Lebenslanges Lernen
Angesichts der zunehmenden Flut von Verordnungen und neuen Standards werden Aus- und Fortbildungen immer wichtiger. Der BDB reagiert darauf nun mit einer Ausweitung seines ohnehin schon umfangreichen Angebots. Friederike Proff, Vize im Bundesverband und in NRW, und Martin Wittjen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes, erklären im Interview die Schwerpunkte und Zielsetzungen der neuen Strategie.
Frau Friederike Proff, Herr Martin Wittjen, Aus- und Weiterbildung gehört zu den Gründungsimpulsen des BDB, was war damals der Gedanke?
Friederike Proff, Vizepräsidentin des BDB
Foto: BDB
Friederike Proff (FP): Wir haben die Gründung des BDB ja beide nicht miterlebt, dafür gibt es ihn einfach schon zu lange. Sie geschah in der Weimarer Republik aus den Baumeisterschulen heraus, aus verschiedenen Zentren, die mit der Zeit zusammengewachsen sind. Der Anspruch war damals, eine durchgängig hohe Qualität beim Bauen und Planen zu gewährleisten. Dazu gehörte die Vernetzung untereinander und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ingenieurinnen und Architekten auf der einen Seite und die Gewährleistung einer standardisierten Aus- und Fortbildung auf der anderen. Insofern ist das Begleiten technischer Entwicklungen und deren Vermittlung eines der Kernelemente des BDB.
Martin Wittjen, Hauptgeschäftsführer Bundesverband BDB
Foto: BDB
Martin Wittjen (MW): Genau. Beginnend mit dem Jahr 1925 – im kommenden Jahr feiern wir unser 100-Jähriges – haben sich die Absolventen der Baumeisterschulen im BDB zusammengefunden. Und spätestens mit der Baumeisterverordnung von 1931 entwickelte sich das Berufsbild Baumeister gesellschaftlich zu einer klassischen Aufstiegsausbildung. Deshalb war das Thema Bildung schon immer ein ganz wichtiger Bestandteil des BDB. Die technischen, wirtschaftlichen und unternehmerischen Aspekte des Berufs unter einem Dach zusammenzuführen und interdisziplinär zu denken, diente auch dem Ziel, das, was vorher nur eine Qualitätsbehauptung war, auf ein solides Fundament zu stellen. Es gab noch keine Ingenieur- und Architektenkammer.
FP: Schon die Gründung der Baumeisterschulen diente dem Zweck, ein Qualitätsversprechen zu machen, das mit einer einheitlichen Lehre und Ausbildung unterfüttert ist.
Und wie wird das Thema Aus- und Weiterbildung heute im Verband behandelt?
MW: Aus- und Fortbildung ist und bleibt ein Satzungsziel des BDB. Und was uns von anderen Berufsverbänden unterscheidet: Wir haben Studierende unter unseren Mitgliedern. Deshalb halten wir Kontakt zu den Hochschulen und versuchen auch dort, Einfluss auf eine praxisnahe, fachorientierte Ausbildung zu nehmen – vorzugsweise nach dem Dortmunder Modell, bei dem Ingenieurinnen und Ingenieure gemeinsam mit Architektinnen und Architekten ausgebildet werden. In diesem interdisziplinären Ansatz, den wir von jeher fördern, liegt die Zukunft einer Baukultur, die nachhaltige Ziele mit technischen und wirtschaftlichen Anforderungen in Einklang bringen will.
FP: Aber auch beim Thema Seminare sind wir nach wie vor sehr aktiv. Das Angebot schwankt je nach den Möglichkeiten des jeweiligen Landesverbands, aber aus NRW kann ich berichten, dass wir ein sehr umfangreiches Seminarprogramm anbieten, das auch rege nachgefragt wird. Das ist durch Corona sogar noch einmal mehr geworden, da wir wie alle gezwungen waren, auf digitale Kanäle umzuschwenken.
Wie beeinflusst das digitale Angebot die Aus- und Fortbildung?
FP: Nach ein gewisser Umgewöhnungszeit haben wir festgestellt, dass es uns viele Vorteile bietet. Früher haben wir zum Beispiel Halbjahresprogramme gedruckt, die wir dann nicht mehr an den tatsächlichen Bedarf anpassen konnten. Jetzt können wir relativ kurzfristig reagieren, wenn wir feststellen, dass es zu einem Thema Informationsbedarf gibt. Außerdem ist es für unsere Mitglieder sehr bequem und günstig, wenn sie nicht mehr für ein Tagesseminar anreisen und womöglich noch eine Übernachtung buchen müssen. Wir setzen auch vermehrt auf kurze Formate von eineinhalb Stunden, die sich gut in den Arbeitsalltag integrieren lassen. Es gibt allerdings auch Formate, wie zum Beispiel unser Immobiliensymposium, bei denen der Vernetzungsgedanke im Vordergrund steht – und die wir weiterhin in Präsenz anbieten und weiterentwickeln werden.
