Wunderbare (Bilder-)Reise
Quirino De Giorgio (1907 – 1997) war ein italienischer Architekt, dessen Werk so ziemlich in Vergessenheit geraten ist; auch in Italien. Der Mann, der neben Wohnhäusern und ganzen Wohnanlagen auch Kinos, Fabriken, Villen und zahlreiche Versammlungs- und Verwaltungsbauten insbesondere für die italienischen Faschisten gebaut hat, hat wohl gerade unter letzterem insofern zu leiden, als diese Bauten aus den 1930er-Jahren wie auch sein sehr offen sympathisierendes Verhältnis zum Duce Mussolini einer weiteren Auseinandersetzung im Weg gestanden haben.
Die Autoren – sämtlich Landsleute De Giorgios – argumentieren allerdings, man dürfe das Werk eines Menschen nicht in seine Einzelteile zerlegen und diese losgelöst vom Ganzen be- oder vielleicht verurteilen. Auch verweisen sie darauf, dass es außer einem größeren Briefkonvolut, einigen historischen Fotografien sowie Zeichnungen und Plänen kaum umfassende Arbeiten zu diesem Architekten gebe. Man stehe also ganz am Anfang.
Was die Arbeit wertvoll macht, die von aktuellen Projektfotos übervoll ist, die lobenswerterweise Lagepläne und Grundrisse zeigt, die den neu gemachten Fotografien teils zeitgenössische gegenüberstellt und den Blick auf die Fotografien des Architekten selbst richtet, ist, dass sie den Betrachter vor das Werk des Architekten stellt, vor Häuser, die heute genau so aussehen (leider kann man meist nicht erkennen, ob sie noch so genutzt werden, wie sie einst gedacht waren). Den Text, der durch diese Bilderflut mäandert, manchmal nur mit wenigen Sätzen auf der Doppelseite und Schriftgröße übergroß, lässt man vielleicht am Anfang zur Seite und schaut erst einmal. Dann steigt man ein, ahnt, worum des dem Autorenkollektiv geht, versteht dieses oder jenes, doch insgesamt versteht man nichts. So beispielsweise die Behauptung, De Giorgio sei höchst innovativ gewesen. Oder die, dass sein Werk die Arbeit anderer Kollegen in Europa beeinflusst habe. Oder, dass es eine Entwicklung gegeben habe, die einer Haltung gefolgt sei, einer ganz eigenen Auffassung vom Bauen.
Nein, der Wert dieser Monografie ist zweierlei: Erstens machen wir mit ihr eine wunderbare (Bilder-)Reise in ein zu Unrecht wenig beachtetes Architekturland, zweitens verstehen wir, dass sich der Faschismus nicht unbedingt eines heroischen, herabsetzenden Stils bedienen muss. Er kann durchaus elegant wie unbeholfen protzig daherkommen und ist immer einer Zeit hinterher, die doch längst unser aller Zeit geworden ist: die der Vielfalt und des ständigen Fragens. Mit Werkverzeichnis. Be. K.