In der Archtekturwelt gibt es Büros mit einer besonderen Affinität zur Farbe. Die zeigt sich nicht nur an der Außenhülle, auch Innen- und Außenräume können durch Farben bestimmt werden. Wir fragten bei dem Landschafts- und Architekturbüro TOPOTEK 1, bei dem Innenarchitekturbüro Raumkontor und dem Designstudio Impepinable Studio nach, wie sie Farbe einsetzen.
Topotek1, Berlin
Martin Rein-Cano studierte Kunstgeschichte an der Universität in Frankfurt und Landschaftsarchitektur an den Technischen Universitäten in Hannover und Karlsruhe. 1996 gegründete er das Büro TOPOTEK 1, das er heute gemeinsam mit seinen Partnern Lorenz Dexler, Dan Budik und Carsten Schmidt führt.
Was ist ihre Lieblingsfarbe und warum?
Meine bevorzugte Farbe ist Rot, denn sie drückt Positives und Negatives zu gleichen Teilen aus. Das menschliche Dasein spiegelt sie in all seinen Facetten wider – Gefahr und Liebe, Leben und Sterben und analoge Gegensätzlichkeiten. Das rote Farbspektrum birgt darüber hinaus die größte Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten. Die Farbtöne an den außenliegenden Rändern der Palette, die sich zu Blau und Gelb hin entwickeln, sind dabei besonders interessant und kraftvoll in ihrer Wirkung. Der starke Kontrast der Farbe Rot in all ihren Schattierungen zum Farbspiel der Natur, das überwiegend von Blautönen des Himmels und den variantenreichen Grüntönen der Vegetation geprägt ist, stärkt die Wahrnehmbarkeit von Objekten im Raum und damit auch die Lesbarkeit konzeptioneller Ideen.
Welche Farben oder Farbkombinationen setzen Sie gerne für ihre Entwürfe ein und warum?
In der Landschaftsarchitektur, deren originäres Anliegen die reale Abbildung und Umsetzung des Bildnerischen war, ist das pittoreske, das malerische Moment historisch von großer Bedeutung. Begründet durch die landschaftsarchitektonischen Wurzeln unseres Büros nimmt der konzeptionelle Einsatz von Farbe im Rahmen unserer Arbeit eine zentrale Rolle ein.
Die Farbe Rot stellt in den Entwürfen von Topotek 1 eine Konstante dar, nicht nur in unseren landschaftsarchitektonischen Projekten, sondern auch in den von unserem Büro geplanten Architekturprojekten. Rot als Farbe des Backsteins verkörpert die originäre Materialität des Bauens und den historisch prägend identitätsstiftenden Charakter öffentlicher Gemeinschaftsbauten, wie in unserem Entwurf für die Moosmatt Schule in Luzern. Auch in unserem Projekt Superkilen in Kopenhagen schaffen die leuchtenden Rottöne eine starke Präsenz des öffentlichen Freiraums in der Stadt und stärken so dessen Attraktivität für die Bewohner:innen des Quartiers und damit soziale Interaktion und das kollektive Gefüge.
Über das rote Farbspektrum hinaus kann zur konzeptionellen Herangehensweise natürlich das gesamte Farbspektrum interessant sein. In unserem Projekt im Hackeschen Quartier in Berlin beispielsweise wird das reduzierte Spiel aus Schwarz und Weiß zur Akzentuierung enger und weiter Räume eingesetzt – mit dunkelgrauen und schwarzen Belägen für die Bereiche des engen Durchgangs und des Innenhofs und weißen Belägen für den sich anschließenden, offenen und weiten Platz. Ein anderes Beispiel ist unser Projekt Bord Gaís in Irland, in dem die Künstlichkeit der poppig-pastellig gestalteten Höfe im Inneren des Gebäudes ein überraschend-expressives Moment im Kontrast zur umgebenden Naturlandschaft erzeugt.
Farbe muss im Rahmen der räumlichen Konzeption eines Projekts stets im Zusammenspiel mit den jeweils vorhandenen gedacht werden. Nur so kann die Farbgebung eines Projekts ein tragendes Element eines gestalterischen Konzepts werden.
Gibt es eine richtige Farbe für den richtigen Ort?
