Wellenförmige Brise-Soleil
Werbeagentur Loducca in São Paulo/BR

Verinselung, Lärm, hohes Verkehrsaufkommem – Charakteristika der brasilianischen Metropole São Paulo. Phänomene, zu denen die Architektur Stellung beziehen muss. Die üblichen Lösungsansätze sind Abgrenzung und Introvertiertheit. Dass es auch anders gehen kann, zeigt das Büro Triptyque (Brasilien/Frankreich) mit seinem Entwurf für den Sitz der Werbeagentur Loducca.

„Die Architektur von Triptyque“, so die Architekten Carolina Bueno (BR), Greg Bousquet (F), Guillaume Sibaud (F) und Olivier Rafaelli (F), „nutzt die Stadt und ihre Charakteristika als Inspirationsquelle“. Transparenz, ineinandergreifende Räume und die Aufhebung räumlicher Grenzen sind zentrale Themen des Entwurfes.


Fließende Linien schaffen Zwischenräume

„Fassaden schaffen die Verbindung zwischen innen und außen, dem Nutzer und der Stadt.“ Wie ein Bühnenbild inszeniert die schwungvolle Fassade aus horizontalen Zedernholzplanken (Brise-Soleil) das Davor und das Dahinter, „formt eine organische Membran, die den Fluxus des Verkehrs reflektiert und begleitet“. Beim Näherkommen scheint sich diese Hülle mehr und mehr zu entmaterialisieren, scheint die Grenze zwischen innen und außen aufzuheben. Die Fassade gewährt Ein- und Ausblicke, sie filtert diese.

„Das Konzept der Brise-Soleil – ein traditionelles Element der modernen Architektur in Brasilien – wurde in ein zeitgemäßes Erscheinungs­bild umgewandelt und als Hauptfassade genutzt“, so erklären die Architekten. „Die Verwendung der Holzplanken in Kurvenlinien ist die große Innovation dieses Projektes“. Auf überzeugende Weise bieten diese gleichzeitig Lösungen für extreme örtliche Gegebenheiten, vor allem die starke Sonneneinstrahlung, aber auch den hohen Lärmpegel der Metropole. Je nach den Bedürfnissen der dahinterliegenden Räume, rückt die Fassade in unregelmäßigen Abständen an das Gebäude heran. Im Erdgeschoss, in denen Rezeption und Arbeitsräume den stärksten Belastungen ausgesetzt sind, variieren die Distanzen zwischen 25 cm und 4 m.

In den beiden oberen Geschossen formen die Kurvenlinien begehbare Galerien, halbgeschlossene Räume als Erweiterung des Innenraumes, die vom Spiel der Lichtreflektionen charakterisiert werden.

Gebogene Doppel-T-Träger sind durch Stahlstäbe von der Stahlbeton-Glas-Fassade des minimalistischen Kubus abgehängt und bilden die vertikale Tragstruktur der Holzfassade. An den Trägern angeschweißte Stahlprofile nehmen die horizontale Struktur der wellenlinienförmig zugeschnittenen Zedernholzplanken auf.

Einen Ruhepunkt in diesem bewegten Wellenspiel bildet die Eingangssituation: ein Rahmen aus Sichtbeton schiebt sich in die weiche Linienführung der Fassade, inszeniert die Schwelle zwischen innen und außen. Hier verschmelzen fließende Linien mit der klaren formalen Sprache des dahinterliegenden Baukörpers. In geschwungenem Bogen stößt sich die Fassade am Boden vom Gebäude ab, weitet sich zu einer einladenden Treppe auf, über die man durch das verglaste Portal in die Halle der Agentur tritt.

Ineinanderfließende Räume

Die Komposition purer Materialien – Holz, Sichtbeton und Glas in unterschiedlichen Transparenzen – dominiert sowohl die äußere als auch die innere Gestaltung des Gebäudes. Als prägendes vertikales Element zieht sich im Inneren eine skulpturale Treppe durch die Ebenen bis hinauf zur Panorama-Dachterrasse, nimmt das Thema des Andockens wieder auf. Mit schwebenden Plattformen greift sie in die einzelnen Geschosse, akzentuiert das Betreten der einzelnen Arbeitsebenen.

Von den Architekten entworfene übergroße Arbeitstische stehen in den Kreativbereichen frei im Raum und gliedern diesen. Lediglich in der Direktionsebene und im Erdgeschoss sind einige wenige Räume entsprechend ihrer Nutzung durch geschosshohe Verglasungen unterschiedlicher Durchlässigkeit separat abgeteilt.

Die Rückfassade des Gebäudes öffnet sich in einem Rhythmus aus vertikalen transparenten Einfachglas- und fixen transluzenten Doppelglaselementen großflächig zum dahinterliegenden Garten, der, ebenso wie die Panorama-Dachterrasse und die Galerien, bei Bedarf die Räumlichkeiten der Agentur erweitert und als zusätzlicher Arbeits- oder Besprechungsraum genutzt wird.

Die Zusammenarbeit mit der Agentur Loducca, so Triptyque, „ermöglichte ein Höchstmaß an ästhetischer Experimentierfreude und Kühnheit. Es ergab sich eine enorme kreative Freiheit, die sich sowohl in den Fassaden als auch in der Innengestaltung des Projekte widerspiegelt.“ Nicole Opel, São Paulo

Baudaten
Objekt: Werbeagentur Loducca
Standort: R. Colombia, 325 Jardins Sao Paulo-SP-Brasil
Bauherr/ Nutzer: Werbeagentur Loducca
Architekt: Triptyque- Greg Bousquet, Carolina Bueno, Guillaume Sibaud e Olivier Raffaelli
Projektleiter :Tiago Guimaraes
Konstruktion: Bassani Architects
Bauzeit: 2005-2007
Innenarchitekt: Triptyque-Greg Bousquet, Carolina Bueno, Guillaume Sibaud e Olivier Raffaelli
Landschaftsarchitekt: Peter Webb
Fachplaner:
Tragwerksplanung: Osmar Baptista Antunes
Techn. Gebäudeausrüstung: Disarcon
Lichtplanung: Reca
Elektronik HS Montagens elétricas


Konstruktionsart:
Bauteile:
Materialien: Beton, Glas, Holz

Projektdaten:
Grundstücksgröße m² 1059 m²
Bebaute Fläche 1000 m²
Nutzfläche gesamt NF 60 m² + 274 m²
Hauptnutzfläche HNF m² 843 m²
Funktionsfläche FF m² 81 m²
Verkehrsfläche VF m² 76 m²
Brutto-Geschossfläche BGF m² 1000 m²
Brutto-Rauminhalt BRI m³ ca. 3888m³

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