Der Verbraucher schlägt (mal wieder) zurück
OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.05.2023 - 4 U 336/21; BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - VII ZR 100/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend. Dabei kommt es maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an. Dient das abgeschlossene Rechtsgeschäft der Verwaltung eigenen Vermögens, wozu auch der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie gehört, ist es regelmäßig dem privaten Bereich zuzuordnen. Ausschlaggebend für die Abgrenzung der privaten von einer berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung ist der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation, so liegt eine gewerbliche Betätigung vor.
Der Sachverhalt:
Nach einem gemeinsamen Ortstermin beauftragen die Bauherren den Architekten mit dem Neubau von zwei Häusern, die insgesamt sieben Wohnungen umfassen. Eine Wohnung sollte selbst genutzt, die übrigen sechs vermietet werden. Nachdem der Architekt umfassende Planungsleistungen erbracht hatte, erkannten die Bauherren, dass sie die benötigten finanziellen Mittel nicht aufbringen konnten, und widerriefen den Vertrag. Daraufhin forderte der Architekt sein Honorar in Höhe von 195.000 Euro gerichtlich ein. Das Landgericht erkannte den Widerruf als rechtmäßig an und wies die Klage ab. In seiner Berufung argumentiert der Architekt insbesondere, dass die Bauherren nicht als Verbraucher aufgetreten seien, weshalb ihnen kein Widerrufsrecht zugestanden habe.
Die Entscheidung:
Ohne Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger habe gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 195.000 Euro. Zwischen dem Kläger und den Beklagten sei im Dezember 2019 bei einem gemeinsamen Ortstermin ein wirksamer Architektenvertrag zustande gekommen. Die Beklagten hätten jedoch ihre auf den Abschluss des Architektenvertrags gerichteten Willenserklärungen durch ein Schreiben ihres damaligen Bevollmächtigten wirksam widerrufen. Sie seien auch zum Widerruf berechtigt gewesen, da dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zustehe, wenn der Vertrag an einem Ort bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers geschlossen werde, der nicht der Geschäftsraum des Unternehmers sei. Diese Voraussetzungen lägen hier vor.
Nach § 13 BGB sei ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließe, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden könnten. Demgegenüber sei nach § 14 Absatz 1 BGB ein Unternehmer eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handle. Sowohl die gewerbliche als auch die selbstständige berufliche Tätigkeit setzten zumindest ein selbstständiges und planmäßiges Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus, wobei eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich sei. Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln sei die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts maßgeblich, wobei insbesondere die Umstände des Einzelfalls und das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss von Bedeutung seien.
Diene das Rechtsgeschäft der bloßen Vermögensverwaltung, sei es in der Regel dem privaten Bereich zuzuordnen, da die Verwaltung eigenen Vermögens nach ständiger Rechtsprechung keine gewerbliche Tätigkeit darstelle. Auch der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie gehöre zur privaten Vermögensverwaltung. Weder die Höhe des verwalteten Vermögens noch der Umfang der Fremdfinanzierung seien entscheidend, da die Aufnahme von Fremdmitteln beim Immobilienerwerb zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören könne. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen privater und gewerblicher Vermögensverwaltung sei vielmehr der Umfang der damit verbundenen Geschäfte. Wenn diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation, erforderten, liege eine gewerbliche Tätigkeit vor. Ob der mit der Vermögensverwaltung verbundene Aufwand das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs vermittle, sei eine Frage des Einzelfalls.
Bei der Vermietung oder Verpachtung von Immobilien sei nicht deren Größe oder Wert entscheidend, sondern der Umfang, die Komplexität und die Anzahl der damit verbundenen Vorgänge. Die Vermietung eines großen oder wertvollen Objekts an wenige Personen bleibe grundsätzlich im Bereich der privaten Vermögensverwaltung. Ausgehend von diesen Grundsätzen hätten die Beklagten als Verbraucher gehandelt. Das Bauvorhaben sei daher nicht als Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, sondern als private Vermögensverwaltung zu werten.
Der Widerruf sei, entgegen der Auffassung des Klägers, auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben stelle eine allgemeine Inhaltsbegrenzung aller Rechte dar. Eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts liege im Streitfall nicht vor. Vielmehr rechtfertigten die Umstände den Schutz der Beklagten als Verbraucher, da sie sich unüberlegt und ohne die gesetzlich vorgesehene Belehrung frühzeitig vertraglich gebunden hätten. Eine besondere Geschäftserfahrung der Beklagten sei nicht dargetan, da beide in einem Angestelltenverhältnis stünden. Anhaltspunkte für einen Eingehungsbetrug lägen ebenfalls nicht vor. Der Kläger habe auch nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagten bei Vertragsschluss bewusst in Kauf genommen hätten, die späteren Zahlungsforderungen nicht erfüllen zu können.
Mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung hätten die Beklagten den Widerruf noch bis zu 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss erklären können. Durch den wirksamen Widerruf sei die Zahlungspflicht der Beklagten für das Architektenhonorar ersatzlos entfallen. Dem Kläger stünden somit keine Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis zu.
Praxishinweis:
Die Verwaltung von eigenem Vermögen - unabhängig von dessen Höhe - gilt in der Regel nicht als gewerbliche Tätigkeit. Unternehmerisches Handeln wird erst dann relevant, wenn eine bestimmte Schwelle überschritten wird. Bei der Vermietung oder Verpachtung von Immobilien sind nicht deren Größe oder Wert ausschlaggebend, sondern der Umfang, die Komplexität und die Anzahl der damit verbundenen Vorgänge. Eine individuelle Einzelfallprüfung ist dabei stets erforderlich. Die Gerichte legen hierbei tendenziell restriktive Maßstäbe zugunsten des Verbraucherschutzes an. Der zeitliche und organisatorische Aufwand, der mit dem Verkauf und der Vermietung von maximal sieben Wohnungen in einem aus zwei Häusern bestehenden Gebäudekomplex verbunden ist, ist nicht so groß, dass dieser nur durch Unterhaltung eines Büros oder einer geschäftsmäßigen Organisation bewerkstelligt werden könnte.
Derjenige, der sich auf die Verbrauchereigenschaft beruft, muss darlegen und beweisen, dass er mit dem Geschäft tatsächlich objektiv einen privaten Zweck verfolgt hat. Steht fest, dass objektiv ein Verbrauchergeschäft vorlag, so trifft den Vertragspartner die Beweislast für die Umstände, aus denen er auf ein Unternehmergeschäft schließen durfte. Zweifel gehen insoweit zu Lasten des Vertragspartners, weil bei natürlichen Personen grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen ist. Ob die Entscheidung bei einem Kunden, der beruflich „in Immobilien macht“, ebenso ausfallen würde, könnte demnach bezweifelt werden. Vorsichtshalber sollte der Planer aber selbst in derartigen Fällen eine Widerrufsbelehrung durchführen.