Schimmerndes Betonrelief

Zölly Wohnhochhaus, Zürich/CH

„Durch die konsequente Weiterentwicklung der vorfabrizierten Sandwichbauweise ist ein Wohnhochhaus mit reichhaltiger tektonischer Gliederung und differenzierter Plastizität entstanden, welches zugleich den Bedingungen nach konstruktiver Optimierung und rationellem Bauablauf folgt. Bewusst zusammengefügte Formstücke erzeugen ein variantenreiches Formvokabular mit Fernwirkung.“⇥DBZ Heftpate Andreas Bründler 

Das Gebiet westlich des Aussersihler Viadukts, auf dem man von Deutschland kommend üblicherweise nach Zürich einfährt, ist Teil des Stadtentwicklungsgebiets Zürich-West, jenes Areals, wo sich einst die Werke des Maschinen- und Turbinenbau-Unternehmens Escher Wyss AG befanden. Seit den 1990er-Jahren wandelt sich dieses Areal stetig und erfährt eine gesunde Durchmischung aus Industrie, Wohnen und Kultur. Für ein Teilgebiet direkt an den Bahngleisen, dem Maag-Areal, wo sich bis kurz nach der Jahrtausendwende eine Lager- und Umschlagstation für das Großhandelsunternehmen COOP befand, wurde im Jahr 2003 von der Losinger Marazzi Generalunternehmung eine städtebauliche Projektstudie initiiert. In deren Rahmen erarbeiteten Meili & Peter Architekten zusammen mit Diener & Diener Architekten bis 2009 den Vorschlag einer Bebauung aus drei Riegeln, die durch ihre durchaus ungewöhnlich polygonalen Gebäudekubaturen einen spannenden und lebenswerten Stadtraum erzeugen sollten.

Kontrapunkt mit Betonfassade

Veränderte Vorzeichen wie überdurchschnittliche Baukosten und erhöhte Anforderungen an die Dichte machten jedoch eine Überarbeitung der städtebaulichen Idee notwendig, was von den Architekten durchaus als architektonischer Neustart wahrgenommen wurde. Festgehalten wurde dabei an den gebrochenen Höfen, die den Wohnungen eine leicht diagonale und ausgedrehte Position und Orientierung geben, ebenso an den sieben Geschossen. Neu im Konzept war nun ein knapp 80 m hohes Wohnhochhaus, das „Zölly Wohnhochhaus“, benannt nach einem der wichtigsten Ingenieure der Escher Wyss AG: Heinrich Zoelly. In der Ecke des Areals bildet das Gebäude nun zusammen mit den beiden bestehenden Türmen, Prime Tower und Mobimo Tower, einen dritten Hochpunkt, wodurch eine Art Dreiklang der städtebaulichen Vertikalen aufgespannt wird, der auch aus der Ferne in der Stadtstruktur gut ablesbar ist.

Bei aller Zusammengehörigkeit unterscheiden sich die drei städtebaulichen Vertikalen jedoch deutlich: Der Prime Tower glänzt mit einer markant dunklen Glashaut, der Mobimo Tower ist in Naturstein gefasst. Diesen beiden konträren Bauwerken setzt das Zölly Wohnhochhaus einen Kontrapunkt aus einer reich gegliederten und reliefartigen Fassade aus Sichtbeton entgegen, deren Charme sich vor allem bei längerem Studium erschließt. Auffällig ist zunächst die Fassadengestalt, in der die Regelgeschosse über dem doppelgeschossigen Sockel zunächst weder der Vertikalen noch der Horizontalen den Vorrang geben. Balken und Stützen scheinen eine gleichwertige Stellung einzunehmen, wodurch das Haus einen Netz-Überzug erhält, der dem Auge zunächst keinen Haltepunkt gibt und zudem die Grenze zwischen Skelettstruktur und Lochfassade auszuloten sucht. Marcel Meili und Markus Peter haben ihren Fassadenentwurf vom Grundelement einer L-Form her gedacht, in der jeder Knoten einen Ruhepunkt in der Komposition bildet. Das spiegelt sich auch in der eigentlichen Konstruktion wider, die aus zahlreichen L-förmigen Elementen besteht.

