Lust auf Zukunft bauen

Bruch der Regierungs-Koalition, Neuwahlen, Wetterextreme, Krieg in Europa – wie hängen die Dinge miteinander zusammen? Was bedeuten sie für die Zukunft des Planens und Bauens? Wo sind die Einflussmöglichkeiten für die große, interdisziplinäre Vertretung der Planenden, wie den Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure?

Der Koalitionsvertrag der Ampel enthielt auf 177 Seiten 453 Versprechen. Viele davon betrafen den Bereich des Bauens. Nicht ohne Grund, denn die Wohnungsnot birgt sozialpolitischen Sprengstoff. Und die Klimaziele lassen sich nicht erreichen ohne eine „Bauwende“.

„Der Bruch der Koalition ist Sinnbild der Zerrissenheit der Gesellschaft.“

Auf der einen Seite die, die ihre „Wohlstands-Party“ mit Laissez-Faire weiterfeiern möchten. Auf der anderen Seite die, die sich um die Zukunft sorgen und das Planen und Bauen mittels Ordnungspolitik neu regeln möchten. Dabei schließt das eine das andere gar nicht aus. Es kommt nämlich darauf an, die richtigen Anreize zu setzen. Ein wichtiger Ansatz ist, dem Verbrauch von Ressourcen und der Verschmutzung der Umwelt ein Preisschild umzuhängen, das dem Maß der Umweltzerstörung gerecht wird. Der CO₂-Preis sollte nach Meinung des Umweltbundesamtes bei 250 Euro pro Tonne CO₂ liegen. Dieser Preis würde einen effektiven Anreiz für CO₂-armes Planen und Bauen setzen. Für 2025 liegt der Preis bei ­55 Euro/­t CO₂.

„Der CO₂-Preis ist der Schlüssel für eine systemneutrale Transformation ohne Verbote.“

Klimafreundliches und ressourcenschonendes Bauen muss sich auch für die Architektin und den Bauingenieur lohnen. Dafür braucht es Anreize in der Honorarordnung. Denn gegenüber konventio­neller Planung erfordert beides derzeit noch einen höheren Arbeitsaufwand. Die bis zur Neubildung der Regierung auf Eis gelegte Novellierung der HOAI muss diese Forderung berücksichtigen und den begonnenen Prozess schnellstmöglich wieder aufnehmen und zügig abschließen.

„Gute, zukunftsorientierte Planung muss auch angemessen vergütet werden“

Voraussetzung dafür, die tatsächliche Menge der CO₂-Emissionen beim Bauen und Betreiben zu ermitteln, um sie bepreisen zu können, sind die verpflichtende Lebenszyklusanalyse und das Monitoring im Rahmen eines jeden Bauantrags. Darauf sowie auf die Ermittlung der Lebenszykluskosten, die Aufstellung eines Materialkatasters zur künftigen Wiederverwertung von Baustoffen und die Analyse der Nachhaltigkeit in einem umfassenderen Sinn bereitet für Planerinnen und Planer die Fortbildungsreihe BDB | 5 NB vor. Gemeint sind die fünf Nachhaltigkeitsbausteine der Zukunft. Nicht nur im Gebäudebereich, sondern auch im Ingenieurbau braucht es im ersten Schritt Transparenz und den Ausweis der Umweltauswirkungen.

Nicht nur Bauherren brauchen einen Anreiz. Planungsbüros müssen nicht nur ausreichend für ihre Leistung vergütet werden, ihnen muss auch ein verlässlicher Rahmen für klima- und ressourcenschonendes Planen und Bauen gesetzt werden. Dazu gehören entsprechende Fort- und Weiterbildungsanforderungen, eine verlässliche Förderkulisse und ein Bauplanungsrecht, das flexibler auf neue Anforderungen reagiert.

