Demokratie sucht Architektur
Preußen war mehr als Militarismus, Preußen war mehr als Schinkel, Preußen war mehr als Berlin und Potsdam. Einen umfassenden Überblick über die profane Baukunst in Preußens immerhin 13 Provinzen während der Weimarer Republik gibt der Architekturhistoriker Ingo Sommer mit seinem Buch „Preußische Moderne: Vom Ende der Pracht und einer neuen Baukunst 1918–1933“.
Ingo Sommer zeichnet in den Kapiteln des ersten Teils zeitgemäße Ideen und Architekturlinien von der historistisch-wilhelminischen zur neuen Baukunst und legt dem interessierten Laien dar, dass erstens nicht alles, was der Volksmund „Bauhaus“ nennt, auch Bauhaus war und dass zweitens die Moderne in der Architektur keineswegs plötzlich entstand, sondern sich peu à peu entwickelt hat. Vor allem im zweiten Teil „Neue Baukunst im Freistaat Preußen“ wird es für Nicht-Berliner dank zahlreicher Abbildungen zu beispielgebenden Gebäuden aus den preußischen Provinzen fernab der Großstädte interessant. Ob Herford, Soest oder Hameln – der Freistaat Preußen brachte laut Sommer mehr Neues Bauen hervor als die übrigen Länder und Kleinstaaten der Weimarer Republik zusammengenommen, wenn man den Sonderfall Hamburg mit seinem Backstein-Expressionismus ausklammert.
Der Autor endet mit einer wohltuenden Kommentierung zu „geschmacksverworrenen Vorstadtwohngebieten“ heutzutage. Bei dem „Anything goes“ heutiger Neubaugebiete sehne er sich nach der ästhetischen Einheitlichkeit, gestalterischen Zurückhaltung, bescheidenen Schnörkellosigkeit oder auch der luftigen Eleganz der 1920er-Jahre-Architektur. Man möchte es ihm nachtun.
Einzig ein besseres Korrektorat und eine Layout-Kontrolle durch den Verlag wäre wünschenswert gewesen. HT
Ingo Sommer, Preußische Moderne: Vom Ende der Pracht und einer neuen Baukunst 1918-1933
(= 59. Bd. d. Reihe
„Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte“). Duncker & Humblot, Berlin 2024, 520 S., 78 Farb- u. 124 sw-Abb.
49,90 €,
ISBN 978-3-428-19157-4