Wenn Wände Geschichten erzählen

In der Vergangenheit fehlte die Wertschätzung für das Vorhandene und man fokussierte sich viele Jahre sehr stark auf den Neubau. Häufig wird vom Erhalt der grauen Energie gesprochen; in der Zukunft sollten wir von der goldenen Energie sprechen, wenn wir den Bestand meinen.

Lieber Andreas Nigrin, vielleicht kannst Du uns zu Beginn sagen, wer Trockland Management GmbH ist, seit wann es Euch gibt und wofür Ihr steht?

Andreas Nigrin (AN): Die Trockland Management GmbH ist ein in Berlin ansässiges eigentümergeführtes Immobilienunternehmen. Das Team besteht aus Fachleuten mit unterschiedlichem Hintergrund, die gemeinsam daran arbeiten, die Vision des Unternehmens zu verwirklichen und einzigartige Räume mit Liebe zum Detail zu schaffen. Die Trockland Management GmbH engagiert sich für eine nachhaltige Wertschöpfung unter Berücksichtigung gesellschaftlicher und ethischer Werte.

Welche Art von Entwickler ist Trockland, ein Trader-Developer oder Investor-Developer, ist Trockland ein Bestandshalter?

AN: Die einfache Antwort lautet: sowohl als auch. Wir halten Projekte für unseren Bestand. Wir verkaufen aber auch, dann tatsächlich komplett vermietet, komplett fertig. Wir sind nicht der Typ Entwickler, der Projekte veräußert, wenn er keine Lust mehr hat oder sie sich als schwierig gestalten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir viele Dinge, wie Marketing, aber auch die Vermietung, bei uns inhouse verantworten. Anleger haben Interesse an guten Produkten, an vermieteten Immobilien.

Das gibt den Anlegern auch ein größtmögliches Maß an Sicherheit.

AN: Sie haben die Sicherheit und den Nachweis, dass unsere Projekte funktionieren. Wir haben Erfahrung in der Risikoeinschätzung von solchen Gebäuden.

Gesine Lenz (GL): Ich glaube, ein wichtiger Teil davon ist auch, dass wir uns um die Vermietung der Häuser intensive Gedanken machen. Es ist uns wichtig, das Gesamtbild immer im Auge zu behalten, ein partnerschaftliches Miteinander mit unseren Mietern zu haben und nachhaltig zu planen und zu bauen. Unser Ziel ist es immer, Dinge zu optimieren, damit wir kostengünstig bauen und die Planung noch effizienter gestalten können. Wir überlegen bereits in einem sehr frühen Stadium, was die Nachbarschaft braucht. Ebenso machen wir uns auch Gedanken darüber, welches Business eine Chance hat, über Jahre zu funktionieren. Braucht es einen Biosupermarkt oder ein Café, braucht es ein Yogastudio oder eine Weinbar?

Wie wichtig ist für Trockland die räumliche Nähe zu den Projekten?

GL: Unsere Projekte sind alle in Berlin, wir leben hier auch alle. Wir wohnen in diesen Nachbarschaften und wir haben deshalb auch eine Ahnung, wie diese Stadt funktioniert. Wir haben ein eigenes Interesse, dass unsere Stadt schön bleibt, beziehungsweise noch lebenswerter wird. Berlin ist für uns ein Heimspiel; unserer Meinung nach ist es wichtig, vor Ort zu sein. Wir sind von Beginn an mittendrin, mit Herzblut dabei und mit den Architekten und Handwerkern in einem permanenten Austausch.

AN: Wir betrachten die Architekten, die Planenden, alle an der Errichtung eines Projektes beteiligten Firmen nicht als Auftragnehmer, sondern als Partner. Jeder einzelne Handwerker leistet seinen Beitrag, jedes noch so kleine Mosaiksteinchen leistet seinen Beitrag für das Big Picture.

Wir sind heute zum Gespräch hier im BRICKS in Berlin-Schöneberg, einem Mixed-Use-Projekt, entworfen von GRAFT Architects. Gesine, Du warst die Projektleiterin des BRICKS. Was ist das Besondere an diesem gelungenen Beispiel für Bauen im Bestand?   

GL: Bei diesem Projekt kam wirklich alles zusammen, sogar zwei Neubauteile. Das Projekt bestand aus sehr vielen Bauphasen und Bauabschnitten. Wir hatten die Dachgeschossausbauten und Aufstockungen und wir haben sehr viele unterschiedliche Nutzungsarten wie beispielsweise Wohnen, Gewerbe, Einzelhandelsflächen, eine Hochschule, eine Kita und ein Gymnasium. Außerdem noch eine Versammlungsstätte, unterschiedliche Sportstätten und verschiedene gastronomische Angebote. Es waren 22 Baugenehmigungen, die wir eingeholt haben, und über sechs Jahre sehr viele Abstimmungsgespräche mit den Behörden, die wir letztendlich überzeugen konnten, und die heute noch zurückkommen und hier Führungen geben, weil es zum Vorzeigeprojekt für den Bezirk geworden ist.

