Hotel Intercontinental: Ende einer Ära
Was lange als kaum denkbar erschien, ist nun Gewissheit: das Hotel Intercontinental in Wien ist zum Abriss vorgesehen. Doch wie konnte es so weit überhaupt kommen? Und was sagt eigentlich der Denkmalschutz dazu? Ein Bericht über Wiener Widmungssünden.
Blick vom Eingang des Wiener Stadtparks auf das Hotel Intercontinental im Mai 2024: Das Gebäude verfügt über einzigartige Materialkombinationen und Details, wie etwa Bandfenster mit Kunststeinplatten und Parapetflächen mit Glasmosaiken
Foto: Yoko Rödel
Wegen allerlei Bausünden steht die Stadt Wien das siebte Jahr in Folge auf der roten Liste des Unesco-Welterbezentrums. Jüngster Anlass: das geplante Hochhausprojekt am Heumarkt unweit des Stadtparks, dem das geschichtsträchtige Hotel Intercontinental weichen soll. Solche Beschlüsse sind in der Donaumetropole keine Seltenheit. Und obwohl sich dort die in Zement gegossenen Fehlschläge zunehmend häufen, bleibt der Lerneffekt vonseiten der Stadtregierung bislang aus – dementsprechend wurde auch im Fall des Heumarkt-Projekts vermeintlich hoch hinaus geplant. Der damit einhergehende Abriss des geschichtsträchtigen Hotels wirft dabei gleich mehrere Fragen auf. Schon allein mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit erscheint der Abriss untragbar.
Darüber hinaus handelt es sich bei dem Hotel, das aus der Feder der US-Amerikaner Holabird & Root stammt und seinerzeit als vermeintlich fortschrittliches Wohlstandssymbol vor den Toren der Sowjetunion errichtet worden war, um ein in vielerlei Hinsicht denkwürdiges Bauwerk, das paradoxerweise Assoziationen mit dem sozialistischen Klassizismus weckt. Andererseit bildet das Bauwerk gerade dadurch einen faszinierenden Kontrapunkt zu den sonst so pompösen Fassaden der Wiener Altstadt.
Städtebau aus der Hölle, könnte man sagen. Das Hotel Intercontinental gilt als Schandfleck Wiens; dabei ist es weniger das Gebäude selbst, als vielmehr der misslungene Städtebau des Freiraums, der Fluchtgefühle weckt
Foto: Yoko Rödel
Wer noch genauer hinschaut, dem werden außerdem viele einzigartige Materialkombinationen und Gebäudedetails auffallen: Während die Fassade durch rationale Gestalt besticht, erinnert das Interieur an die opulente Wiener-Werkstätten-Optik aus Kronleuchtern, dunklen Teppichen und schweren Vorhängen. Das ist zwar etwas kitschig, passt dafür umso besser zum Glanz und Gloria Wiens.
Wer das Bauwerk zusätzlich aus der Weitwinkelperspektive betrachtet, wird außerdem feststellen, dass es in Wien – die Stadt hatte den Zweiten Weltkrieg noch vergleichsweise unbeschadet überlebt – keine anderen vergleichbaren amerikanischen Bauwerke gibt. Somit handelt es sich beim Hotel Intercontinental also um die einzige zeitgeschichtliche Referenz eines US-amerikanischen Nachkriegsbaus in Österreich. Argumente, die für einen Erhalt jener Architektur sprechen, gibt es also en masse. Dass sich die Proteste gegen einen Abriss des „Grand Hotels“ weiterhin in Grenzen halten, hat jedoch weniger mit der fragwürdigen Erscheinung des Gebäude selbst, als vielmehr mit der niedrigen Aufenthaltsqualität der Umgebung zu tun. Die Rede ist vom Städtebau rund um den Heumarkt – beziehungsweise vom nicht vorhandenen öffentlichen Raum. Grund dafür: breite Straßen und weitläufige Asphaltflächen. Offensichtlich hatten sich die Verkehrsplaner der Nachkriegsjahre in erster Linie das Ziel gesetzt, eine optimale Durchfahrt und Erreichbarkeit mit dem Auto zu ermöglichen. Und so entsteht rund um das Hotel Intercontinental ein Schnellstraßen-Feeling, das eher nach „schleich di!“, denn nach „bleib do!“ ruft.
Die Fassade des Hotel Intercontinental setzt Kontraste zur Gründerzeitarchitektur der Wiener Innenstadt
Foto: Yoko Rödel
Dass das auch anders geht, zeigt der Blick nach Berlin, wo das Schwesterhaus Hotel Intercontinental am Zoo im neuen Glanz erstrahlt. Dort wurde das in die Jahre gekommene Luxushotel saniert und mit neuem Mobiliar komplettiert. Das Besondere daran: Auch der umgebende Freiraum wurde umfassend revitalisiert. Es geht also doch – und wer weiß, vielleicht überlegt man es sich ja auch in Wien nochmal anders.
Yoko Rödel/DBZ