Liebe Leserinnen und Leser,

Kultur ist das, was wir um uns herum tagtäglich wahrnehmen. Sei es die Musik, die wir auf dem Arbeitsweg hören, die Galerie, an der wir am Wochenende vorbeischlendern oder das Buch, das wir schon seit Monaten auslesen wollen. Kultur lebt aber auch in unseren Sprachen und in der Art und Weise, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Sie kann individuell oder gemeinschaftlich wahrgenommen werden, und sie muss für alle zugänglich sein. Wie kaum etwas anderes kann Kultur manipuliert werden und wie kaum etwas anderes legt sie gleichzeitig die Werkzeuge bereit, um Ungleichheiten und Wahrheiten ans Licht zu bringen. Immer bleibt sie Zeugin unserer gesellschaftlichen Handlungen und spiegelt unsere Geschichte.

Wenn heute von Kulturbauten die Rede ist, wird so manche als erstes die Augen verdrehen – und oft würde sie damit auf Verständnis treffen. Kulturbauten sind bekannt dafür, dass sie viel Geld für ihren Bau verschlingen, lange Zeit bis zur Fertigstellung brauchen und dass sie leider zu selten die Bedürfnisse derer treffen, die sie zu repräsentieren hoffen. Und doch bleibt es wichtig und richtig, dass wir für die Kultur (um)bauen und nicht weniger, sondern mehr Raum für Musik, Kunst, Theater, Kollektivität und Bildung schaffen. Es gibt sicher auch weniger gelungene Kulturbauten, über die (zurecht) viel und ausführlich diskutiert wird. Wir möchten Ihnen in diesem Heft jedoch solche zeigen, die es schaffen, städtebaulich, atmosphärisch oder konstruktiv (manchmal alles drei zugleich) ihren Aufgaben und Ansprüchen gerecht zu werden. In ihrer Maßstäblichkeit und Organisation sind sie für Besucherinnen, Passantinnen und Akteurinnen nicht nur irgendein weiteres Kulturhaus, sondern werten einzelne „Ruinen“, charakteristische Kieze, neue Quartiere oder ganze Ortschaften auf.

Vier solcher Beispiele haben wir gemeinsam mit unserem Heftpartner Staab Architekten mit Sitz in Berlin ausgewählt und besprochen. Unsere Reise führt uns diesmal quer durch Europa. Als erstes geht es ins nahe Kronberg im Taunus, wo wir uns von den harmonischen Klängen des Casals Forum und der Kronberg Academy bezaubern lassen (S. 26ff.). Hier haben Staab Architekten auf einem einst tristen Parkplatz Proberäume und ein akustisch herausragendes Konzerthaus gebaut. Bevor es ganz in den Norden geht, schauen wir uns die gelungene städtebauliche Geste der Spore Initiative und des Publix Gebäudes von AFF Architekten (S. 32ff.) an der Neuköllner Hermannstraße in Berlin an. Auf dem begehrten Grundstück entsteht ein Dialog zwischen zwei Gebäuden mit unterschiedlichen Nutzungen und Anforderungen, aber mit demselben Anspruch, die Öffentlichkeit und den Stadtraum einzubinden. Im norwegischen Kristiansand dann angekommen, führen wir Sie in die spektakulären Räume des dortigen Kunstsilos, von Mestres Wåge, BAX und Mendoza Partida ausgebaut (S. 38ff.). Die ausgeschnittenen Getreidezylinder werden hier zu Ausstellungräumen konfiguriert. Der Blick in die 21  m hohe Halle bietet die einzigartige Erfahrung, die Industriearchitektur ganz von Nahem zu betrachten. Unser letzter Halt führt uns in den Süden, nach Ptuj in Slowenien, wo das junge Büro Elementarna mit viel Liebe zum Detail die heruntergekommene Alte Glaserei zu einem kulturellen Treffpunkt für die Bewohnerinnen umgebaut hat (S. 46ff.). Durch bedachte Eingriffe in die verknüpfte Dorfstruktur gewann das Kulturzentrum eine neue Wegeführung mit ganz alten Referenzen.

Wir hoffen, dass Sie ebenso Spaß auf dieser Reise haben wie wir und dass Sie ein wenig Inspiration mitnehmen. Ebenso hoffen wir, dass auch in Zukunft weiter für die Kultur (um)gebaut wird, doch – wie immer – ist auch hier das „Wie“ entscheidend.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen, schöne winterliche Feiertage mit einem vielfältigem kulturellen Programm!


Ihre

Amina Ghisu

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