Dafür gibt es viele Beispiele, wie etwa die gerichtliche Auseinandersetzung bei der Erweiterung des Flughafens Köln/ Bonn (siehe
unten).
Außerdem ist denkbar, die Ideen des nachplatzierten Architekten von diesem mit ausführen zu lassen. Dann wird er, wie üblich, auf Basis der anrechenbaren Kosten unter Berücksichtigung der erbrachten Leis-tungsphasen honoriert. Dazu ist allerdings nur bei klar trennbaren Baumaßnahmen zu raten. Es sollte hierbei vertraglich geregelt werden, wer welche Leistungen erbringt und welche Ideen in welchem Maße einfließen. Auch sollte verhindert werden, dass einer der beiden späterhin auf eine „Entstellung“ seines Werkes klagt und so Baufortschritt und -ende verzögern kann.
ARGE als Vergütungsgemeinschaft
Sollen Ideen verschiedener Planer verknüpft realisiert werden, kann die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) in Betracht kommen. In dieser sind alle Planer, deren Ideen berücksichtigt werden sollen, beteiligt. Der Auftraggeber schließt mit der Gemeinschaft einen Vertrag zur Umsetzung seines Bauvorhabens ab. Der Vorteil: Alle Planer sitzen im Boot und teilen Arbeiten und Know-how. Der Bauherr bezahlt die ARGE als Ganzes, nicht einzelne Architekten. Diese müssen sich untereinander einigen. Die Gründung einer solchen ARGE kann man nicht in den Wettbewerbsbedingungen aufnehmen, aber zumindest die Absicht, eine solche zu gründen, ist denkbar. Es wird auf die Architekten ankommen, ob sie untereinander in starkem Wettbewerb stehen und sich auf eine solche Kooperation einlassen.
Nur einzigartige und kreative Leistungen
unterliegen Urheberrecht
Grundsätzlich gilt, dass längst nicht jede Architektenleistung urheberrechtlich geschützt ist. Vielmehr fallen darunter ausschließlich geistig-schöpferische Arbeiten. Neben Gebäudeentwürfen können dazu auch Konstruktionspläne oder Grundrisse zählen (Grundsatzurteil BGH, Az.: I ZR 236/57).
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist nach der Rechtsprechung die Originalität des geschaffenen Werkes. Es muss etwas vorher nicht Dagewesenes, Einzigartiges sein. In der Praxis spielt zudem häufig die Art der Immobilie eine Rolle. Bei einer zweckdienlichen Lager- oder Produktionshalle oder einer eher gleichförmigen Reihenhaussiedlung wird seltener von einem künstlerischen Unikat auszugehen sein. Ganz anders sieht es bei hochwertigen Bürogebäuden, Museen, Konzert-
häusern oder herausragenden Wohnungsbauten aus. Hier erwartet der Auftraggeber in der Regel einen „spektakulären“ Wurf. Angewendet auf die Vergütung von Wettbewerbsteilnehmern bedeutet dies, dass die adaptierte Leistung diese Kriterien erfüllen muss, um Urheberrechtsschutz zu genießen.
Haftung bei Urheberrechtsverletzungen
Treffen Bauherr und ausführender Architekt keine Vereinbarungen zur Nutzung schöpferisch-geistigen Eigentums eines Nicht-Platzierten, stecken sie unter Umständen beide in der Bredouille. Primär ist es Aufgabe des ausführenden Architekten, mit dem nachplatzierten Planer Verwertung und Vergütung zu klären. Im Zweifel muss er, aber auch der Bauherr, bei Nichtbefolgen für eine Urheberrechtsverletzung einstehen. Der Kreis möglicher Anspruchsgegner ist nämlich insbesondere aufgrund der sogenannten „Störerhaftung“ weit gefasst. Im Rahmen dieser kann jeder, der irgendwie willentlich und kausal zur Rechtsverletzung beiträgt, in Anspruch genommen werden. Vorausgesetzt er hat gegen zumutbare Verhaltens- und insbesondere Prüfpflichten verstoßen. Der beauftragte Architekt könnte in dieser Konstellation, in der er Ideen eines Wettbewerbers ungefragt und ungeklärt verwendet, sogar als Täter haftbar sein. Dass Urheberrechtsverletzungen keine Lappalien sind, belegen viele Gerichtsurteile. Dabei können betroffene Architekten sogar eine einstweilige Verfügung mit Baustopp erstreiten.
Einigung auch später, nach Baubeginn,
möglich
Es besteht auch die Möglichkeit, sich nach Baubeginn mit dem nicht-berücksichtigten Architekten zu einigen. Dann kann dieser gegebenenfalls aus einer Position der Stärke heraus mit dem Bauherrn und dem bauausführenden Kollegen seine Vergütung verhandeln. So kann er möglicherweise eine hohe Summe heraushandeln, wenn er zudem auf eine Rechtsverfolgung seiner Ansprüche
verzichtet. Sicherheitshalber sollten die
Vertragspartner in diesen Vereinbarungen
zusätzlich einen Verzicht auf etwa zwischenzeitlich entstandene weitere Ansprüche des Planers aufnehmen.
