Zumthor ganz hoch im Norden
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Die Institution katholische Kirche ist dem Katholiken Peter Zumthor nicht so ganz geheuer. In jedem Fall äußert sich der Architekt immer wieder distanziert zum Global Player in Sachen Religion. Was nicht überrascht, schaut man auf das Werk, das zwar die eine oder andere Kapelle umfasst und mit dem Kolumba-Museum eine besondere Stelle im katholischen Köln besetzt. Doch sind seine Beträume von derart archaischem Gestus, dass sie eher Kultstätten sind, Meditationsorte für ein stilles Gespräch mit Gott oder sich selbst. Oder schlicht Abstand zur Welt bieten für einen Augenblick.
Da passt es nun ganz hervorragend, wenn der Schweizer zusammen mit der mindestens kirchenkritischen und 2010 98-jährig verstorbenen Künstlerin Louise Bourgeois ein Kunst-/Architekturprojekt gemacht hat, dass im Sommer 2011 der Öffentlichkeit übergeben wurde.
Dass wir davon so spät erfahren liegt an der zurückhaltenden, ja medienselektiven Art des Architekten einerseits, andererseits an dem Ort, an welchem Architekt und Bildhauerin das Opus realisierten. Man muss sich hoch in den Norden Europas aufmachen nach Vardøya, einer Stadt und Halbinsel im äußersten Nordosten Norwegens, einem (Schifffahrts)Tor zur Nordostpassage und zur Barentssee und Norwegens einziger Stadt in der arktischen Klimazone; und seine älteste Stadt dazu noch. Hier leben heute 2 100 Menschen vom Fischfang (natürlich) und einem zunehmenden Tourismus (natürlich). Der lebte von der exponierten Lage und der grandiosen Naturlandschaft sowie dem dunklen Kapitel nordnorwegischer Hexenprozesse. Im 17. Jahrhundert verbrannten hier 90 Menschen, weil man sie wegen Zauberei zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt hatte. Im Schatten der heutigen Festungsreste, hart auf der Kante zum Meer brannten die Unglücklichen auf der Landzunge Steilneset, an die jetzt ein Ausstellungsraum mit einer Arbeit von Louise Bourgeois und eine Dokumentationsskulptur erinnert. Während die Bildhauerin mit „The Damned the Possessed and the beloved“ einen brennenden Stuhl in das Innere von sieben ovalen Spiegeln stellte, in welchen man sich selbst brennend sehen kann, sind die Bauten von Zumthor zwiespältiger. Der Kunst gab er eine stahl/gläserne, sehr schlichte Pavillonkiste, die Dokumentation der religiös motivierten Greuel orientiert sich an landschaftstypischer Gebrauchsarchitektur, den im Frühjahr mit Tierleichen voll gehängten Fischgerüsten. 125 m lang ist der Stabholzbau, in dessen Längsachse innen ein aus beschichtetem Sackleinen geformter Raum gezurrt, gespannt ist.
„Zumthor und ich haben Erde, Wasser, Feuer und Licht genutzt, um Ansichten der Stille zu schaffen“, so die Künstlerin zu dem 10 Mio. € teuren Kunst-/Architekturprojekt, das mehr Touristen anziehen wird, als der überwältigende Anblick der Kargheit einer Zivilisation, die vor ein paar Hundert Jahren aus den Gleisen gesprungen war.