MW: Es kommt auf die richtige Mischung an. Bei aktuellen Themen, bei denen man vor allem auf dem Laufenden bleiben möchte, bieten sich digitale Formate an. Bei anderen ist der persönliche Austausch, die persönliche Begegnung wichtig. Darum verfolgen wir beide Strategien und decken so die Wünsche und Bedürfnisse innerhalb unserer Mitgliedschaft sehr gut ab.
FP: Ohnehin sind wir nah dran an unseren Mitgliedern, da wir auch die Referentinnen und Referenten in der Regel aus der Mitgliedschaft gewinnen. Die sind dann häufig auch später noch zu einem Austausch bereit, wenn es bei der Anwendung des Gelernten zu Rück- oder Folgefragen kommt.
Wie sieht das Angebot aus?
FP: Das ist sehr breit gefächert mit klassischen Seminaren zu Themen wie Brandschutz und Bauleitung bis hin zu Fachfragen wie, was gibt es für Neuerungen im Normungswesen und wie sind die anzuwenden, oder zu Detailfragen der TGA. Und dann natürlich die großen Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Das Seminarangebot ist heute nicht nur beim BDB sehr umfangreich. Wie finde ich in der Fülle der Schulungen und Fortbildungen das passende Angebot für mich?
FP: Wenn sich jemand direkt an uns wendet, können wir auch gerne Ratschläge geben. Ansonsten ist es meist so, dass sich die Mitglieder aus unserem umfangreichen Angebot selbst etwas heraussuchen. Die einen sind sehr spezialisiert, zum Beispiel beim Thema Brandschutz. Und die nehmen dann alles mit, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Wer aber vor allem kompetent in Themengebieten mitreden möchte, die sie oder ihn nur am Rande interessieren, für den sind unsere Überblicksseminare sicher die bessere Wahl. Denn, auch wer nur ein kleines Büro hat und in erster Linie im Bestand baut, sollte grundsätzlich informiert bleiben, was sich im Brandschutz, im Baurecht, bei den Fördermöglichkeiten oder der TGA tut – ohne ins Detail zu gehen. Weil dafür habe ich dann ja meine Fachplaner und Fachplanerinnen.
Und diese unterschiedlichen Ebenen bieten Sie auch an?
MW: Ohne hier zu werblich zu klingen und auch die kommerziellen Anbieter haben sicher ihre Berechtigung, aber gerade dem, der das Angebot an Aus- und Fortbildungen unübersichtlich findet, bietet der Verband natürlich Orientierung. Denn dann habe ich eine gute Gewähr, dass sich das Angebot ganz praxisnah an den tatsächlichen Aufgaben und Herausforderungen im Beruf orientiert. Denn es wurde von Praktikerinnen und Praktikern anhand ihrer eigenen Erfahrungen entwickelt.
Welche Qualitätsansprüche stellen Sie an die Seminare des BDB?
FP: Die Praxistauglichkeit ist eines der zentralen Qualitätsmerkmale, was unsere Aus- und Fortbildung anbelangt. Das ist nämlich auch ein Anspruch, dem zum Beispiel Hochschulen nur begrenzt gerecht werden können, und wo die Berufsverbände eine große Expertise und Kompetenz aus dem eigenen Tun entwickelt haben. Darüber hinaus schauen wir aber auch, dass unsere Referentinnen und Referenten nicht nur das Fachwissen haben, sondern es auch lebendig und anschaulich vermitteln können. Zudem schauen wir, dass unsere Angebote immer auch anerkennungsfähig bei den Ingenieur- und Architektenkammern sind und die Teilnehmenden dafür ihre Fortbildungspunkte bekommen. Dafür müssen die Referenten natürlich die entsprechende Expertise und Reputation haben, sonst werden sie nicht anerkannt. Reine Herstellervorträge bieten wir daher auch gar nicht erst an. Unsere Unabhängigkeit ist uns sehr wichtig.
Welche Qualifikationsnachweise hält der BDB für seine Mitglieder bereit?
FP: Vor allem natürlich die Kammerfortbildungspunkte, die Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einer Kammer sind. Darüber hinaus bietet der BDB jetzt aber auch das Siegel „Baumeisterlich 4.0“ an. Das ist ein Gütesiegel, mit dem Kolleginnen und Kollegen nachweisen können, dass ihr Büro nachhaltig, digital und integral plant und entsprechend ausgebildet ist. Dazu müssen sie ihre Berufserfahrung und Fortbildungspunkte vor einer Kommission nachweisen. Diese Auszeichnung haben wir bislang zweimal verliehen, wollen das Programm aber künftig noch weiter ausweiten, die nächsten Auszeichnungen stehen bereits an.
