Wohnen in Berlin-Mitte
Urbanität aus Pragmatismus mit einem Mehrwert für die Stadt
Townhouses und Baugruppen-Häuser sind derzeit Berlins einzige florierende Bereiche des Bauens. Nur wenige dieser Projekte verbessern aber wirklich ihr Umfeld so nachhaltig wie die drei neuen Häuser von „zanderroth architekten“ im Prenzlauer Berg.
Oft wird in Berlin von einer Renaissance der Innenstadt gesprochen. Tatsächlich haben sich manche Stadtquartiere wieder mit einer jungen, wirtschaftlich aktiven Bevölkerung gefüllt, die urbane Dichte dem Traum von eigenem Grün vorzieht. Große Bereiche von Mitte und Prenzlauer Berg haben sich so in den letzten Jahren stark gewandelt und sind zu Wunschorten einer neuen, dynamischen Mittelschicht geworden, die die Stadt mit ihren Freizeit- und Konsumeinrichtungen bereichert. So erfreulich dies ist, so darf es aber nicht den Blick verstellen, dass allein private Eigentumsbildung die Grundlage des Prozesses war, dass fast alle weniger nachgefragten Stadtteile eher eine entgegengesetzte Entwicklung nahmen. Wer zum Erwerb einer Eigentumswohnung nicht fähig war, wer alt, allein erziehend oder nur mit einem Durchschnittsverdienst ausgestattet war, wurde im gleichen Zeitraum in Quartiere und Peripherien verdrängt, deren soziale und ökonomische Infrastruktur sich sukzessive ausdünnte.
Etwas Skepsis erscheint so angebracht, ob wirklich schon eine Epochenwende zurück zur dichten, sozial und funktional durchmischten Stadt eingeleitet wurde.
Wohneigentumsbildung war auch die Grundlage von drei bemerkenswerten Häusern, die das junge Berliner Architekturbüro Zanderroth am Rande des früheren Mauerstreifens baute. Einmal mehr handelt es sich um das Modell Baugruppe, um eine Initiative von Archi-
tekten, die sich ohne einen Bauträger direkt an Käufer und Selbst-
nutzer wandten. Dafür erwarben Sascha Zander und Christian Roth von drei Grundstückbesitzern – einer Erbengemeinschaft, dem Land Berlin und dem Bund – den Baugrund ihrer Häuser, die nun die Straßenmündung der Ruppiner Straße in die Schönholzer Straße einrahmen. Reurbanisiert wurde ein Nicht-Ort, wo zuvor die Mauer eine breite Schneise der Zerstörung durch die Innenstadt geschlagen hatte. Entlang der Bernauer Straße teilte hier die Mauer zwei Arbeiterstadtteile, deren Entwicklung nach 1945 wie auch nach 1989 ganz unterschiedlich verlief. Graue Brandwände und Blockfragmente prägen zwar heute noch die östliche Grenze des Bezirks Prenzlauer Berg, doch dessen Stillstand ist längst einem kleinen Bauboom gewichen. Im Westen, im Bezirk Wedding, entstanden hingegen in der Nachkriegszeit Sozialsiedlungen, die heute wenig Attraktivität und Leben verströmen. Allein die „Gedenkstätte Berliner Mauer“, die neue Versöhnungskirche und wildes Grün machen die Leere zwischen beiden Stadtteilen erträglicher, wo später einmal der Senat die Gedenkstätte zu einem Grünzug erweitern möchte.
Die Zwillingshäuser
Die kontroverse Ambivalenz des Ortes versuchten Zander und Roth mit unterschiedlichen architektonischen Konzeptionen aufzunehmen und zu versöhnen. Für die erste Baugruppe von 12 Wohnungen an der östlichen Ecke der Straßeneinmündung entwickelten sie so zwei Zwillingshäuser mit sechs oberirdischen Geschossen, die nun direkt an die alte Blockrandbebauung anschließen. Ihre Gestaltung mit graugrünen Putzfassaden und stehenden Fensterformaten schließt ebenfalls bruchlos an den Bestand an. Ihre Eigentumsgrenzen verlaufen aber nicht mehr entlang der früheren Parzellen, sondern ver-
tikal von Geschoss zu Geschoss.
