Interimsbau für Opernsanierung in Nürnberg
Nordwestlicher Innenhof Kongresshalle: Hier etwa soll der Interimsbau Theater/Oper realisiert werden
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Mit Blick auf die baulichen Relikte auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg kam und kommt immer wieder die Frage auf: Was damit machen? Wie mit Architektur und ihrer Geschichte umgehen, einer Geschichte, die alles andere als eine für dieses Land rühmliche war? Im Augenblick gibt es bauliche Notsicherungen, Absperrungen, Hinweisschilder sollen Schäden an Personen vermeiden helfen. Es gab Vorschläge für eine Umnutzung, Teile der gigantisch großen Fläche wurden und werden noch genutzt, so die Sportanlagen bis heute, ebenso die Zeppelintribüne als integraler Teil eines DTM-Rennkurses, die Kongresshalle als Lagerstätte (nicht mehr) für einen Versandhändler und dort, in ihrem nördlichen Kopfbau, das zurzeit sanierte und überarbeitete Dokumentationszentrum (Fritsch Knodt Klug + Partner mbB Architekten, Nürnberg, mit denen wir sprachen in der DBZ 09 | 2022). Hier trieb im Jahr 2000 ein wütender Günther Domenig einen – wie er ihn nannte – Speer in die von ihm so sehr verabscheute Monumentalarchitektur, ein in Teilen offener Steg, der die Architektur seziert und die inszenierten Achsen auslöscht. Im südlichen Kopfbau sind bereits seit 1963 die Nürnberger Symphoniker untergebracht, zuerst mit Probenraum, jetzt mit eigenem Musikraum für etwa 500 Zuhörer:innen.
Die Erschließungsanlage des Bestands wird für die Theaterinfrastruktur in Segmenten „minimalinvasiv“ (gmp) ausgebaut
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Doch während die Tribüne und andere Freianlagen leise zerbröckeln, ist die gigantische, aber unvollendet gebliebene Kongresshalle – mittlerweile auch unter Denkmalschutz – immer wieder Ziel von Planungen für irgendwelche Nutzungen gewesen. Ein Fußballstadion sollte es einmal werden, man hatte sogar an ein Einkaufszentrum gedacht. Das ist Jahrzehnte her, heute schaut man anders auf die Monstrosität, „Erinnerungskultur“ ist ein neuerer Begriff. Und darum soll die bereits vorhandene Kultur (Dokumentationszentrum/Musiksaal) um weitere Elemente kultureller Nutzung ergängt werden. Mit der Planung des Innenausbaus wurden die Architekten von Gerkan, Marg und Partner (gmp) beauftragt.
Der Bestand (Grundriss Kongresshallenfragment) soll der Erschließung der im Hof platzierten Neubauten dienen
Abb.: gmp visual
Foyers, Garderoben und Gastronomie sowie Funktions- und Proberäumen des Staatstheaters Nürnberg werden in die Ringstruktur eingebracht, sie werden für den zukünftig im Innenhof realisierten Theaterbau notwendig werden.
Und weil einfach zu viel Platz ist, kommen noch „Ermöglichungsräume“ mit mehr als 7 000 m² Fläche hinzu, in denen Künstler:innen und Kreative arbeiten können. Insgesamt sind Atelierräume, Werkstätten, ein Tonstudio, Bandproberäume, ein großer Tanzproberaum und zahlreiche Begegnungsflächen geplant. Das alles wird als sichtbares Implantat gestaltet, „minimalinvasive Eingriffe“ (gmp) sollen das Volumen in einfache und flexible Raumstrukturen transformieren, die für zukünftige Nutzungsszenarien offen sind.
Darstellung der neuen Räume (Galerie) im Bestand)
Abb.: gmp visual
Die Planungen muss man auf dem Hintergrund der anstehenden Sanierung und Erweiterung des Nürnberger Opernhauses sehen. Hier rechnet man mit etwa zehn Jahren Schließungsdauer. Für den eigentlichen Theaterneubau auf der Nordwestseite des Innenhofs läuft derzeit die Ausschreibung für ein Totalübernehmerverfahren.
Multifunktionaler Raum im Bestand, Blickrichtung Hof
Abb.: gmp visual
Welche Rolle der Theater-Neubau nach Abschluss der Opernsanierung haben wird? Noch spricht man von einem Interimsbau. In München haben gmp etwas Vergleichbares mit dem „Gasteig HP8“ (s. DBZ 12 | 2021) gemacht, der so gut ankommt, dass sein „Interims“-Status neu überdacht wird. In Nürnberg sollte man die Oper sanieren und nicht erweitern, das spart Geld und Zeit und dient am Ende dem Kulturprogramm einer Stadt, die mit ihrer Geschichte und deren baulichen Resten noch eine Menge zu verarbeiten hat. Be. K.