„Die Sinuskurve von Architektur und Design“
Ralph Wiegmann

iF Geschäftsführer, zum Thema „Architektur und Design“

Erinnern wir uns heute an Architekten wie Le Corbusier, Anna Castelli Ferrieri oder Charles und Ray Eames, rekonstruieren wir Bilder vor unserem inneren Auge, die für ein perfektes Zusammenspiel von Architektur und Design stehen, die weder Anteile der einen noch der anderen Disziplin vermissen lassen, sondern durch ihr harmonisches Ineinanderwirken einen intensiven Eindruck vermitteln. Öffentlicher Raum, Außenraum, Innenraum, Ästhetik und Funktionalität wurden über lange Zeit nicht als Einzelaspekte verstanden. Sie trugen als wichtige Teilaspekte zur Gesamtkonzeption architektonischer Räume bei. Denken wir beispielsweise an die Anfänge des Bauhauses zurück, können wir keineswegs von einer klaren Trennung zwischen
Architektur und Design sprechen. Architekten waren Designer – und vor allem das italienische Design lebt noch heute von den Heroen der Architektur, die zugleich eine ganze Design-Generation geprägt haben, wie beispielsweise der große Achille Castiglioni.

Erst mit zunehmender Entwicklung in diesen Bereichen über die Jahrzehnte hinweg wuchsen jene Teilaspekte zu Einzeldisziplinen
heran. Mittlerweile unterscheiden wir längst nicht mehr nur in Architekten und Designer. Wir wenden uns an Produkt-, Kommunikations- und Service-Designer, an Innenarchitekten, Corporate Architekten oder Gestalter des öffentlichen Raumes, die Public Designer – schlicht an Profis unterschiedlicher, aber ineinandergreifender
Disziplinen.

Im Rahmen dieser Entwicklung darf jedoch eines nicht aus den Augen verloren werden: der Dialog der Experten miteinander. Welche Funktion kann ein herausragender Bau in völlig unpassender Umgebung, außergewöhnliches Interior in charakterlosen, nicht durchdachten Räumen oder faszinierende Architektur ohne ein angemessenes Innenleben erfüllen? Die Tatsache, dass so manches öffentliche Gebäude durch sein beeindruckendes Äußeres, den namhaften Architekten und die auffällige Fassade einen Eindruck von Fortschrittlichkeit und Designbewusstsein vermitteln soll, beim Betreten des Gebäudes jedoch stilloses Mobiliar, räumliche Fehlplanung und fehlende Lichtgestaltung auffallen, ist keineswegs zufriedenstellend.
Um ästhetische und zugleich nutzbare Räume zu schaffen, müssen alle Beteiligten in einen Dialog treten, sollten von Beginn der Konzeption an alle Experten zusammenarbeiten.

Ein nennenswertes Beispiel hierfür stellt nach wie vor Frank O. Gehrys Guggenheim-Bau in Bilbao dar. Zusammen mit Städteplanern, Lichtgestaltern, Interior-Designern, Kunst- und Marketingspezialisten entstand der imposante Bau, der neben rein ästhetischen Ansprüchen sowohl seine Umgebung, als auch die Bedürfnisse seiner Besucher und Mitarbeiter respektiert. Wie wichtig sogar die Gestaltung und Konzeption des umgebenden öffentlichen Raumes sein kann, zeigt die Diskussion um die im Mai 2007 geweihte Bruder-Klaus-
Kapelle von Peter Zumthor. Der große Besucherandrang zu der kleinen Kapelle in der Eifel machte auf die fehlende Infrastruktur des umgebenden Territoriums aufmerksam. Es entfachte eine lautstarke Diskussion über das Bedürfnis nach Toilettenanlagen, Wegeführung und gastronomischer Versorgung, folglich der Gestaltung des öffentlichen Raumes vor Ort.

Solche Beispiele machen deutlich, wie sehr auf das Sinuskurvenspiel von Architektur und Design geachtet werden muss. Nachdem sich also in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Einzeldisziplinen herausgebildet haben, ist nun ein erneutes Zusammen-
wachsen gefragt. Es muss nicht zwingend in der Ausbildung und
somit im personellen Sinne verstanden, sondern in Bezug auf Ideen und Konzepte gesehen werden. Manches Mal sogar im Hinblick auf das übergroße Ego eines Architekten oder Designers, den die kon­struktive Kritik eines Kollegen auf den Boden der Tatsachen zurückbringen kann.

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