Unbequem für uns alle
Wie beginnen? Der Architekt Caspar Schmitz-Morkramer, Eigner eines nicht gerade kleinen und also auch produktiven deutschen Architekturbüros, schreibt nach seinem „retail in transition“ (DBZ 06|2022) wieder eine grundsätzliche Arbeit. Deren Titel irritiert mit seiner Verkürzung des Schlagworts und des längst okkupierten Kampfbegriffs „Nachhaltigkeit“ und öffnet bereits vor dem Aufschlagen des Buchs einen weiteren Horizont: Halt, Kontrolle, Nachwirken … Nachdenken!
Der Architekt schaut auf den Begriff und seine Bedingungen, die ihn prägten, schaut auf das, was wir noch immer nicht verstanden haben. Seite für Seite beschreibt er seinen Weg vom Finden einer Haltung als denkender Mensch und als bauender Architekt.
Am Ende des selten so offen präsentierten Inneren eines Zweiflers kommen noch ein paar Fakten, die angesichts der schreibenden Suche nach einem Standpunkt vor der als eskalierend wahrgenommenen Klimakrise übriggeblieben sind, die das Thema aber anreichern für eine fortgesetzte Schärfung der eigenen Haltung.
Und in dieses sehr mutige, vieles infragestellende Schreiben werden aktuelle Projekte des Büros eingefügt, auf matt glänzendem Papier edel präsentiert. Auch das ist mutig, denn tatsächlich würde man keines dieser Projekte mit dem vorangehenden Nachdenken verbinden können: gut gemachte Architekturen, aber weit davon entfernt, die Zweifel am richtigen Weg für ein zukünftiges Bauen zu nehmen. So wird man diese hybride Arbeit mit größtem Interesse lesen, offenbart sie doch das Widersprüchliche unser aller Haltung dem Grundsätzlichen gegenüber: Verzicht beispielsweise, am Ende vielleicht sogar auf Neubauten?! Mit dieser Arbeit, die als „Prolog“ beschrieben hohe Erwartungen an das Folgende weckt, hat Caspar Schmitz-Morkramer sich einem Diskurs gestellt, der unbequem sein wird, für ihn selbst, aber auch für uns alle. Be. K.