Zuhause im Büro
Verwaltungsbau
Speicher 3 in Osnabrück

 

In Osnabrück wurde ein ehemaliges Lagergebäude aus den 1930er Jahren zum Verwaltungssitz des Logistikunternehmens Hellmann umgenutzt. Die Planung des Büros IGK Krabbe und des Innenarchitekten Christian Kolde nutzt die vorhandene Architektur mit ihrer massiven Stahlbetonkonstruktion als Kulisse für ein modernes Bürokonzept mit überraschenden Durchblicken.

Mit weltweit rund 8 500 Mitarbeitern in rund 210 Niederlassungen gehört Hellmann Worldwide Logistics zu den größten privaten Transport- und Logistikunternehmen Europas. Seit den 50er Jahren ist das 1871 gegründete Unternehmen mit seinem Hauptsitz im Osnabrücker Stadthafen ansässig, rund zwei Kilometer nordwestlich vom Zentrum der Stadt. In früheren Jahrzehnten wurden hier große Mengen an Getreide angelandet, heute werden entlang des schmalen Hafenbeckens überwiegend Mineralöl und Stahl umgeschlagen. Bereits Ende der 90er Jahre hatte die Unternehmensführung von Hell­mann entschieden, ein ehemaliges Speichergebäude (1914) zu einem modernen Datenzentrum umzunutzen. In einem weiteren Schritt wurde auch der nebenan gelegene Bau eines lange ungenutzten Getreide­speichers (1934-1937) zum modernen Verwaltungsgebäude für das Unternehmen umgebaut. Der daran angebaute Speicher „Friedensspeicher“ war baulich nicht weiter nutzbar und wurde abgebrochen.


Sanierter Altbau

Beim ersten Hinsehen scheint der „Speicher 3“ eher Neubau denn sanierter Altbau zu sein. Denn für eine ausreichende Wärmedämmung des Gebäudes musste die vorhandene backsteinerne Außenmauer aus den 30er Jahren fassadenübergreifend durch eine neu vorgeblendete Mauerwerksschale ergänzt werden. Alle alten Fenster wurden ausgetauscht, die Brüstungshöhe senkte man von 1,30 m auf 0,90 m. Mit diesem Eingriff konnte der Lichteinfall optimiert werden. Außerdem erhielt das vormals viergeschossige Gebäude ein neues Dachgeschoss „Statik, Betontragwerk und insbesondere die ultramassive Gründung des Gebäudes waren ursprünglich für Silolasten ausgelegt und für eine Büronutzung viel zu hoch bemessen“, so Projektarchitekt Norbert Reisige vom Planungsbüro IGK Krabbe. „Deshalb konnten wir diese Ressource in Form eines fünften Geschosses ausreizen.“ Die Implantierung von drei übereinander gestapelten Hellmanncontainern in die vorhandenen Bausubstanz der Nordfassade sind deutliches CI der Firma und werden gleichzeitig auch als Büroraum genutzt. Geprägt wird die Südfassade durch ein kreisrundes Fenster, welches über drei Geschosse ragt und den Blick auf die dahinterliegende Stahlbetonkonstruktion freigibt. Direkt daneben entstand eine Stahltreppe, die im Notfall als zweiter Fluchtweg dient.

Sichtbar gebliebene Stahlbetonstruktur

Die eigentümliche Kraft des vorhandenen Altbaus wird aufgrund der zahlreichen Eingriffe erst im Innenbereich vollständig sichtbar. Die Erschließung erfolgt über eine neu geschaffene Eingangssituation in Richtung Nordosten, die durch eine vertikale Glasfuge, mehrere Elemente aus Corten-Stahl und Beton sowie durch eine 14 m hohe Stahlbramme markiert wird. Über eine neue Außentreppe und die gläserne Drehtür gelangt man ins Innere. Das, was man nicht erwartet hat, fasziniert zunächst: ein offener Luftraum mit einer beinahe vollständig erhalten gebliebenen Stahlbetonstruktur, die schon im Eingangsbereich die Konstruktion, Geschossaufteilung und Höhe des Gebäudes erfahrbar werden lässt.

Eine neue Stahltreppe erschließt die einzelnen Geschosse, zwei Lifte befördern schnell und bequem in den Empfangsbereich, der im dritten Obergeschoss liegt. Eine Besonderheit ist das im hinteren Teil des Foyers integrierte, als modernes Amphitheater gestaltete Atrium, das für interne Veranstaltungen oder für Konferenzen genutzt wird.

Konzept einer flexiblen Bürowelt

Bei der Umnutzungsplanung des im Achsmaß von 8,50 x 5,40 m errichteten ehemaligen Getreidespeichers verfolgten das Ingenieurbüro IGK Krabbe und das Innenarchitekturbüro Kolde das gemeinsame Konzept einer modernen Bürolandschaft mit hoher Aufenthaltsqualität für 160 Mitarbeiter. „Aufbauend auf unserer vorherigen Planung des 2001 eröffneten Datenzentrums haben wir eine moderne Arbeitswelt realisiert, die sich flexibel den Bedürfnissen der hier tätigen Mitarbeiter anpasst“, so Norbert Reisige.

Zu den bestimmenden Elementen gehören dabei die im gesamten Gebäudes sichtbar gebliebenen Innenmauern aus rotem Backstein sowie die zahlreichen horizontalen und geschossübergreifenden Sicht­bezüge und die Beibehaltung der vorhandenen offenen Lufträume des ehemaligen Getreidelagers. Für zusätzlichen Tageslichteinfall sorgt dabei ein direkt oberhalb des zentralen Luftraumes im Dachgeschoss neu eingefügtes Oberlicht. Ein gelungenes Detail sind dabei die reifengroßen, im Zuge des Umbaus mit Glas eingefassten Durchbrüche der ehemaligen Getreidetrichter, die jetzt vertikale Durchblicke zwischen den Geschossen ermöglichen.

