Leerstand als Chance – Modularer Bestandsbau in Darmstadt

Leerstehende Gebäude belasten Städte und den Wohnungsmarkt erheblich, bieten aber mit innovativen Lösungen ein enormes Potenzial. Das international patentierte Modulbausystem von Pacarada Systems zeigt eindrücklich, wie nachhaltige Stadtentwicklung auf ökologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene funktionieren kann.

Das belebte Darmstädter Verlegerviertel hat im Herbst 2017 eine deutliche Abwertung durch eine Bauruine erhalten, die zuvor ein leerstehendes Verwaltungsgebäude gewesen war. Zahlreiche Umbauversuche scheiterten, denn die Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnraum gestaltete sich mit konventionellen Bauweisen schwierig. Übrig blieb ein sechs Stockwerke hoher, entkernter Skelettbau aus Stahlbeton, ohne Perspektive – besonders aus wirtschaftlichem Blickwinkel. Als Retter in der Not erwies sich Pacarada Systems, ein selbst entwickeltes visionäres Modulbaukonzept. Dadurch konnte die ungenutzte und dem Wetter ausgesetzte Ruine in nur 18 Monaten modular saniert, erweitert und aufgestockt werden. Über 200 modulare Wohn-, Bad- und Fassadenelemente wurden in der Fabrik vorgefertigt und vor Ort miteinander verknüpft, ohne dabei die Statik des Bestands­gebäudes zu verändern. Das Ergebnis: Eine moderne Apartmentanlage mit höchsten Standards und 90 % weniger Energiebedarf. Hinzu kommen die Zeit- und Kosteneinsparungen für den Umbau. Ergänzt werden die 197 Apartments von einem Aufzug, mehreren Gemeinschafts- und Schulungsräumen sowie einer Tiefgarage. Zwanzig Apartments sind barrierefrei zugänglich.

Innovatives Modulbaukonzept

„Die Module passen sich an den Plan an und nicht der Plan an die Module“. Dieser Leitsatz über die Modulbauweise von Pacarada Systems spiegelt sich auch im Konstruktionsprozess des Darmstädter Projekts wider, der sich am bereits vorhandenen Bestand in seiner Maßstäblichkeit orien­tiert. Während die tragende Struktur der Außenwände und Decken vollständig erhalten blieb, wurden alle nichttragenden Elemente im Innern des Bestandsgebäudes demontiert und ordnungsgemäß entsorgt. Folgend sah die modulare Sanierung vor, seriell vorgefertigte Badmodule in die vorhandene Gebäudestruktur zu integrieren und die einzelnen Geschosse mit Leichtbauwänden aufzuteilen. Ausgestattet mit vorgefertigten Sanitärwänden und -schächten sind die Module über ein einfaches Plug & Play-System mit der Haus- und Elektrotechnik verbunden.

Für die Aufstockung um eine Etage nutzten die Bauherren die Möglichkeit, die einzelnen Modulbestandteile ein- sowie zweidimensional zur Baustelle zu transportieren und vor Ort zu verknüpfen. Grundlage hierfür bildet das interna­tional patentierte Steck- und Schraubsystem, welches als Verbindungselement der Stahlrahmenkonstruktion fungiert, aber auch mit Stahlbeton- und Holzkonstruktionen kompatibel ist. Nach der Montage wurden die ebenfalls modular gestalteten und vorgefertigten Badezimmer in das Grundgerüst integriert: Die gewünschte variable Größe der Räume wurde durch Einbau von Leichtbauinnenwänden realisiert. Wände und Decken entsprechen dabei den Schall- und Brandschutzanforderungen (F90) sowie bauphysikalischen Vorgaben. Generell ist Feuerwiderstand von F30 bis F120 möglich.