Vielfältiges Gestaltungsmaterial

Einen Schritt näher getreten lassen sich (nun doch!) Abstufungen im Fassadenrelief erkennen: Alle drei Stockwerke wird die Fassade durch Schattenfugen horizontal gegliedert. Dieser Rhythmus entsteht aus der räumlichen Struktur im Inneren mit teilweise 1,5 Geschossen hohen Wohnräumen. Das innere Schnittprinzip aus normal hohen und überhöhten Räumen wiederholt sich alle drei Geschosse und zeichnet sich somit in der Fassade durch Horizontalbänder mit Schattenfuge ab. In diesem Zuge zeigt sich auch, dass die vertikalen Fassaden­elemente je nach Ausrichtung und Form ein vielfältiges Schattenspiel erzeugen. Um das zu erreichen, haben die Architekten zwölf verschiedene Element-Typen entwickelt, die (teilweise gespiegelt) auf der Fassade nach einem System verteilt sind, das sich alle drei Stockwerke ändert. Noch ein wenig näher getreten erkennt man nun die Detaillierung des Fassadenmaterials. Die im Werk vorgefertigten Sandwich-Elemente wurden aus einem durch Eisenoxid etwas abgedunkelten Beton gegossen, der weißen Marmor als Zuschlagsstoff erhalten hat. Dadurch entsteht ein dezentes Schimmern, das der Fassade – auch als passende Antwort auf die Nachbarn mit Glas- und Travertinverkleidung – eine gewisse Nobilität verleiht. Die Schalung zur Herstellung dieser flachreliefartigen Elemente bestand aus glasfaserverstärktem Kunststoff, als Verdichtungstechnologie wurde das Rütteltischverfahren eingesetzt. Die inneren und die äußeren Sandwich-Schalen wurden mit Thermoankern verbunden, dazwischen sorgt Schaumglas für die Dämmung. Bei der komplexen Form der Fassadenelemente sollte es jedoch nicht bleiben: Um ihrer Oberfläche eine gewisse Haptik zu verleihen und auch um die weißen Marmorstücke im Beton wieder sichtbar zu machen, wurden die Oberflächen im letzten Herstellungsschritt durch Sandstrahlung veredelt.

Sichtbares Konstruktionsprinzip

Vor Ort dann haben die Architekten das Prinzip des baulichen Fügens der Fassadenelemente nicht verbergen, sondern im Gegenteil sogar bewusst zeigen wollen. So sind die Abstände zwischen den Bauteilen deutlich als Schattenfuge sichtbar. Selbst das Kompriband ist unsichtbar angeordnet. Die Fuge erhält so eine sichtbare Tiefe. Dieses Detail hat mit der architektonischen Haltung der Architekten zu tun, denn die Materialstärke bleibt somit spürbar und der Betrachter wiederum kann nachvollziehen, dass die Fassade keine dünne und leichte Haut ist, sondern aus massiven Betonteilen besteht. Man kann also getrost von einer Material­ehrlichkeit bis ins kleinste Detail sprechen.

Beton ist bei Meili & Peter Architekten ein beliebtes Material, verrät ein Blick auf andere realisierte Projekte. „Wir finden es spannend, die Vielfältigkeit von Beton auszuloten“, erklärt Patrick Rinderknecht, Teil der Geschäftsleitung von Meili & Peter Architekten, beim Ortstermin. „Für uns ist es sogar fast eine Art Forschungsarbeit. Um dem Beton eine Lebendigkeit zu verleihen, haben wir beim Zölly Wohnhochhaus die Zuschlagstoffe mit einer Sandstrahlung freigelegt. So entsteht durch den Marmor in Kombination mit dem Eisenoxid eine kontrastreiche, zugleich zeitlose Farbe. Verstärkt wird das noch, wenn die Sonne auf die Oberflächen scheint. Dann entstehen vielfältige Schlagschatten im Material durch die feine Riffelung sowie durch die plastische Gestaltung durch die Fassadenelemente. Bei unseren Projekten verwenden wir Beton, weil uns die Möglichkeiten, die dieses Material bietet, neugierig machen. Beton ist aber auch sehr haltbar, was für uns ebenfalls ein wichtiges Argument bei unseren Projekten ist.“