Entgegen aller Erwartungen schlossen jedoch die Architekten die nördliche Blockecke nicht, um dem Blockinneren ganz in Art der Nach-
kriegsarchitektur mehr Licht zukommen zu lassen und zugleich der Straßenecke auch einen überraschenden kleinen Stadtplatz abzugewinnen. Eine kleine, grüne Oase mit Bambus und mineralischen Belag schuf dort Herburg Landschaftsarchitekten allein auf Initiative der Architekten. Diagonal eingerahmt von den Zwillingshäusern gewann die Stadt einen öffentlichen Raum hinzu, der nun zudem von den Bewohnern auf eigene Kosten unterhalten wird. Mit Ausnahme jeweils einer Maisonette-Wohnung mit Garten im Erdgeschoss sowie einer kleineren Wohnung im obersten Geschoss, die eine sehr großzügige Terrasse erhielt, sind alle Wohneinheiten 117 m² groß. Frei wählbar aufgeteilt in zwei bis fünf Zimmern entwickeln sich ihre Grundrisse um einen innen liegenden Erschließungskern und Bädern. 19 Erwachsene mit 12 Kindern zogen in die Häuser ein, deren reine Baukosten sich sehr günstig um 1600 €/m² bewegten.
Ein skulpturaler Körper
Auf der anderen Straßenecke folgte nun das dritte Haus mit 11 Wohneinheiten, die eine andere Beziehung zum Stadtraum pflegen. Nahezu geschosshoch verglast sind ihre straßenseitigen Fronten, die von mächtigen mäandrierenden Betonbändern eingefasst werden. Horizontal geschichtet sind hier die Geschosse Teile eines skulpturalen Körpers, der im steten Wechsel vor- und zurückspringt, dessen Etagen einmal Balkone, einmal Loggien besitzen. Hart ist die Materialisierung dieses Hauses, dessen Ortbetonoberflächen mit der Matrize „2/32 Inn“ von Reckli strukturiert wurden. Deren Bambus-Strukturen drehten die Architekten jedoch in die Horizontale, was einen Moment der Verfremdung erzeugt. Nähe und Distanz stellten damit die Architekten zu den nahen Bambusinseln des Stadtplatzes wie auch zu den formverwandten Siedlungsbauten der späten 60er Jahre im Wedding her, deren Brauntöne nun auch in den Fenster wiederkehren. Dem kleinen Stadtplatz schufen Zander und Roth eine mächtige Raumkante und den Wohnungen großzügige Öffnungen zum Stadtraum, die mittels großer Schiebe- oder Faltfenster nahezu bruchlos in den Außenraum ausgreifen können. Licht und weit wirken so ihre Wohnungen mit einer Raumhöhe von drei Metern, die mit Ausnahme einer Maisonette-Wohnung im Erdgeschoss und einem zurückspringenden Penthouse auf dem Dach 90 oder 130 m² besitzen. Als Zweispänner um einen sehr kompakten Erschließungskern in der Gebäude-Innenecke organisiert, haben die Wohnungen einen nahezu quadratischen oder L-förmigen Grundriss – erstere stets mit einem gefangenen Nassbereich.
Vor allem Singles und Dinks aller Altersschichten wie auch ein renommierter Architekturtheoretiker zogen in das Haus ein. Nur gering sind ihre Variationen der Raumteilung trotz vieler nicht tragender Wände in Gipskarton-Ständerbauweise. Offene Wohnküchen wählten alle Bewohner, deren Größe nun allein variiert wie ebenso die Größen und Öffnungen der Nassbereiche. Recht unterschiedlich sind hingegen die Ausstattungen der Wohnungen, deren Fenster u. a. je nach den finanziellen Möglichkeiten ihrer Besitzer Schiebefenster aus Holz oder Schiebe- bzw. Schiebe-Falt-Fenster aus Aluminium erhielten.
Allein die Gestaltung von Erdgeschoss und Penthouse überzeugt nicht. Voll gestopft mit allen Restfunktionen wie der Heizung, Speicherraum und Stapelgarage wurde das Haus, das keinen Keller
besitzt und nun dort wenig urban wirkt. Der zurückgesetzte Flügel-
bau des Penthouses besitzt hingegen mit seinem grau gestrichenen Wärmedämmverbundsystem keinerlei Verbindung zum skulpturalen Hauskörper. Über eine eigene, bereits 2003 gegründete Projektentwicklungsgesellschaft namens „SmartHoming“ gelang den Architekten eine überaus souveräne wie ebenso effiziente Realisierung
der Häuser. Claus Käpplinger, Berlin
Baudaten
Birgit Karkos (Bauleitung)