MW: Es ist ja immer die Frage: Wie kann ich meinen Kunden zeigen, dass mein Büro Up-to-date ist, dass ich die Zukunftsthemen, gerade beim Thema Klimaschutz, gut bearbeite. Bislang konnte ich mich zwar fortbilden, hatte aber keinen griffigen Beleg dafür. Das war der Impuls für uns zu sagen: Wir schauen uns diese Kernkompetenzen – nachhaltig, digital, integral – an, mit denen Büros sich gut am Markt positionieren können, und entwickeln dafür ein Label. So sorgen wir als Verband auch für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Mitglieder.
Bislang sind die Landesverbände innerhalb des BDB federführend beim Seminarangebot. Doch das soll sich jetzt ändern. Können Sie uns einen kleinen Einblick in Ihre Pläne geben?
FP: Der Bund möchte künftig da mehr eingreifen und unterstützen, wo Landesverbände aufgrund ihrer Größe nicht so aktiv sein können. Flächenstaaten wie zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern können ihr Seminarangebot nicht immer flächendeckend vor Ort anbieten. Hier kann der Bund aufgrund des digitalen Angebots jetzt viel leichter unterstützen und wird das künftig auch vermehrt tun. Das betrifft in erster Linie die Bundesthemen, zu denen zum Beispiel die Vermittlung der fünf Nachhaltigkeitsbausteine gehört, die der BDB entwickelt hat. Aber auch Landesverbände wie meiner, die ein umfangreiches Seminarangebot haben, sollen dies, wo es Sinn macht, künftig auf digitalem Wege vermehrt auf Bundesebene zur Verfügung stellen. Zu dem bieten einige Architektenkammern jetzt auch Junior-Mitgliedschaften an. Die sind allerdings an eine spezielle Weiterbildungsverpflichtung geknüpft. Hier in NRW sind das 112 Stunden, in anderen Ländern 64 Stunden. Das ist ein intensives, umfangreiches Programm, dass sie absolvieren und nachweisen müssen, bevor sie ein vollwertiges Kammermitglied werden. Bislang mussten sich die Juniorinnen und Junioren das Programm aufwendig zusammenstückeln, hier wollen wir mit einer Bündelung den Weg zur Junior-Mitgliedschaft deutlich erleichtern und einheitlicher gestalten. Unser Programm ermöglicht es ihnen, zu einem festen, ein- bis zweistündigen Termin in der Woche alle geforderten Themen abzuarbeiten und nach zwei Jahren damit durch zu sein.
Warum müssen sich Absolventen überhaupt sofort weiterbilden?
FP: Das ist in erster Linie eine gesetzliche Forderung für die Kammermitgliedschaft, da geht es um Baurecht und Büroorganisation, Rechnungsstellung nach HOAI etc., also Themen, die an der Hochschule nicht vertieft wurden, die aber notwendig sind, um auf Kammerniveau zu arbeiten.
Noch einmal zurück zu den fünf Nachhaltigkeitsbausteinen – was hat es damit auf sich?
MW: Dabei handelt es sich um eine Vortragsreihe, die der Bundesverband gerade gestartet hat. Sie soll einen niederschwelligen Einstieg in Zukunftsthemen bieten. Diese sind deutschlandweit relevant und wirklich jedes Büro wird sich über kurz oder lang damit auseinandersetzen müssen. Das sind die Ökobilanzierung, die Lebenzykluskosten, das Materialkataster, das TGA-Monitoring und der Nachhaltigkeitsbericht (BDB 5 NB). Unser Anspruch ist es, unsere Mitglieder damit fit für die Zukunft zu machen. Denn Büroinhaber sind immer auch Unternehmer und müssen sich immer fragen: Wie stelle ich mich auf? Wie positioniere ich mich als Büro? Wir befinden uns in vielfacher Hinsicht im Umbruch – sei es beim Thema Klima, Digitalisierung oder Fachkräftemangel. Da ist es nach innen und außen wichtig, eine Haltung zu finden und auf dem Laufenden zu bleiben.
FP: Dabei gilt es aber auch, unsere Brot-und-Butter-Themen nicht zu vergessen: Baurecht, Bauordnung, GEG, Abdichtung, Brandschutz – denn die großen Themen schlagen sich ja in den Detailfragen nieder und sorgen auch hier in immer schnelleren Zyklen für Veränderungen, über die ich auf dem Laufenden bleiben muss.
MW: Der Gedanke des lebenslangen Lernens wird zunehmend zum Dreh- und Angelpunkt des persönlichen Erfolgs.
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⇥Interview: Jan Ahrenberg/DBZ