Vom Sammeln zum Weiterbauen
Heftpartner Winfried Brenne, Franz Jaschke, Florian Brenne, Brenne Architekten, Berlin
Winfried Brenne,
Franz Jaschke, Fabian Brenne,
Brenne Architekten GmbH, Berlin
Foto: Jan Ahrenberg / DBZ
Das Bauen im Bestand ist die größte, vielfältigste und damit wichtigste Bauaufgabe der Gegenwart. Es geht zu einem kleinen Teil um die Bewahrung der Authentizität von Ikonen der Architektur durch sehr behutsame und aufwendige Ertüchtigungen, zum größten Teil geht es um das pragmatische Weiter- oder Umbauen der Alltagsarchitektur des 20. Jahrhunderts. Das Bauen im Bestand ist der Schlüssel für eine klimagerechte, ökologische und ressourcenschonende Bauweise. Einfach sind diese Bauaufgaben aber leider (noch) nicht.
In seiner Rede zur Eröffnung des Deutschen Historischen Museums im historischen Berliner Zeughaus beschrieb der damalige Landeskonservator Prof. Dr. Haspel die erfolgte denkmalgerechte Sanierung durch unser Büro als „Kunst des kleinstmöglichen Eingriffs“. Die Formulierung bringt auf den Punkt, was heute beim Bauen im Bestand zu tun ist: Mit möglichst wenig baulichem Aufwand – und zwar in jeder Hinsicht – den Gebäudebestand an heutige Nutzungen anpassen.
Unser Büro (damals noch Architekturwerkstatt Pitz-Brenne) begann Mitte der 1970er-Jahre, die Berliner Siedlungen der Moderne von Bruno Taut mit umfangreichen Bestandsaufnahmen erstmals zu dokumentieren und diese als Grundlage für eine denkmalgerechte Instandsetzung anzuwenden. Dabei sammelten wir tausende Materialproben. Die Arbeit reihte sich damals ein in eine zunehmende Würdigung und ausführliche Erforschung des Gebäudebestands, manifestiert und verbreitet unter anderem durch die Initiativen von Icomos und Docomomo. Die Materialprobensammlung wurde im Mai 2023 in die Sammlung der Akademie der Künste in Berlin übergeben.
Bis heute ist das Wissen über den Gebäudebestand noch immer (zu) gering und der Umgang mit dem Bestand aus unterschiedlichen Bauepochen daher oftmals nicht adäquat und nicht nachhaltig. Jedes Gebäude verfügt über seine spezifische Konstruktion mit ihren materiellen und handwerklichen oder produktionsbedingten Eigenheiten. Dazu kommen weitere Spezifika wie Raumgefüge, Nutzungs- und Funktionsarten oder Oberflächen. Daher verlangt das Bauen im Bestand eine ausführliche „Spurensuche“ und eine möglichst objektive Auseinandersetzung mit der DNA des Gebäudes. Dazu zählen gezielte Untersuchungen vor Ort, die Archivrecherche in allen zur Verfügung stehenden Quellen sowie u. a. Gespräche mit den Bauherr:innen und Nutzer:innen, um ein größtmögliches Wissen über das Gebäude zu erhalten. Dabei gilt es, auch die gebundenen immateriellen, also kulturellen und sozialen Werte zu erkennen. Durch die Recherchen und Analysen wird erkenntlich, was ein Gebäude zum einen tolerieren kann und zum anderen, welche Potenziale es bietet.
Zugleich braucht es eine sehr breite und permanente Produktrecherche für besondere bautechnische Lösungen, zumeist für die Erfüllung der hohen energetischen oder sicherheitstechnischen Anforderungen. Die Prämisse sollte Lowtech statt Hightech sein, manchmal muss es aber auch Hightech werden. Diese forschungsbasierte Entwurfsmethode – mit Anamnese, Analyse und Therapie – ist die Grundlage für die gebäudegerechte oder denkmalgerechte Sanierung und Instandsetzung.
Dies alles geht nur, wenn Auftraggeber:innen, Behörden, Architekt:innen und Fachplaner:innen die notwendigen Abwägungsprozesse zusammen durchführen, um Gemeinschaftsentscheidungen treffen zu können. Wenn es dadurch gelingt, das „Original“ möglichst authentisch zu bewahren und auch die darüberliegenden Zeitschichten des Gebäudes selbsterklärend in Einklang zu bringen, haben auch die mit der Sanierung einhergehenden Eingriffe einen selbstverständlichen Platz in der Genese des Bauwerks gefunden.
Die Denkmalpflege muss aus dem Nischendasein heraus. Sie hat in den letzten Jahrzehnten sehr viel Wissen über den Bestand und den Lebenszyklus der Gebäude zusammengetragen, das jetzt für die Reform des Bauwesens wichtige Ansatzpunkte bereithält.
Heftpartner
Winfried Brenne gründete 1977 mit Helge Pitz die Architekturwerkstatt Pitz-Brenne. Seit 1990 führt er das Büro mit Franz Jaschke als Brenne Architekten weiter. Das Büro hat zahlreiche denkmalgerechte Sanierungen von Ikonen der Moderne und Nachkriegsmoderne durchgeführt, darunter das Bauhaus-Gebäude von Walter Gropius in Dessau, die Akademie der Künste von Werner Düttmann in Berlin und die ehemalige ADGB-Bundesschule von Hannes Meyer in Bernau. Sechs Berliner Wohnsiedlungen der frühen Moderne wurden unter Mitwirkung des Büros von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Winfried Brenne erhielt 2020 den Karl-Friedrich-Schinkel-Ring für seine Initiative zur Erhaltung von Gebäuden der klassischen Moderne sowie 2021 den Docomomo Rehabilitation Award für sein Lebenswerk zur Förderung des Erbes der Moderne.
Franz Jaschke arbeitet seit 1983 mit Winfried Brenne zusammen. Seit 2002 ist er Geschäftsführender Gesellschafter bei Brenne Architekten. Zudem ist er an der DenkmalAkademie Dresden als Dozent für Baupraxis in der Denkmalpflege tätig. Franz Jaschke ist Mitglied des Deutschen Werkbunds und Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzender von Docomomo Deutschland sowie Vorstandsmitglied des Vereins Baudenkmal Bundesschule Bernau. 2008 erhielt er zusammen mit Winfried Brenne den World Monuments Fund/Knoll Modernism Prize für die denkmalgerechte Wiederherstellung der ehemaligen Bundesschule des ADGB in Bernau ausgezeichnet.
Fabian Brenne arbeitete unter anderem bei Sou Fujimoto Architects und Kojima Akamatsu Architects in Tokyo sowie bei Atelier Nagel Theissen und Atelier Brückner in Stuttgart. Seit 2011 ist er im Büro seines Vaters Winfried Brenne tätig, seit 2018 als Geschäftsführender Gesellschafter. Fabian Brenne ist Mitglied des Deutschen Werkbunds und des Wissenschaftlichen Beirats von baureka.online. 2011 erhielt er den Erwin-Heinle-Preis und den Walter-Henn-Förderpreis. 2012 war er Stipendiat der Wüstenrot Stiftung.