Gemeinschaftszentrum Casal Porta, Trinitat Vella/ES
Anstatt auf Sonne und Stadtlärm mit einem Massivbau zu reagieren, gehen HAZ Arquitectura mit dem neuen Gemeinschaftszentrum Casal Trinitat Vella in Barcelona andere Wege: Sie gestalten eine leichte Holzbaukonstruktion, gleichen die fehlende Speichermasse mit einem smarten Belüftungssystem aus und leisten so Pionierarbeit in der spanischen Architekturszene.
Text: Edina Obermoser
Trinitat Vella liegt am nordöstlichen Rand der katalanischen Hauptstadt und gilt – eingefasst von Straßen und Autobahnen – seit jeher als Arbeiter- und Durchgangsviertel auf dem Weg ins Zentrum Barcelonas. Um das Quartier mit seinen 10 000 Einwohner:innen zu beleben und auch für die angrenzenden Barrios Sant Andreu und Nou Barris einen neuen Anlaufpunkt zu schaffen, soll unter dem Titel „Porta Trinitat“ ein multifunktionales Gebäudeensemble entstehen. Das Centre de Vida Comunitària macht den Anfang auf dem Gelände und führt soziale Einrichtungen und Organisationen – z. B. eine Informations- und Beratungsstelle für Frauen – aber auch Freizeitangebote unter einem Dach zusammen. In den nächsten Jahren folgen rund um einen zentralen Platz vor dem Casal ein sozialer Wohnbau sowie ein weiterer Komplex mit Wohnungen für Jugendliche und Senioren:innen.
Im Inneren bleibt die Konstruktion unverkleidet: Die strukturierten Sperrholz-Oberflächen sorgen trotz der städtischen Umgebung dafür, dass sich die Nutzer:innen des Gemeinschaftshauses wie zu Hause fühlen
Foto: José Hevia
Ein Gebäude für das ganze Viertel
Der erste Baustein auf dem Areal stammt von HAZ Arquitectura. Mit einem abstrakten und gleichzeitig schlichten Entwurf schuf das lokale Büro unter der Leitung von Carol Beuter und Manuel Sánchez-Villanueva einen einfachen Baukörper, der später problemlos zu den zwei weiteren Gebäuden passen soll. Sämtliche Funktionen ordnen sich in dem rechteckigen Zentrum auf vier Niveaus rund um zwei überdachte Innenhöfe sowie einen zentralen Erschließungskern an. Auf rund 2 300 m2 ging es laut den Architekt:innen darum, einen Anlaufpunkt für die gesamte Nachbarschaft zu schaffen, in dem neben Beratung auch Sprach-, Tanz- bzw. Musikkurse und diverse Events stattfinden können. Im Erdgeschoss sind dafür eine Kantine sowie ein multifunktionales Foyer und ein flexibel nutzbarer Veranstaltungssaal untergebracht. Die Einrichtungen und Räume der sozialen Dienste befinden sich in der ersten Etage. In den darüberliegenden Stockwerken gibt es Platz für die Büros und Versammlungsbereiche von Nachbarschaftsorganisationen und Vereinen, welche das gemeinschaftlich genutzte Haus komplettieren.
Anstelle von komplizierter Klimatechnik reguliert das Low-Tech-System Temperatur und Luftfeuchtigkeit in den Räumen: Die vortemperierte Luft wird über die beiden internen Höfe im gesamten Gebäude verteilt
Foto: José Hevia
Reduziert zeigt sich neben der Kubatur auch die Materialität: Das Gemeinschaftszentrum ist fast zur Gänze in Holz gefertigt. „Wir wollten ein Statement setzen und einen unverkleideten Holzbau realisieren, dessen einzelne Komponenten als solche ersichtlich sind“, erklärt Manuel Sánchez-Villanueva die Intention des Planerteams. Trotz extremer Witterungseinflüsse wie Sonne und Feuchtigkeit sowie anfänglicher Zweifel des Bauherrn – der Stadt Barcelona – konnte man im Zuge diverser Simulationen und Modelle schließlich alle Beteiligten für das Vorhaben begeistern.
Im 1.Obergeschoss liegen die Räume des sozialen Dienstes, darüber gibt es Büros und Versammlungsbereiche. Holz ist das prägende Material für das gesamte,
gemeinschaftlich genutzte Haus
Foto: José Hevia
Materialgerechte Planung
Das rechteckige Casal Porta Trinitat wurde komplett in Trockenbauweise errichtet. Für die Tragstruktur kombinierte man ein Metallskelett mit Brettsperrholz. Während die Träger und Stützen die Unterkonstruktion bilden, steifen die kreuzweise verleimten Decken und Wandscheiben den Bau aus und sorgen für die nötige Stabilität. Die strukturellen Holzelemente sind aus Pinus radiata gefertigt – einer regionalen Kiefernart aus dem Baskenland, die sich hervorragend für das feuchte, mediterrane Klima eignet. An den Fassaden entschied man sich aufgrund der Materialeigenschaften hingegen für ein anderes Holz. „Lärche hat eine sehr hohe Dichte. Eine Qualität, die sich vor allem im Außenbereich anbietet“, erzählt Manuel Sánchez-Villanueva. Das Holz hält sowohl intensiver UV-Strahlung als auch Feuchtigkeit stand, entpuppte sich in Sachen Brandschutz aber als Challenge. „Aufgrund der komprimierten Struktur funktionierten die konventionellen Autoklav-Systeme zur Imprägnierung nur bedingt. Erst mit einer Kombination aus Druck und Vakuum drangen die Salze tief genug ins Material ein und garantierten die notwendige Feuerfestigkeit“, erläutert der Architekt weiter. Im Inneren verstecken sich Installationen und Anschlüsse hinter Sperrholzverkleidungen aus Melis-Kiefer. Darüber hinaus bleiben die rohen CLT-Oberflächen sichtbar und prägen alle Räume des Centre de Vida Comunitària.
