Überraschend ergreifend
Ein Gespräch mit Elke Delugan-Meissl
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Am 26.12.2012 wurde das Festspielhaus der Tiroler Festspiele Erl/Tirol eröffnet. Grund, sich mit Elke Delugan-Meissl über das jüngste realisierte Projekt von Delugan Meissl Architekten, Wien, zu unterhalten. Dabei erklärt sie, dass sich das Wiener Büro im Wettbewerb auch wegen seines respektvollen wie bezugsreichen Umganges mit dem Bestand aus den 1950er-Jahren durchsetzen konnte. Und wieso es nicht so wichtig ist, dass man Opernenthusiast sein muss, um ein auch Opernhaus seiendes Festspielhaus planen zu können.

Seid Ihr zufrieden mit allem? Was hätte noch besser laufen können?

Elke Delugan-Meissl: Sehr zufrieden! Wenn man sich die  Wettbewerbspläne und Renderings anschaut, kann man schnell sehen, dass das Projekt eins zu eins umgesetzt wurde. Insofern sind wir nicht bloß ­zufrieden, sondern auch sehr glücklich. Insbesondere auch, weil das Gebäude bei den Nutzern Zustimmung, sogar Begeisterung auslöst.

„Begeisterung auslöst“ … worüber genau?

Es ist der Saal mit seinen räumlichen und akustischen Qualitäten, der äußerst positiv angenommen wird, aber auch die zahlreichen Möglichkeiten zur multifunktionalen Nutzung. Oder aber die Tatsache, dass jeder Platz im Zuschauerraum beste Hör- und Seherlebnisse ­bietet. Bezüglich der Frage, „was besser hätte laufen können“: Anfänglich zweifelte ich, ob der Wettbewerbsentwurf von 2007 tatsächlich umgesetzt würde, zumal anfangs Ungewissheit hinsichtlich der Finanzierung herrschte und der Standort wegen einer ungeklärten Grundstücksfrage noch nicht ganz klar war.

Führte die „unklare Grundstücksfrage“ zu Veränderungen?

Das Festspielhaus wurde etwa um 20 m vom Passionsspielhaus abgerückt. Ursprünglich war der Wettbewerbsvorschlag stärker mit dem Bestand verzahnt und bildete eine unmittelbare Fortsetzung des Baubestandes. Durch das Abrücken des neuen Gebäudes haben wir Nähe gesucht und zugleich respektvollen Abstand bewahrt, um die jeweilige Identität der Gebäude gelten zu lassen. Das Passionsspielhaus wird im Sommer bespielt und steht visuell vor der Naturkulisse, während unser Haus im Winter stärker wahrnehmbar ist. Selbst wenn Schnee auf dem Ensemble liegt bleibt das Festspielhaus immer als eigenständiges Objekt erkennbar.

Nach einer Reihe von großen Ausstellungsbauten in den letzten Jahren ist das Festspielhaus Euer erstes Musikhaus. Was ist der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Bautypen? Oder gibt es, mit Blick auf die große Form, keinen?

Unsere Projekte haben eine deutliche Handschrift, die über die analytische Auseinandersetzung mit den vorhandenen Gegebenheiten und Anforderungen im Entwurf variiert. Hier in Erl wie auch anderswo spielen Grundthemen wie räumliche Erfahrbarkeit, individuelles Erleben eines Raumes eine Schlüsselrolle. In Erl verfügt jeder Bereich über jeweilige akustische Charakteristika, die unterschiedlich wahrnehmbare Welten erzeugen: Im einen Fall ist der Klang Protagonist, im anderen wird er zur Kulisse. Unser Gebäude tritt mit seinem Inhalt – der Musik eben – in Interaktion. Wir haben einen Konzertsaal gebaut, der mit jeder erdenklichen Art der Bespielung optimal harmoniert. Der Raum gleicht einem Resonanzkörper in absoluter Ruhe, in dem man auf einen Impuls wartet, der ihn zum Klingen bringt.

Habt Ihr die akustische Dramaturgie mit einem Fachplaner realisiert?

Was wir in Erl hoffentlich erreicht haben, den Bau einer „weltbesten Konzertbühne“, wie hier im Haus schon mal gesagt wird, kann nicht alleine durch die Architektur erzielt werden. Natürlich haben wir intensiv mit einem Team von Konsulenten zusammengearbeitet, wobei die Beteiligung eines ausgezeichneten Akustikers sehr wichtig war.Auch die Beiträge von Gustav Kuhn [Dirigent, künstlerischer Leiter der Festspiele und ihr Begründer; Be. K.] und Hans Peter Haselsteiner [Präsident der Festspiele und hauptsächlicher Finanzier des Neubaus; Be. K.] waren hilfreich und mit unseren Entwurfsideen gut vereinbar.

Besonderes Augenmerk hat Gustav Kuhn auf die Gestaltung der Übergänge vom Zuschauerraum zum Orchestergraben und weiter zur Bühne gelegt, damit die Akustik durchgängig im Fluss bleibt. Er wollte auch, dass wir die Bühne nicht durch einen klassischen Vorhang abschließen. Damit kamen seine akustischen Vorstellungen ­unserem Raumverständnis in hohem Maße entgegen. Multifunktionalität sollte sein und zugleich Reduktion auf das Wesentliche.

