Hochaktuell
Schon wieder ein Franzose/Philosoph: Michel Foucault. Ihm haben wir den Begriff der „Heterotopie“ zu verdanken, der die realisierte Utopie städtebaulicher Konzepte aus den Bausteinen privater wie öffentlicher Raum beschreibt. Seine Gedankenmodelle können dazu verführen, unsere häufig im Schwarz-Weiß-Denken geprägten Vorstellungen von Stadt und Raum aufzulösen und Planungen von Stadt handbabbarer zu machen.
In dem vorliegenden Buch sind zahlreiche, in São Paulo realisierte Bauten veröffentlicht, ein paar davon mit Kultstatus. So das Centro Cultural SP von Luiz Benedito Telles und Eurico Prado Lopez, das Centro Cultural SESC 24 de Maio von Mendes da Rocha und MMBB Arquitetos oder natürlich das MASP von Lina Bo Bardi. Dazu weitere, mal demonstrativ, dann wieder sehr subtil ins Stadtgefüge eingewobene Strukturen, deren vielfältige Nutzungen für alle hier gezeigten Arbeiten stehen. Die wunderbar bebilderte Arbeit zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die Autorinnen ihre Projekteauswahl vor Ort getroffen haben. Anwohner und Bewohnerinnen wurden befragt; zusammen mit diesen Stimmen werden die Architekturen selbst angeschaut (Fotos, Pläne) wie auch als Initiatoren für eine Quartiersentwicklung … negative wie positive.
Das alles ist gut lesbar und – weil die Beiträge ähnlich aufgebaut sind – vergleichbar. Allerdings fehlen Infokästen z. B. mit Projektdaten (so muss man sich die Planerinnen immer irgendwo aus dem Text heraussuchen, Adressen recherchieren etc.). Ob sich das, war hier zwar kritisch, zugleich aber auch mit staunendem Blick (weil in Europa eher selten in dieser Intensität eines Alltäglichseins anzutreffen) präsentiert wird, auf heimische Verhältnisse anwenden lässt? Auf der oberen Ebene ganz sicher: Architektur muss mehr sein als ein funktionierender, sich selbst erhaltender Baukörper; Architektur muss das Städtische möglich machen und es beflügeln. Das alles finden wir hier in Heterotopia São Paulo. Das andere, was nicht gezeigt, aber mitgedacht wird – Armut, Gewalt, Hoffnungslosigkeit -, das auch. Be. K.