AN: Für uns war es auch das erste denkmalgeschützte Projekt und wir haben als Team bei diesem Projekt sehr viel dazugelernt. Es hat den Grundstein gelegt, wieso wir vor anderen Projekten, wie beispielsweise der Wilhelmine in Oberschöneweide, zwar immer noch Respekt haben, aber keine Angst.

Lasst uns den Faden aufgreifen und über das Projekt Wilhelmine sprechen: ein ehemaliges Kulturhaus mit einer­ bewegenden Geschichte. Wie ist es gekommen, dass Trockland diese Immobilie, die über 30 Jahre einen Dornröschenschlaf gehalten hat, wieder zum Leben erwecken möchte? Wie entdeckt man so eine Immobilie?  

GL: Unser Co-Founder und CEO Heskel Nathaniel ist immer wieder der Entdecker solcher Projekte. Wir haben als Trockland inzwischen Erfahrung im Umgang mit solch anspruchsvollen Immobilien, die es wert sind, dass man sich intensiver mit ihnen beschäftigt. Wir trauen uns an Projekte heran, die andere erst gar nicht anfassen würden. Es ist ja nicht so, dass niemand dieses prominente Gebäude mit einer wichtigen Geschichte an diesem Ort nicht wahrgenommen hätte, aber es ist in der Transformation so komplex. An dieser Aufgabe muss man Spaß haben und über die nötige Expertise verfügen.

  

AN: Es ist wichtig, Visionen zu entwickeln, was aus einer Immobilie werden kann. Wie schaffe ich mit der Immobilie einen Wert? Man baut nicht nur ein Haus, man schafft Werte. Die Herausforderung ist, nicht nur eine Immobilie zu sehen, man muss sie als Ganzes sehen, was bringt sie den Menschen, wie kann man sie mit Leben füllen?

GL: Es geht nicht um den Selbstzweck, nicht darum Awards zu gewinnen, die Haltung ist ein wichtiger Punkt. Am Ende des Tages tragen wir dazu bei, dass sich eine Stadt entwickelt. Sie entwickelt sich für Menschen, die in ihr leben, die sie nutzen. Mit diesem Fokus schauen wir auf das, was wir tun; das unterscheidet uns vielleicht auch von anderen. Oft handelt es sich bei unserem Handeln um emotionale Entscheidungen, eine Kombination aus IQ, EQ und Machen – Bestmöglich Machen. 

Wie entdeckt man die Qualität des Vorhandenen?

GL: Uns gefallen die komplexen Projekte am besten, uns reizt die Herausforderung. Oft ist es eine Bauchentscheidung in Kombination mit sorgfältiger Analyse und Finanzplanung natürlich. Da gibt es diesen Gänsehauteffekt. Bei der ersten Begehung der Wilhelmine in Berlin-Oberschöneweide waren wir mit ca. 15 Kolleginnen und Kollegen vor Ort und alle hatten Gänsehaut. Wir hatten das Gefühl, dass die Wände angefangen haben, zu uns zu sprechen und uns Geschichten zu erzählen. Es gibt Orte, die haben ihre eigene Energie und im Fall von der Wilhelmine auch eine besondere Magie. Unser Chef spricht oft von der Seele eines Projektes, die es haben muss.

Wie konsequent verfolgt Trockland den Weg, die Seele zu erhalten?

AN: Beispielsweise bei den Leuchten, die in der Wilhelmine verbaut waren. Diese Leuchten sind von Peter Rockel. Er war zu DDR-Zeiten ein Formgestalter von Beleuchtungskörpern. Er hat z. B. den Palast der Republik, „Erichs Lampenladen“, ausgestattet. Die Leuchten wurden bereits durch einen früheren Eigentümer ausgebaut. Wir haben den Lagerort und Eigentümer durch Kontakte jedoch ausfindig machen können und haben die Leuchten zur Verfügung gestellt bekommen. Geplant ist, diese zu restaurieren und in der Wilhelmine erneut zu verbauen. Das ist dann eines dieser kleinen Projekte in einem großen Ganzen, um die Seele zu erhalten. 

Gibt es noch andere Beispiele?

AN: Nehmen wir als weiteres Beispiel die Fassade in der Wilhelmine. Über unser vorhandenes Netzwerk haben wir bereits Informationen erhalten, dass an anderer Stelle ein Gebäude zurückgebaut wird, wo Steine verbaut sind, wie sie auch in der Fassade der Wilhelmine vorkommen: Wir wurden gefragt, ob wir daran interessiert sind, und solche Themen greifen wir dann natürlich auf. 

Jetzt sind wir aber sehr schnell bei dem Thema Kreislaufwirtschaft angekommen.

AN: Ja, das sind wir. Dann tauchen in diesem speziellen Fall Fragen auf. Beispielsweise: Sollen diese Steine geputzt und gesäubert werden? Wie sieht es mit dem Transport aus? Dann fängt ein ganzer Apparat an zu arbeiten. Aber das ist es wert.   

Ich würde gerne mit Euch über ein weiteres aktuelles Bestandsprojekt von Trockland sprechen und zwar Funkytown: ein legendärer Ost-Spot, bis vor kurzem ein Lost Place. In der Recherche habe ich festgestellt, dass das Gebäude länger brachlag, als es jemals betrieben wurde. Wie kann man eine Liebe zu einem Plattenbau aus DDR-Zeiten entwickeln?