Geprägt von deren jeweiliger Geschichte und Tradition sind identitätsgebende Farbwelten von Orten kulturell kanonisiert. Durch den Einsatz von Farbe im Rahmen eines neuen Projekts können diese Farbwelten entweder fortgesetzt und stärkend weiterentwickelt oder aber konzeptionell gebrochen werden. Die Basis zur Entwicklung eines für ein Projekt passenden Gestaltungsansatzes ist die intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ort, mit seiner Geschichte, seinen Traditionen, seiner Nutzung und eben auch mit seiner charakteristischen Farbidentität – dem vor Ort prägenden Farbspektrum im Hinblick auf die neu- oder weiter zu entwickelnde Konzeption.
Betrifft Farbe nur die Oberfläche?
Konstruktion, Materialität, Farbe und Oberfläche lassen sich originär nur als kohärentes Ganzes verstehen. Jedes Material hat eine eigene, immanente, eine „ehrliche“ Farbe, die an seiner Oberfläche sichtbar ist und sich im Regelfall durch den Alterungsprozess im Laufe der Zeit verändert. Aufgrund der Methoden und Techniken des zeitgemäßen Bauens bildet die Oberfläche eines Gebäudes jedoch nur noch selten das konstruktiv-tragende Material, dessen Oberflächenbeschaffenheit und Farbe ab. Nahezu alle Gebäude sind heute in Layern aufgebaut, über der tragenden Struktur legen sich funktionale Schichten, die sichtbare Fassade zuoberst. Entscheidend für die Erscheinung, die Oberfläche und Farbe eines Gebäudes oder eines Objekts ist deshalb die konzeptionelle Herangehensweise an den Entwurf. Ist es so konstruiert, dass seine Hülle das konstruktive Material mit seiner Farbigkeit ehrlich und kohärent spiegelt oder täuscht die Fassade, die Hülle, eine konstruktive Materialität vor? Oder setzt das Konzept die Farbe ganz bewusst als additive, oberflächlich-dekorative Schicht ein? Egal welcher dieser Ansätze zum Einsatz von Farbe zum Tragen kommt – entscheidend ist, dass er Teil eines übergeordneten Konzepts ist.
Gabriela Barrera studied Architecture in Madrid and Vienna and graduated with honours from ETSA Madrid. Gabriela has been a research fellow at the Tsukamoto Lab in the Tokyo Institute of Technology and an Associate Professor at the TU Berlin. In 2020 she founded Impepinable Studio together with César Plata, where they are exploring new paths to build better buildings, healthier cities and happier lives for people, animals and other living things.
What is your favourite colour and why?
I guess I don‘t have a favorite colour anymore. As a teenager I was in the vermilion red phase. I felt very identified with that colour and used it in all my drawings. I think that now the choice of one colour or another for my day to day, the clothes or objects that surround me, depends more on my mood. Thinking about it this has not changed, since adolescence seems to have a very “vermilion red mood” and in adulthood things are less clear. At least for me. Anyway, I remain faithful to the saturated colours and the good vibes they transmit. I could not live in a house that was not cheerful and bright, it seems to me that colours help create a home and make people feel good. Same with outfits. If I have a bad day, I opt for the full black architect costume, which seems to me to be like wearing a cloak of invisibility not to be bothered. But it is more common for me to wear phosphorite yellow shoes with pink socks.
Which colours or colour combinations do you like to use for your designs and why?
In general, we try to use colors that represent something for the people who are going to live or use the space. Depending on the type of project or client, we can be bold with the use of colour or we need to refrain ourselves. For example, if it is an office, it seems easy and logical to combine the colours of the company‘s image to generate spaces with a strong brand identity. If it is a home interior, it is usually more difficult because average people are afraid of colour. I have heard many times that „I love it but I wouldn’t know how to combine the furniture“ or „I am afraid of getting tired if we use colour.“ I find it curious that people think that white, black or grey are not colours. Apparently, those can be used without any „danger“. I would be afraid to fall into that massive boredom of the dominant norm of soulless houses instead. At least in Spain, the use of traditional colour elements, such as ceramics, hydraulic tiles or mosaics, is almost lost. Now the trend is to use neutral colours and materials with a style type „Mediterranean Nordic“, which does not seem bad except when used for absolutely all kind of projects, whether it is a store, a house, an office or a “specialty coffee”.