Kluger Einsatz von Beton

Mit ihrem Projekt Zölly-Hochhaus zeigen Meili & Peter Architekten einmal mehr, welche entscheidende Rolle Beton bei Fassaden spielen kann. Je nach Form und Zuschlagstoff lassen sich erstaunlich kluge Gestaltungsvarianten erzeugen und so die Erscheinung eines Gebäudes maßgeblich beeinflussen. Möglich wird dies vor allem durch eine ausgeklügelte Schalungstechnologie und die Vorfertigung der Einzelteile im Werk, wo wesentlich genauer und unter optimalen Bedingungen gefertigt werden kann. Auch der zeitliche Faktor spielt eine große Rolle: Beim Zölly Wohnhochhaus konnten die Elemente ohne Fassadengerüst eingebaut und die Bauzeit merklich reduziert werden. Das freut nicht nur den Architekten, sondern auch den Bauherrn. Thomas Geuder, Stuttgart

Baudaten

Objekt: Zölly Wohnhochhaus

Standort: Turbinenstrasse 60, Zürich/CH

Typologie: Wohnhochhaus

Bauherr / Bauleitung / Totalunternehmung: Losinger Marazzi AG, Zürich/CH, www.losinger-marazzi.ch

Nutzer: Privatwohnungen

Architekt: Meili & Peter Architekten AG, Zürich/CH, www.meilipeter.ch

Mitarbeiter (Team): Marcel Meili, Markus Peter, Nathanaël Chollet, Jürg Spaar, Alex Cazurra, Michael Grunitz, Elitsa Lacaze, John Lemmenmeier, Patrycja Okuljar-Sowa, Christof Weber
Bauzeit: 2011 – 2014

Fachplaner

Ingenieure: BG Ingenieure und Berater AG, Baar/CH, www.bg-21.com

Bauphysik: Mühlebach Akustik + Bauphysik, Wiesendangen/CH

Haustechnik: Balzer Ingenieure AG, Winterthur/CH, www.balzer-ingenieure.ch

Elektroplanung: Scherler AG, Zürich/CH, www.scherlerag.ch

Energieberater- und planer: Losinger Marazzi, Zürich/CH

Ausführung in Zusammenarbeit mit: Plan | Werk GmbH, Laufen/CH,

www.plan-werk.ch (seit Februar 2012)

Fassadenentwurf in Zusammenarbeit mit: office haratori, Zürich/CH, www.haratori.ch und office winhov, Amsterdam/NL, www.winhov.nl (September bis Dezember 2011)

Landschaftsarchitektur: Rotzler Krebs Partner Landschaftsarchitekten, Winterthur/CH,

www.rotzler-krebs.ch

Projektdaten

Grundstücke: 6 819 m²

Volumen SIA (ohne Tiefgarage): 77 362 m³

Anrechenbare Geschossfläche: 16 710 m²

Gebäudehöhe: 77 m

Geschosse oberirdisch: 24

Wohnateliers im EG: 6

Gewerbeflächen im EG: 1

Anzahl Wohnungen 3. – 23. OG: 129

Parkplätze Tiefgarage: 102

Energiekonzept

Minergie-ECO, Energie-Contracting mit Elektrizitätswerk der Stadt Zürich, das Areal ist an das städtische Fernwärmenetz angeschlossen, das 70-80% der Heizenergie liefert. Weitere Wärme kommt aus dem Grundwasser, das über einen Wärmetauscher auch als Freecooling genutzt werden kann.

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