AN: Es handelt sich um einen Stahlbetonskelettbau, errichtet aus Fertigteilen bis hin zur Fassade. Es ist ja nicht nur der Stahlbetonskelettbau, die Platte, die dort steht, sondern da steckt meistens noch etwas mehr dahinter, wo die Platte draufsteht, das Grundstück. Wie kann ich das Grundstück entwickeln? Solide Substanz kann entwickelt werden und wird bei uns entwickelt. Wie kann ich nicht nur ein Gebäude errichten, sondern wie kann ich einen Ort schaffen? Eine Transformation beginnt für uns immer mit dem eigentlichen Fundament – der Historie und der Energie des Ortes. Aus dem BLOCK-E an der Rummelsburger Landstraße funkte knapp 30 Jahre lang unter anderem der DDR-Jugendsender DT64. Unzählige Emotionen und Geschichten sind hier präsent. Es geht um den liebevollen Umgang mit dem Ganzen.

Das Bestandsgebäude BLOCK–E steht im Zentrum des Campus. Nach der Sanierung von BLOCK-E entstehen in acht modernen Stations vielseitige Nutzungen. Die Entwürfe stammen von acht unterschiedlichen Architekturbüros. KSP Engel Architekten werden die Koordination sowie den Entwurf des zentralen Gebäudes übernehmen. Wie ist Trockland auf die Idee gekommen, bei diesem Projekt mit mehreren Architekten zusammenzuarbeiten?

AN: Hinzu kommt auch noch das Büro AIP Planungs GmbH für den Bestandsbau. Auf diese Idee sind wir gekommen, weil wir gesagt haben, wir möchten so viel wie möglich an Kreativität an diesem Ort vereinen. Es geht darum, eine Vision für einen kreativen Campus zu entwickeln. Wir wollten etwas anders machen, um ein besonderes Ergebnis zu erzielen. Es gibt viele Dinge, die sich bei der Entwicklung eines Projekts ergeben. In diesem Fall hatten wir die Idee, dass sich nicht ein Büro verwirklicht. Es ging uns um die bunte Vielfalt.

Trockland hat in der Vergangenheit häufiger mit GRAFT Architects aus Berlin zusammengearbeitet? Was schätzt Ihr an diesem Architekturbüro?

AN: Die Kreativität und die Professionalität, aber auch den Diskurs und die Entwicklung von Ideen schätzen wir sehr an diesem Büro. Aber auch noch zwei andere Dinge, nämlich Vertrauen und langjährige Beziehung. Man weiß jeweils, wie die andere Seite tickt. Nach so vielen Jahren und Projekten kennt man sich. Es ist eine vertrauensvolle Partnerschaft, in der wir wissen, dass die Projekte erfolgreich zu Ende geführt werden. Man merkt den Architekten an, dass sie mit dem Herzen dabei sind, ein besonderes Engagement für den Standort an den Tag legen, und bereit sind, die extra Meile zu gehen.

Wir haben das Heftthema „Zukünfte des Bauens“. Wie geht die Geschichte von Trockland weiter, wie sieht Eure Zukunft aus?

GL: Wir haben einige wirklich große Entwicklungen vor uns. Das DOXS NKLN, die Wilhelmine und Funkytown, um einige zu nennen. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass Stadtentwicklung nie aufhört, eine Stadt wie Berlin verändert sich permanent. Zukünftig wird sich sehr viel im Südosten Berlins verändern.

AN: Die Spreegebiete mit ihrem industriellen Charme, mit den Hafenlagen sind spannende Orte. Die vorhandenen Orte, die in Vergessenheit gerieten, werden in Zukunft eine größere Rolle spielen. Man könnte sagen, Trockland gestaltet die Zukunft aus dem Vorhandenen. 

Mit Gesine Lenz und Andreas Nigrin sprach DBZ-Chefredakteur Michael Schuster am 21.11.2024.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 12/2018 Wohnbaukasten-Prinzip

Bremer Punkt, Bremen

Als würfelförmige Stadtbausteine ergänzen die „Bremer Punkte“ die aufgelockerten Wohnsiedlungen der Nachkriegsjahre und werten diese durch hochwertige, barrierefreie Wohnungen auf. Das Angebot...

mehr
Ausgabe 06/2023

Aus der Vergangenheit für heute

„Ein einziges, ein x-beliebiges Gebäude reicht [dem Kritiker; Be. K.] aus, um daran die ganze Pathologie der menschlichen Gesellschaft zu entwickeln.“ Dieses Credo kommt von einem Kritiker (und...

mehr
Ausgabe 06/2022

Menschen: Bernd Albers, Karl Ganser, Oliver Cyrus und Andreas Moser

Er ist den meisten sicherlich als Verfasser/Obergutachter des Planwerks Innenstadt (1996–1999 in Kooperation mit Dieter Hoffmann-Axthelm) für die Stadt Berlin im Gedächtnis, für das ihm und...

mehr