„Wenn Kleider Leute machen, dann machen Materialien
Architektur“
Lea Luckenbach zum Thema „Materialien“

Materialien gehören zum Handwerkszeug des Architekten. Sie bestimmen die Atmosphäre
eines Raumes. In diesem Sinne zählt Licht also auch zu den Materialien. Lea Luckenbach gab in ihrer Diplomarbeit dem Ledermuseum in Offenbach eine neue Frische und schuf durch gezielt eingesetztes Licht und minimal eingesetzte Materialien Räume, die den Exponaten gerecht werden.

Beschreiben Sie uns doch bitte kurz die Intention Ihres Entwurfs.

Offenbach war einst die Stadt für Leder, Handwerk und deren Industrie. Davon ist heute nichts mehr spürbar. Die Bewohner können sich nicht mit ihrer Stadtgeschichte identifizieren, da sie den Meisten

unbekannt bleibt. Das in dieser Form weltweit einzige Ledermuseum schafft es nicht, an das anzuknüpfen, was Offenbach sowohl als hand­werklicher, aber auch als kultureller Standort einst zu bieten hatte. Das bestehende Museum wirkt dunkel und verbaut; die einladende Geste der Nordfassade zur prominentesten Straße der Stadt kommt im Innenraum nicht mehr an. Mein Ziel war also: zu prägen, zu binden, zu strukturieren. Vom Großen ins Kleine. Offenbach soll durch das Museum geprägt werden, das Museum durch die Menschen. Ich will die Perspektiven des Museums und der Bewohner zu einem neuen, gemeinsamen, Blickwinkel fügen. Das Museum soll fortan nicht mehr als für sich stehendes Objekt betrachtet werden, sondern vielmehr als etwas, das auf seine Umgebung ausstrahlt und sie färbt.


Wie haben Sie dieses Ziel architektonisch erreicht?

Der Gebäudekomplex selbst weist eine Ordnung auf und die Zahl drei ist dabei überall vorherrschend. Ich habe diese Zahl aufgegriffen und das Museum in drei Bereiche gegliedert: das Öffentliche, das Private und das Exponieren. Die privaten Bereiche rücken in den Hintergrund. Der öffentliche, also für alle Passanten zugängliche Bereich wird im vorderen Gebäudeteil angeordnet. Der entscheidende Bereich, das Exponieren an sich, ist das Museum, das alle anderen umschließt. Das Erdgeschoss wird in seinen verspringenden Bodenhöhen ausnivelliert und dem Außenraum angepasst. Das so entstehende großzügige Pla­teau verstärkt die repräsentative Geste der Nordfassade, und der Eingangsbereich wird Filterzone zwischen Stadt und Museum. Der öffent­liche Strom der Stadt, geleitet durch erste räumliche Maßnahmen, führt schließlich in das Herzstück des Museums – den Lichthof. Jede Achse des Gebäudes kreuzt sich in diesem Punkt. Die Struktur wird spürbar. Dieser einzige größere bauliche Eingriff ist zugleich Verteiler als auch immer wiederkehrender Mittelpunkt des Gebäudes. Der Innenhof ist die Öffnung zum Licht über alle Geschosse.


Was bedeutet Licht für den Raum?

Leben. Oder vielleicht mehr: Lebendigkeit. Raum wird erst durch Licht erfahrbar. Im Fall des Ledermuseums umkreist mein Entwurf primär einen Raum im gesamten Gebäudekomplex, der das Herzstück der Architektur bildet. Dieser Raum kommt ohne aufwendige Boden- oder Wandgestaltung aus, vielmehr erschafft sich dieser Raum seine Präsenz mit nur einer Farbe: dem Licht. Schatten und Licht erzeugen raumspezi­fische Atmosphären und wecken Emotionen. Ich denke, ein Wohl- oder Unwohlsein im Raum hängt sehr stark von dessen Lichtgestaltung ab.


Welche Bedeutung haben die Materialien in der Architektur?

Wenn Kleider Leute machen, dann machen Materialien Architektur. Materialen bringen Farbe und Haptik, Wärme oder Kälte. Ein „nackter“ Raum – jeder kennt das vom Rohbau – ist noch nicht das, was er mit seiner „Kleidung“ sein kann. Ich denke also, dass es ohne Material keine atmosphärische Architektur geben kann. Das heißt jedoch nicht, dass die Materialität allgegenwärtig sein muss. Im Entwurf für das Ledermuseum nehmen sich die Materialien zurück. Ich habe ruhige Töne in Beton und Holz gewählt – das Exponat soll zur Geltung kommen. Denn manchmal muss ein Entwurf sich in seiner Materialität auch zurücknehmen können, um dem Eigentlichen seinen Raum zu lassen.

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