Schadensersatzforderungen bei unterlassener Vergütung
Bei Schadensersatzforderungen von Architekten, deren Ideen ohne Übertragung der Nutzungsrechte realisiert wurden, folgen Richter der Frage, welches Honorar sie erhalten hätten, wenn sie den Bau selbst verwirklicht hätten. Dabei werden gemäß HOAI die jeweilige Honorarzone, Bausumme sowie die Leistungsphasen berücksichtigt. Oft summiert sich der Schadenersatz auf einen fünfstelligen Euro-Betrag.
So wurde einem klagenden Architekten ein Schadensersatzanspruch von 15 000 € zugesprochen, nachdem er im Rahmen eines Architektenwettbewerbs Planungen für die Umgestaltung einer Grundschule ein-
reichte, deren Umsetzung aber durch einen Konkurrenten erfolgte, der die Entwürfe mit kleinen Änderungen übernommen hatte (LG Hannover, 18 O 356/02).
In einem anderen Fall gab es zwar keinen Architektenwettbewerb, aber der Fall ist dennoch vergleichbar, weil ebenfalls Ideen eines Konkurrenten berücksichtigt wurden. Der erste Architekt war von seinem Auftraggeber lediglich mit Vorplanungen beauftragt worden. Er erstellte dabei eine urheberrechtsschutzfähige Vorplanung einer Hotelfassade. Die Unterkunft wurde danach im Auftrag desselben Auftraggebers durch einen zweiten Architekten weitergeplant, der die Fassadenkonzeption seines Wettbewerbers integrierte. Trotz vollständiger Bezahlung des ersten Architekten für seine Vorplanungsleistungen sah das OLG Thüringen (2 U 799/96) dies als Verletzung der Rechte des Architekten an. Der Auftraggeber wurde zu Schadensersatzleistungen an den Fassaden-Architekten verpflichtet. Denn dieser hatte seine Nutzungsrechte nicht allein dadurch verloren, dass er vom Auftraggeber (nur) die Vorplanung vergütet bekam. (Hätte dieser Architekt sein Fassadenkonzept im Rahmen eines Wettbewerbs entwickelt, würde nichts Anderes gelten.) Der Schadensersatzsumme orientierte sich laut OLG Thüringen am HOAI-Honorar für die Fertigstellung der Fassadenplanung (Leistungsphasen 3-5).
Andere Gerichte räumen dem Architekten zudem einen Zuschlag für die gestalterische Überwachung aus Leistungsphase 8 ein (OLG Hamm, 4 U 72/97, LG Hannover, 18 O 356/02).
Urheberrecht und Vergütung bei Erweiterungsbauten
Auch wenn Erweiterungsbauten an bestehenden Bauwerken vorgenommen werden, kann das Urheberrecht tangiert sein. Der Architekt des Flughafens Köln-Bonn, Paul Schneider-Esleben, stritt sich beispielsweise vor über zehn Jahren mit dem Flughafenbetreiber um Ergänzungsbauten zu den von ihm geplanten Terminals. Er argumentierte, der Betreiber habe ihm ein Mitspracherecht zugesichert. Zudem meinte er, dass das von einem Wettbewerber geplante Zusatzgebäude sein Ursprungswerk entstelle und sein Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt werde. Flughafenbetreiber und Ursprungsarchitekt einigten sich auf eine Zahlung von 175 000 €. Im Gegenzug verzichtete der Anspruchssteller darauf, künftig an baulichen Veränderungen beteiligt zu werden.
Fazit
Dass in der Praxis Architekten eher selten gegen die unrechtmäßige Verwendung ihres geistigen Eigentums vorgehen, mag daran liegen, dass sie es sich einerseits nicht mit potentiellen Auftraggebern verscherzen wollen. Andererseits will auch der Bauherr für seine Wettbewerbe weiterhin renommierte Architekturbüros gewinnen. Klare Vereinbarungen sind also angeraten.
Kurz notiert:
Sollen nach einem Architektenwettbewerb schöpferisch-kreative Ideen des Nicht-Gewinners realisiert werden, sind mehrere Vorgehensweisen denkbar:
– Optimal ist es, wenn der Auftraggeber
bereits in den Ausschreibungsunter-
lagen Regeln festlegt, wie damit zuzu-
gehen ist und wie diese honoriert
werden.
– Diese Regelungen sollten sehr genau
gefasst sein, so etwa auch der Umgang
mit späteren Änderungen an den
mitverwendeten Entwürfen.
– Denkbar ist die Gründung einer Arbeits-
gemeinschaft, in der die betroffenen
Architekten gemeinsam die gewünsch-
ten Ideen realisieren.
– Soll der eine Planer den Baukörper, der
andere seine Ideen zur Fassade realisie-
ren, können ggf. beide gleichberechtigt
mit der Realisierung ihrer Bauteile
beauftragt werden.
– Sind keine Regelungen getroffen und
werden Ideen eines anderen Planers
mit realisiert, stehen sowohl der
Bauherr, vor allem aber der ausfüh-
rende Architekt, in der Pflicht: Es ist
seine Aufgabe mit dem anderen
Planer Verwertung und Vergütung zu
klären.
– Vergütungs- und Verwertungsfragen
können auch in der fortgeschrittenen
Bauphase nachträglich geklärt
werden.