In our designs, although colour is a fairly dominant element, we do not introduce it as a simple painting on a wall, but we think about materiality as a result of a concept in the early design phase. That is, we think of textures, colours, brightness, reflections or elements that reinforce our initial main idea, which has more to do with order, volumes and uses distribution or spatial hierarchy. In other words, we usually look for finishes that already “belong” to the client in order to reinforce an idea or a project concept, but the finishes themselves are not the project. This is why we do not have combinations of materials or pre-established colours that we seek to apply at all costs.
Is there a right colour for the right place?
I don‘t think so. I believe that a space should not be determined by a colour and vice versa. I believe that a project or a space should work regardless of the colour or the cladding material, allowing it to be modified at will over time. It is clear that there is always a choice of materiality more successful than other, but here comes the subjectivity of each and other factors such as maintenance, sustainability, economy etc. What if we painted Barragan´s iconic pink wall in white? The architecture would still work, but will be much more boring.
Does colour only affect the surface?
Colour, wherever it is, whether it is on an architectural element, a piece of furniture or a suit, affects the mood of the person or people who perceive it. Colour is a very powerful design tool when used right. I believe, as designers, we should keep exploring it with an open and bold mind, far beyond surfaces.
Raumkontor, Düsseldorf
Prof. Jens Wendland gründete das Büro raumkontor 1993 gemeinsam mit Dipl. Ing. Andrea Weitz. Mit einem Team von Architekt:innen und Innenarchitekt:innen gestaltet raumkontor Büros und Restaurants, Shops, Praxen, Kliniken, Messeauftritte und Interieurs für Häuser und Wohnungen. Im Zusammenwirken von Architektur, Innenarchitektur und Design entstehen ganzheitliche Raumkonzepte, bei denen neben innovativen funktionalen Strukturen die Lust an nachhaltiger Materialität und individuellen, eigenständigen Farbkonzepten ins Auge fällt.
Was ist Ihre Lieblingsfarbe und warum?
Wie soll man in der grenzenlosen Vielfalt der Farben und deren unendlichem Nuancenreichtum eine Lieblingsfarbe haben? Persönlichen Neigungen sind für unsere Arbeit mit Farbe im Raum absolut nachrangig. Farben sind Aktion und Reaktion zugleich. Sie sind Antwort auf eine architektonische Situation und auf die Menschen, die einen Raum nutzen. Sie sind zugleich Impulsgeber, verstärken räumliche Effekte oder beruhigen räumliche Szenen. Und das Spannende dabei: Nie hat eine bestimmte Farbe eine definierte Wirkung, immer ist es der Kontext, aus dem heraus sich die Wirksamkeit einer Farbe entfaltet. Es sind die begleitenden Farben und Materialien, die Oberflächen und Texturen, das Licht und die Form, die einer Farbe Charakter verleihen. Deshalb ist Blau nicht immer kühl, Rot nicht immer dynamisch, Gelb nicht stets heiter und Grün beileibe nicht immer natürlich. Erst das Zusammenspiel unterschiedlicher Effekte erzeugt Affekte; und das am besten, wenn Farben nicht isoliert, sondern in Abstufungen und Schattierungen angewendet werden. Das ist die Herausforderung und macht das Vergnügen im Umgang mit Farbe aus.
Welche Farben oder Farbkombinationen setzen Sie gerne für Ihre Entwürfe ein und warum?