Was war die größte Herausforderung bei diesem Projekt? Die Realisierung einer „weltbesten“ Konzertbühne?

Zwei Faktoren haben den Entwurf maßgeblich beeinflusst: Zunächst die Topografie mit dem starken architektonischen Zeichen von Robert Schuller aus dem Jahr 1957. Die bemerkenswerten Dimensionen des geforderten Raumvolumens in adäquaten Maßstab und Form zum Kontext zu bringen, war ebenfalls eine Herausforderung. Wir wollten, wir mussten mit dem markanten Passionsspielhaus und der prägenden Landschaftskulisse in eine Beziehung treten, die bestehenden Qualitäten des Ortes unterstreichen und stärken. Sehr komplex waren aber auch die funktionellen Anforderungen.

Peter Hasensteiner hat sich übrigens für unseren Entwurf ausgesprochen, weil wir das Haus von Schuller nicht als „Pförtnerhaus“ behandelt haben. Wir sind mit Schuller in einen Dialog getreten und haben daraus dieses Ensemble geschaffen.

Stichwort „Dialog“: Mit Blick auf Schullers Haus erscheint Euer ­Entwurf wie von einem anderen Stern. Was bezweckt diese Arti­kulation, die dialogisch ist, aber Streitgesprächscharakter hat?

Ich glaube nicht, dass hier Welten aufeinander prallen, im Gegenteil, es fügt sich alles sehr harmonisch zusammen. Unserem Entwurfskonzept liegt die Idee der tektonischen Schichtungen zugrunde, die im Gebäudeinneren weitergeführt wird und im metaphorischen Sinne als Felsspalten, als Brüche im Haus wieder erscheint. Unser Bestreben war von der Prämisse geleitet, den Ort und das Vorhandene zu respektieren, ein ausgewogenes Ensemble zwischen natürlicher Landschaft und artifizieller Natur zu schaffen.

Eigentlich möchte man die futuristisch anmutende Architektur als ein Statement für zeitgenössische Musik lesen, hören werden wir aber in der Hauptsache Wagner und Co. ...

Unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild ist das Festspielhaus für jede Art der Musikperformance geeignet. Anstatt Konzepte aus vergangenen Zeiten zu rezitieren besteht unser Zugang darin, Entwurfskonzepte immer neu zu hinterfragen. Im Zentrum steht die räumliche und funktionale Qualität, die einem möglichst breitem musikalischen Spektrum gerecht wird: von Wagner über Arnold Schönberg bis hin zu zeitgenössischer Musik.

Ist das wichtig, dass man selbst leidenschaftlich die Musik hört, für die man ein Haus baut?

Eine gewisse Affinität muss vorhanden sein, denn daraus entwickelt sich die Passion für die Aufgabe. Wir – Roman Delugan und ich – sind zwar keine ausgewiesenen Opernenthusiasten, können uns aber durchaus für unterschiedliche Musikrichtungen begeistern. Obwohl mich auch die Musik von Wagner in gewisser Weise fasziniert.

Gibt es für Dich einen Lieblingsort im Festspielhaus?

Das ist nicht so einfach zu beantworten, denn schließlich ist das Haus nicht in Lieblingsorte fragmentierbar. Doch das Überraschungsmoment beim Betreten des Konzertsaales war für mich etwas Großes und tatsächlich ergreifend. Dieses Raumerlebnis ist von außen nicht vorhersehbar und kommt darum vollkommen unerwartet!

Ich habe irgendwo gelesen, Du hättest zum Passionsspielhaus von Schuller eine besondere Beziehung. Wird diese durch Euren Neubau eine andere werden?

Ich habe ja nie eine Aufführung im Passionsspielhaus besucht, aber während meiner Studienzeit in Innsbruck bin ich hier oft hier vorbei gefahren. Die Architektur von Schuller habe ich immer als ein starkes Zeichen empfunden. Doch viel mehr als zum Gebäude hatte ich eher einen Bezug zur Person Schuller, der ja in den Anfangsjahren meines Studiums eine Assistenz an der technischen Fakultät in Innsbruck innehatte.

Welchen Stellenwert hat ein solches Musikhaus in Eurer gesamten Arbeit?

Das Festspielhaus hat als jüngstes fertiggestelltes Projekt heute sicherlich eine besondere Präsenz. Wir sind sehr stolz auf das Haus, aber jedes Projekt hat einen besonderen Stellenwert. Schließlich versuchen wir, uns kontinuierlich weiterzuentwickeln, und jede Bauaufgabe, allen voran auch unsere Wohnbauten, hatte und hat weiterhin eine große Bedeutung in unserer Arbeit.

Was wünschst Du dem Winterfestspielhaus für die Zukunft?

Ich hoffe, dass unser Bau lange Bestand hat, flexibel nutzbar bleibt und – wie sein betagteres Gegenüber, das Passionsspielhaus – die Zeit überdauert. Das wünsche ich dem Haus!

Das Gespräch führte DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 12. Dezember 2012 mit Elke Delugan-Meissl anlässlich der Preview des Festivalhauses in Erl/Tirol. Ein Projektbericht folgt in der Februar-Ausgabe.

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