Sämtliche Funktionen ordnen sich auf vier Niveaus rund um zwei überdachte
Innenhöfe sowie einen zentralen
Erschließungskern an
Foto: José Hevia
Passive Systeme als Ausgleich für Speichermasse
Die ressourcenschonende Leichtbaukonstruktion reduziert den Materialverbrauch auf ein Minimum, bedurfte im urbanen Kontext aber zusätzlicher akustischer Maßnahmen. Mit Gipsfaserplatten erzielte man die erforderliche Schallisolierung. „Für uns war das Projekt ein Lernprozess. Neben der Akustik, klimatischen Faktoren und Brandschutzvorgaben, stellte für uns die fehlende thermische Trägheit die größte Herausforderung dar“, erinnert sich Manuel Sánchez-Villanueva außerdem und erklärt weiter: „Während sich das geringe Gewicht des Materials äußerst positiv auf die CO2-Bilanz auswirkt, fehlte uns die Masse als Kälte- bzw. Wärmespeicher. Das beeinflusste auch den Entwurf.“ Um das niedrige Eigengewicht und damit die kurze Reaktionszeit zu kompensieren, machten sich die Architekt:innen den Untergrund zunutze. Sie schlossen die – anfangs offen geplanten – Innenhöfe und funktionierten sie zum Rückgrat des energetischen Konzepts um. Anstatt Licht, zirkuliert nun frische Luft durch die Patios. Diese wird mittels Rohrsystem ins Erdreich geleitet und so das ganze Jahr über konstant auf ca. 18 °C gehalten. Anschließend gelangt die temperierte Zuluft ins Innere und wird dort in sämtliche Bereiche verteilt. Mechanische Unterstützung durch den verbauten Gebläsekonvektor ist lediglich an den heißesten bzw. kühlsten Tagen vonnöten. Photovoltaik-Paneele auf dem Dach komplettieren das effiziente Energiekonzept. Sie haben eine maximale Leistung von 60 000 W und senken den Energiebedarf des Gemeinschaftszentrums damit auf Passivhausstandard.
Die internen Öffnungen und Erschließungswege sind so konzipiert, dass sie die Abluft über Schächte zum Technikraum auf dem Dach leiten. Dank des konstanten Luftstroms werden die
Geräte optimal gekühlt und so deren Energieverbrauch minimiert
Foto: José Hevia
Kreislauffähiger Prototyp à la Ikea
Mit dem Projekt demonstriert das Team von HAZ Arquitectura wie Holzbauten in mediterranem Klima funktionieren können und verfolgt dabei zugleich einen zirkulären Ansatz. Das gesamte Gebäude ist demontierbar und über seinen gesamten Lebenszyklus gedacht: „Dank BIM-Planung wird das Gebäude zur großen Materialdatenbank. Es lässt sich nicht nur komplett in seine einzelnen Bauteile zerlegen, sondern ähnelt einem Ikea-Möbelstück mit entsprechender Montageanleitung“, zeigt sich Manuel Sánchez-Villanueva begeistert. Auch über die Planungs- und Realisierungsphase hinaus birgt der Bau ungeahntes Potenzial: Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit in der spanischen Küstenstadt kondensiert die Zuluft beim Abkühlen in den unterirdischen Rohren. Nun soll geprüft werden, ob sich dieses Wasser speichern und zur Deckung von Toilettenspülung sowie Bewässerung des Gemeinschaftszentrums verwenden, und damit der CO2-Fußabdruck noch weiter optimieren lässt.
Im Inneren verstecken sich Installationen und Anschlüsse hinter Sperrholzverkleidungen aus Melis-Kiefer. Darüber hinaus bleiben die rohen CLT-Oberflächen sichtbar und prägen die Räume
Foto: José Hevia
Für die Tragstruktur kombinierten die Architekt:innen ein Metallskelett mit Brettsperrholz. Kreuzweise verleimte Decken und Wandscheiben steifen den Bau aus und sorgen für die nötige
Stabilität
Foto: José Hevia
HAZ arquitectura, Barcelona/ES
Carol Beuter Sánchez-Villanueva
Manuel Sánchez-Villanueva Beuter
www.hazarquitectura.com
Foto: Haz Arquitectura
Projektdaten
Objekt: Gemeinschaftszentrum Casal Porta
Standort: Trinitat Vella, Barcelona/ES
Typologie: Öffentliche Bauten
Bauherrin: Stadt Barcelona, BIMSA
Architektur: HAZ arquitectura, Barcelona/ES,
www.hazarquitectura.com
Projektleitung: Manuel Sánchez-Villanueva Beuter, Carol Beuter Sánchez-Villanueva
Team: Oriol Muntané, Paula Viciano, Alicia Camino
Bauzeit: 2017-2021
Grundstücksgröße: 2 300 m2
Baukosten: 6,7 Mio. €
Fachplanung
Tragwerksplanung: BAC Engineering, Barcelona/ES, www.bacecg.com
Projektmanagment: Proisotec SLP, Cornella del Terri/ES,
www.proisotec.cat
Herstellerfirmen
Tragwerk: Quintana,
www.quintanatalleres.com,
Egoin Wood Group,
www.egoin.com
Fassade: Egoin Wood Group,
www.egoin.com
Bodenbelag: Tarkett,
www.tarkett-group.com
Fenster/Türen: Madema,
www.madema.es
Dach: Tennisquick,
www.tennisquick.fr
Möbel: Actiu, www.actiu.com