Die Vielfalt der Farben in einem Projekt hat im besten Fall etwas spielerisch Unbekümmertes, aber diese Leichtigkeit der Ausstrahlung entsteht nur durch ein minutiöses Kalkül im Rahmen der Planung. Jede Farbfläche muss präzise definiert und ausgewogen verortet werden. Einzelfarben werden zu Gruppierungen verwoben, in denen sie zwar lesbar bleiben und doch auf einen Gesamtklang ausgerichtet sind. Durch Farbverknüpfungen entstehen, auch über Räume hinweg, Farbklangnetze mit unterschiedlichen Zentren. Um Farbe in dieser Dichte und Durchgängigkeit einzusetzen, bedarf es eines feinen Farbsinns, aber auch eines klar strukturiertes Farbkonzepts. Um differenzierte Farbabstimmungen zu erzeugen, verwenden wir in der Regel keine Primärfarben, sondern nur Tertiärfarben. Einzelne Raumzonen werden in „Farbszenen“ zusammengefasst, in denen jeweils zusammengehörenden Farbfamilien Gegenfarben zugeordnet werden, um Spannung zu erzeugen. Diese werden farblich individuell gestaltet, bilden aber im Ganzen eine aufeinander abgestimmte Komposition. Das bewirkt eine hohe atmosphärische Dichte. Darüber hinaus ermöglicht eine Intensivierung der Farbgebung in vielen Projekten auch eine intuitive und selbstverständliche Orientierung der Besucher:innen im Gebäude.
Gibt es eine ‚richtige‘ Farbe für einen Ort?
Orte lieben Farbe und Menschen brauchen Farbe! Man könnte der Farbe daher viel häufiger Raum geben. Warum das nicht passiert? Manchmal aus Gedankenlosigkeit, oft aus Gewohnheit, häufig aus Unsicherheit, aus Scheu vor diesem für manche Planer:innen unvertrauten Ausdrucksmittel. Dabei kann Farbe so viel: Sie öffnet Räume, sie bringt sie zum Fließen, verstärkt Formen und Strukturen, akzentuiert und kennzeichnet, ist leise Ergänzung genauso wie ein dynamischer Kontrapunkt. Sie weckt die Lebensgeister, zaubert ein Lächeln auf die Gesichter, sie gibt Kraft. Durch sie entstehen, gerade auch im Zusammenspiel mit Licht, immer neue Deutungsoptionen. Farbe spricht unser Inneres an, ist verknüpft mit zurückliegenden Erfahrungen, lässt uns eintauchen in ein assoziatives Archiv.
Die Frage, welche Farbe für welchen Ort richtig ist, ist nicht absolut zu beantworten, sondern nur im Hinblick auf die gestalterischen Intentionen. Farbe ist ein Aspekt einer komplexen Raumdramaturgie. Einen von homogenen Materialien geprägten Raum kann ich durch eine zurückhaltende, sich Ton in Ton verschränkende leise Farbgebung in einen kontemplativen Ruheort verwandeln. Durch starke Kontraste kann er aber auch zu einen dynamischen, quirligen Ort werden. Daher gibt es leider keine immer gültigen Rezepte. Es bleibt für jeden Einzelfall ein sorgsames Austarieren der gestalterischen Mittel.
Betrifft Farbe nur die Oberfläche?
Es gibt, als eine Spielart der Farbe, die homogene Haut, den einfarbigen Überzug. Die damit verbundene Eindeutigkeit hat viele Vorteile. Sie prägt sich ein, ist langfristig erinnerbar, lässt sich in Sprache fassen – alles Aspekte, die beispielsweise im Messebau wichtig sind. Aber selbst hier entstehen, etwa durch unerwartete Brüche, durch Spiegelungen oder Transparenzen, Irritationen und Vielschichtigkeiten, die nicht nur das Sehen ansprechen, sondern auch das Fühlen und Denken. Die Tiefe von Oberflächen ist für uns daher ein dankbares Thema. Die Porigkeit einer Muschelkalkplatte mit ihren Lunkern und Einschlüssen, das Schartige eines gebürsteten Massivholzes, die Transluzenz eines farbigen Glases, die Einschlüsse in einer recycelten Kunststoffplatte, die Wolkigkeit eines Möbels aus den Abfällen der Kaffeeröstung – solche Dinge liegen uns besonders am Herzen. Deshalb sind wir immer auf der Suche nach innovativen Produkten, experimentieren mit neuen Konstellationen und freuen uns über jedes neue Material, das dem Gedanken der Nachhaltigkeit verpflichtet ist und, oft gerade deshalb, einen visuellen und haptischen Reiz hat. Farbe ist also Oberfläche und gleichzeitig viel mehr. Und sie ist wichtig für uns, deshalb lassen wir sie zu. Paul Klee hat das einmal wunderbar formuliert: „Die Farbe hat mich. Sie hat mich für immer“.