Liebe Leserinnen und Leser,

dass der Baustoff Beton in der Kritik steht, ist nichts Neues. Der übermäßige CO2-Ausstoß bei der Produktion und die mitunter überschaubare Lebensdauer sind nur zwei Kritikpunkte, die regelmäßig angebracht werden. Nichtsdestotrotz muss man feststellen, dass Beton in vielen Bereichen nach wie vor nicht wegzudenken ist. Also wird an Alternativen gearbeitet - ­alternativen Herstellungsmethoden, alternativen Materialzusammensetzungen, alternativen Konstruktionsweisen. Denn die nüchterne Erkenntnis lautet, dass Beton konstruktive und gestalterische Eigenschaften bietet, die anderen Materialien (noch) fehlen.

Aller Ernüchterung zum Trotz stellen unsere Heftpartner von GRAFT, Berlin, direkt zu Beginn unseres Gesprächs im Podcast (erscheint am 4.3.2025) frank und frei fest: „Wir lieben Beton!“ und verweisen auf eben jene konstruktiven und gestalterischen Möglichkeiten.

GRAFT selbst machten entsprechend großzügigen Gebrauch von Beton für ihr GRAFTLAB in Berlin, ein Wohn- und Geschäftshaus, das die repräsentative Blockrandbebauung vervollständigt und Beton als robuste Grundstruktur für flexible Funktionsbelegungen nutzt (S. 40 ff.). Ebenfalls unverzagt bei der Materialfrage gehen Nieto Sobejano Architekten beim Archiv der Avantgarden in Dresden ans Werk. Die massive Anmutung des teilweise mit Brettschalung ausgeführten Einbaus ist auch hier der Funktion geschuldet: dem sicheren Archivieren der Museumsbestände (S. 52 ff.). Auch mit Brettschalung, aber kleinmaßstäblicher, geht es in Niederwerrn zur Sache. Die von Schlicht Lamprecht Kern Architekten entworfene neue Ortsmitte besteht aus mehreren Baukörpern und verschiedenen Materialien. Für den hier verbauten Beton wurde das Abbruchmaterial einer nahe gelegenen Brücke als Rohstoffquelle genutzt und die große Frage, die sich die Planer gestellt haben, lautet: Warum baut man in Deutschland, im Gegensatz zur Schweiz, eigentlich nicht auch mit bis zu 100 % recycelten Zuschlägen
(S. 46 ff.)? Ganz ohne neuen Beton ging es bei der Sanierung in der Rue de Mouzaïa in Paris. Das ursprünglich von Claude Parent und Andre Remondet entworfene brutalistische Gebäude aus den 1970er-Jahren bietet heute, nach einer Umplanung von Canal architecture, einer heterogenen Gruppe von Menschen Unterkunft und Freiraum und zeigt die Potenziale auf, die im Beton-Bestand noch schlummern (S. 58 ff.).

Kurzum: Wir haben zusammen mit unseren Heftpartnern eine Projektauswahl getroffen, die das Spektrum der Möglichkeiten abbildet, die Beton im jeweiligen Kontext bietet: als reinen Neubau, als Einbau im Bestand, aber auch als (klein-)städtisches Ensemble und zuletzt als umgenutztes Denkmal.

Auch die anderen Beiträge im Heft beweisen die nach wie vor beachtliche konstruktive und gestalterische Vielfalt des Materials. Trotz aller Vorbehalte hat das heikle Thema „Bau mit Beton“ also doch noch seine Berechtigung. Und sollte die Suche nach Alternativen erfolgreich sein, ist anzunehmen, dass es seine Rolle beim Bauen nicht so schnell einbüßen wird.

Bis dahin wünsche ich Ihnen eine angenehme Lektüre,

Ihr Hartmut Raendchen

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