Urs Peter Flückiger, Wie viel Haus?

Thoreau, Le Corbusier und die Sustainable Cabin

„Ich fühle mich in meiner Hütte so wohl, dass ich dort wohl mein Leben beenden werde.“ Dieser Satz, der sich im Nachhinein als Prophezeiung enttarnen sollte, irritiert. Wer möchte denn in einer Hütte sterben?! Der den Satz sprach – Le Corbusier – meinte mit der Hütte sein Cabanon an der Cote d‘ Azur, eine natürlich nach architekturdiskursiven Grundsätzlichkeiten konzipierter Fluchtort. Der heute längst zum Kultort geworden ist für internationale Architekturpilger und der vor Jahren nach konservatorischen Grundregeln restauriert wurde. Le Corbusier, der gerne Wohnmaschinen und Stadtmaschinen entwarf und mit seinen Unités auch realisierte, wusste von dem ganz gegensätzlichen Lebensentwurf eines einfachen (Wohn)Lebens. Und verband mit die ganz grundsätzliche Frage, was der Mensch zum Wohnen denn als Minimum benötigt. Anders als Henry David Thoreau, der mit seiner Holzhütte im Wald und einem rund zweijährigen Leben dort einen Rückzug in die Natur und ihre Gesetze ausprobierte, folgte Le Corbusiers Rückzug eher einem kontemplativen, durchaus auch experimentellem Ansatz, dessen Erfahrungszugewinn in die Architekturproduktion zurückfließen sollte.

Irgendwo dazwischen arbeitet Urs Peter Flückiger, Professor of Architecture in Texas, mit seinen Studenten an neuen Wohnmodellen. Seine ökologisch und ökonomisch nachhaltigen „Cabins" in der texanischen Prärie knüpfen dabei an das an, was Frank Lloyd Wright vor Jahrzehnten schon lebte und was heute noch zur Ausbildung der Studenten von Taliesin dazu gehört: sich eine einfache Hütte in der Wüste zu bauen. Flückigers Projekt, das er hier nach den beiden Hüttenbauten von Thoreau und Le Corbusier präsentiert, ist im Vergleich zu den hier genannten berühmten Behausungen Hightec und kommt den Projekten sehr nahe, die im Solar Decathlon-Wettstreit mit ausgefuchster Technik um die Siegespalme konkurrieren.

In dem schmalen wie schön gemachten Buch werden also alle drei Projekte vorgestellt, eingeleitet von einem Text Pflückigers, der sein Projekt am Ende, die Sustainable Cabin, ein kleines bisschen zu groß geraten erscheinen lässt. In Anlehnung an Tolstois Erzählung Wieviel Erde braucht der Mensch?, deren Bedeutung uns der Autor für seine eigenen Fragestellungen gleich über eine autobiografische Notiz heraushebt, fragt er ganz konsequent: „Wieviel Haus braucht der Mensch?" Seine in diesem Text gelieferten Antworten und Reflexe auf die Geschichte überzeugen, sein eigenes Projekt weniger. Dennoch: Der Ausflug an drei sehr unterschiedliche Orte in der Welt und in der Zeit lohnt! Be. K.


Urs Peter Flückiger, Wie viel Haus? Thoreau, Le Corbusier und die Sustainable Cabin. Birkhäuser, Basel 2016, 112 S., zahlr. Farbabb. und Zeichnungen, 29,95 €, ISBN 978-3-0356-1026-0

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