In Richtung Westen wurden als weitere Ergänzungen ein Außenbalkon und eine Dachterrasse neu eingefügt. Im vierten Obergeschoss bietet außerdem der so genannte „Kranstand“ als gläserne, mit Zinkblech verkleidete Auskragung reizvolle Ausblicke auf das angrenzende Hafenbecken.

Effektiv, praktikabel, teamorientiert

Aus dem Anspruch des Bauherrn nach einem offenen und Kommunikation fördernden Bürokonzept mit kurzen Wegen und maximaler Flexibilität ergab sich beinahe zwingend das Großraumbüro als vorherrschende Raumstruktur. „Entscheidend ist jedoch, dass sämtliche Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz durch eine flexible Einwahl ihres Lap­tops je nach Projekt und Teamzusammensetzung täglich neu wählen können und sollen“, erklärt Ralf Ohme, der als Bauherrenvertreter auf Seiten von Hellmann Worldwide Logistics mit dem Umbau betraut war. „Jeder einzelne Mitarbeiter befindet sich so im permanenten Aus­tausch mit seinen Kollegen.“ Um auf der anderen Seite die Nachteile des Großraumbüros im Hinblick auf Lärm, Konzentration und Individuation aufzufangen, entwickelten die Planer in enger Absprache mit dem Bauherrn eine räumlich variable Innenlandschaft, die neben meh­reren Konferenzräumen auch abgetrennte Rückzugsorte und „Denk­zellen“ für konzentriertes Arbeiten zur Verfügung stellt. „Introvertierte Arbeit ist also sehr wohl und gut möglich“, so Norbert Reisige. „Sie ist aber so gestaltet, dass sie nur aktiv und vorübergehend zu wäh­­len ist. Dementsprechend gibt es auch keine Sackgassen in der Binnenwegeführung, sondern es wurden ausschließlich geschlossene Wegezyklen ausgebildet.“ Abgerundet wird das Raumkonzept durch unterschiedlichste Treffpunkte zur informellen Zusammenkunft der Mitarbeiter.

Ein weiterer Vorteil des flexiblen Raumkonzeptes war die Möglichkeit, für die 160 Mitarbeiter lediglich 130 Arbeitsplätze schaffen zu müssen: „Denn durch Urlaub, Krankheit oder Arbeit am heimischen Bildschirm würden zahlreiche Plätze sonst ja unbesetzt bleiben“, so Ralf Ohme. „Bei einem weiteren Personalausbau und einem zusätzlichen Raumbedarf in den nächsten Jahren stünde außerdem das noch nicht ausgebaute erste Obergeschoss als Reservefläche zur Verfügung.“

Das Büro mit wohnlichem Ambiente

Der bereits im Foyer angedeutete Kontrast zwischen der roh belassenen, an zahlreichen Stellen sichtbar ausgebesserten Stahlbeton­struktur und der spielerischen Innenrauminszenierung findet in den übrigen Bereichen des Neubaus seine nahtlose Fortsetzung: Der Empfang im dritten Obergeschoss wurde durch die Innenarchitekten als Bar mit angrenzender Lounge und Leseecke gestaltet, im fünften Obergeschoss findet sich ein gemütliches Kaminzimmer und im Souterrain steht ein hauseigenes kleines Firmenmuseum mit angrenzender Lounge bereit. „Aber auch in den unterschiedlich gestalteten Arbeitsbereichen haben wir ganz bewusst eine Gestaltung mit betont wohnlichem Ambiente und hohem Anspruch an die ergonomische Qualität realisiert, um ein angenehmes und kommunikatives Arbeiten zu fördern“, so Innenarchitekt Christian Kolde. In den Großraumbüros sorgen so große Designerleuchten für eine atmosphärische Beleuchtung, in den Ruhebereichen laden Sitzflächen in rotem Plüsch sowie kreissegmentförmige Raumtrennungen mit Oberflächen in Knitteroptik zum konzentrierten Arbeiten ein. Weitere Blickpunkte schaffen moderne Fadenvorhänge, silbriges Feinsteinzeug mit metallischer Oberfläche oder Sitzflächen aus rotem Kunstleder in Kroko-Optik.Konsequente Nachhaltigkeit

Ein wichtiger Aspekt der Planung war die Integration Energie sparender Gebäudetechnik. Neben der Integration doppelt verglaster Fenster und der Errichtung eines neuen Blendmauerwerks mit innen liegender Dämmung wurden dazu auf der Fläche des nördlich angrenzenden Parkplatzes insgesamt 15 Erdwärmesonden jeweils 104 m tief niedergebracht.

Gemeinsam mit einer 160 kWp-Wärmepumpe und der konsequenten Integration von Kühldecken sowie Fußbodenheizung und -kühlung wird so ein nachhaltiges winterliches Heizen und sommerliches Kühlen des Gebäudes ermöglicht.

Darüber hinaus sorgt ein Gründach für eine zusätzliche Dämmung und Kühlung sowie für ein verbessertes Mikroklima im Gebäude.

In Zukunft soll der Umbau der Kantine im Souterrain des direkt gegenüber gelegenen Umschlagslagers (1960) eine Verbesserung für das Arbeitsklima bieten. Nach den Vorstellungen des Bauherren könnte das alte Lagergebäude durch eine Glasfront geöffnet werden und der Zugang zur Kantine dann über eine Brücke erfolgen. Mit reizvollem Ausblick auf den darunter ablaufenden Warenfluss.

Robert Uhde, Oldenburg

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