„Zukunftsorientiertes Bauen braucht eine aktuelle Bauleitplanung“

Es ist deshalb zu hoffen, dass eine neue Bundesregierung auch die Reform des Bauplanungsrechts (BauGB) beschließt, die viele Jahre vorbereitet wurde und um eine Art Verfallsfrist im Sinne einer Überprüfungspflicht von alten und uralten Bebauungsplänen ergänzt werden sollte, damit 2025 nicht auf Basis von Plänen aus den 1960er-Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut werden muss. Denn nicht zuletzt die Wetterextreme verlangen eine mehr auf Resilienz ausgerichtete Stadtentwicklungspolitik, die einen neuen Rahmen braucht. Dringend notwendig sind auch die im Baugesetzbuch geplanten Erleichterungen für den bezahlbaren (sozialen) Wohnungsbau.

Das Bauen muss entbürokratisiert werden, sich von den Fesseln überbordender Regularien befreien und auf das wirklich Notwendige zurückgeführt werden. Einfach bauen ist einfacher gesagt als getan. So richtig die Initiative aus Bayern war, so schlecht und unpraktikabel war die geplante Umsetzung im Rahmen der Änderung des Bauvertragsrechts im Sinne eines „Gebäudetyp-E“ aus dem Bundesjustizministerium. Die Aufgabe der nächsten Bundesregierung ist, über den Weg zur Umsetzung des „einfachen Bauens“, der Raum für Innovationen ermöglicht, neu nachzudenken. Vielleicht lohnt dafür ein Blick nach Hamburg. Ist es eine schlechte Idee, einen konkreten Bau-Standard im Einzelnen zu definieren, den Parteien dann vereinbaren können? Oder ist das der Anfang vom Ende der Kreativität der Planenden?

Entscheidend sind nicht nur die gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen, sondern die Mentalität und der Umsetzungswillen in der Gesellschaft, bei den Bauherren und in den Planungsbüros. Das kommunikative Desaster des sogenannten „Heizungsgesetzes“ darf sich nicht wiederholen. Das Desaster hat viel an gutem Willen zerstört und zu einem Anstieg der Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen geführt. Es muss vielmehr wieder „Lust auf zukunftsfähiges Bauen“ gemacht werden. Dafür braucht es einen Mentalitätswechsel und Verlässlichkeit. Letztlich kommt es bei allen Beteiligten im Bauplanungsprozess auf die Haltung an. Sowohl für das einfache Bauen als auch für das klimafreundliche Bauen braucht es mehr Gemeinsamkeit.

„Mehr Kooperation als Konfrontation ist gefragt. Alle am Bau Beteiligten müssen sich als ein Teil des Ganzen sehen.“

Die 100-jährige, wechselhafte Erfolgsgeschichte des BDB macht deutlich, dass die Voraussetzung für gutes Bauen die Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten ist. Mit zunehmender Komplexität und digitalen Planungsmethoden, bei der sie alle auf einer gemeinsamen Plattform arbeiten, gilt das umso mehr.

Zu einem kooperativen Miteinander gehören auch die Bauausführenden. Allerdings sollte die Verantwortung für die Gestaltung der gebauten Umwelt und der Baukultur ausschließlich qualifizierten Fachkräften vorbehalten sein, die durch ihre Ausbildung in den Bereichen Architektur, Stadtplanung oder Bauingenieurwesen ausreichend Expertise mitbringen. Das ist eine der wichtigen Forderungen der Verbände der planenden Berufe an die Parteien in dem beginnenden Wahlkampf.

Der Krieg in Europa macht die Bedeutung der Fokussierung auf die zu lösenden Probleme deutlich. Dazu gehört die Lösung der Wohnungsbaukrise, die auch eine Frage des demokratischen gesellschaftlichen Zusammenhalts ist und sich durch die Zuwanderung, die Deutschland angesichts des Fachkräftemangels dringend braucht, verschärft. Darüber hinaus erinnert er daran, dass unsere Infrastruktur und unsere Bauwerke nicht nur erhalten und gepflegt, sondern möglicherweise auch resilienter gemacht werden müssen. Eine robuste und funktionierende Infrastruktur ist für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschlands ebenso wichtig wie eine intakte und inno-

vative Bauwirtschaft.

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