Der modulare Anbau verzahnt sich einseitig mit dem Bestandsgebäude. Hierfür wurden 32 Raummodule standardisiert als dreidimensionale Konstruktionen vorproduziert, anschließend über die Systemverbindungen vertikal und horizontal miteinander verknüpft. Dank der hohen Festigkeit und Tragfähigkeit der Rahmenkonstruktion aus deutschem Qualitätsstahl können die Module über- und nebeneinander angeordnet werden, während die Scheibenwirkung der Wände horizontale Lasten effizient überträgt und dem Anbau höchste Stabilität verleiht. Analog zum Umbau des alten Gebäudebestands erfolgte auch im Anbau der Anschluss der 3D-Konstruktionen an Heizung, Sanitär und Elektrotechnik über einfache Steckverbindungen, was die Installationszeit erheblich verkürzte. Hervorzuheben ist auch die nahtlose Integration des ebenfalls modular gebauten Treppenhauses, welches vom Anbau beidseitig umschlossen wird. Für die Fassade wurden an den vier Eckpunkten der jeweiligen Gebäudeseite Fassadenmodule mit Putzbekleidungen angehängt, zusätzlich versehen mit erforderlichen Dämmstärken der EnEV. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, das Gebäude mit begrünten Fassaden und Dächern auszustatten.

Nachhaltigkeit und Zukunftsperspektiven

Das modulare Konzept von Pacarada Systems überzeugt im Vergleich zu konventionellen Baumethoden und anderen Modulbauweisen durch seine einzigartige Verzahnung von Nachhaltigkeit, Effizienz und Flexibilität.

Bereits in der frühen Planungsphase wurden die Anforderungen für einen CO2-neutralen Bau und Betrieb der Darmstädter Apartmentanlage gelegt, was mit modernster Technik dann auch in die Tat umgesetzt wurde. Dank des Modulbausystems mit seinen standardisierten Bauprozess war es zudem möglich, niedrige „Abfallquoten“ auszuweisen. Der Einsatz von recycelten und hochwertigen Materialien sorgte zusätzlich dafür, dass langfristig höchste Qualitätsstandards eingehalten werden können. Dreifach verglaste Fens­ter, innovative Heiz- und Kühlsysteme sowie eine kontrollierte Raumbe- und entlüftung senken die Energiekosten langfristig und schaffen im Gebäude ein angenehmes Raumklima. Eine nachhaltige Energieversorgung wird durch den Einsatz von Photovoltaikanlagen und Pellet­heizungen gewährleistet.

Die Effizienz der Modulbauweise zeigt sich besonders in den optimierten Arbeitsabläufen. Während die Module in der Fabrik vorgefertigt werden, wird zeitgleich auf der Baustelle der Tiefbau vorbereitet. Mithilfe digitalisierter und industrieller Bauprozesse gehören witterungsbedingte Verzögerungen der Vergangenheit an und Projekte wie in Darmstadt können deutlich schneller, preiswerter und kostentransparenter als bei konventionellen Ansätzen, die in Darmstadt zudem bautechnisch gescheitert waren, fertiggestellt werden. Ein weiterer Vorteil ist die Flexibilität: Modulare Elemente können bei Bedarf problemlos zurückgebaut und für andere Zwecke verwendet werden. Sogar das Recycling der Einzelteile ist größtenteils möglich. Darüber hinaus lassen sich durch die modulare Bauweise auch künftige Komfort- und/oder Designstandards leicht anpassen. Größere Veränderungen an Gebäudestrukturen sind nicht nötig.

Zusammengefasst ist die neue Apartmentanlage in Darmstadts Verlegerviertel dank des besonderen Modulsystems nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch zukunftsfähig. Ihr innovatives Konzept verkörpert eine Bauweise, die Leerstand als Chance sieht, die für alle Nutzungszwecke geeignet ist und einen Mehrwert für nachfolgende Generationen schafft.

Leerstehende Gebäude belasten Städte und den Wohnungsmarkt erheblich, bieten aber mit innovativen Lösungen ein enormes Potenzial. Das international patentierte Modulbausystem von Pacarada Systems zeigt eindrücklich, wie nachhaltige Stadtentwicklung auf ökologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene funktionieren kann.

Projektdaten

Architektur: planquadrat, Darmstadt, www.planquadrat.com

Bauherr: CDP 11 GmbH

Fertigstellung: 2022

Hersteller: Pacarada Systems, Kelkheim (Taunus), www.pacarada.de

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