Zwischen Riesenrad und Achterbahn
Mehr als sieben Mio. Touristen zieht Wien jährlich in den Bann – Tendenz steigend. Um dieser wachsenden Nachfrage gerecht zu werden, sind in der Donaumetropole im letzten Jahr eine Reihe neuer Hotels eröffnet worden, mit Gestaltungskonzepten, die vom Gasthaus im gediegenem Retro-Charme bis hin zum pfiffigen Hostel im Pop-Art-Design reichen. Einen Schritt weiter geht man am Prater, wo sich neuerlich zwei Hotelbetreiber niedergelassen haben: Während Zoku das Hotelzimmer zum temporären Wohnzimmer erklärt, bietet Superbude vielfältige Zimmertypen für Städtereisende. Gemeinsam mit Katharina Kothmiller von nonconform, Martin Oesterreich von Zoku und Christian Lainer von Superbude sprachen wir über die feinen Unterschiede beider Konzepte.
Katharina Kothmiller von nonconform, DBZ-Redakteurin Yoko Rödel und Christian Leitner von Superbude bei ihrem Treffen in Wien (v. l.).
Foto: Katharina Kothmiller
Wir befinden uns im Restaurant des Hotels Superbude hoch oben über den Dächern von Wien, einem Gebäude, für das die Planer von nonconform verantwortlich zeichnen. Frau Kothmüller, Sie waren die leitende Architektin des Projekts. Was war die Grundidee des Gebäudeentwurfs?
Katharina Kothmiller (KK): Hierbei handelte es sich um ein Grundstück, für das die IG Immobilien das Baurecht erwarb. Das war mit der Auflage verbunden, einen Wettbewerb für die Überbauung auszuloben. Dabei sollten die Busparkplätze ebenerdig erhalten bleiben und die Pkw-Stellplätze in eine Tiefgarage verlegt werden. Gewonnen haben wir den Wettbewerb ursprünglich mit einem konstruktiven Holzbau. Allerdings gab es Bedenken hinsichtlich des Schallschutzes, der – wie man sich denken kann – bei einem Hotelneubau besonders wichtig ist. Ich bin sicher, dass wir jenen Anforderungen auch mit einem Holzbau hätten gerecht werden können. Auf Wunsch des Bauträgers haben wir schlussendlich doch einen Massivbau entwickelt. Das ist ein bisschen schade, aber schlussendlich ist es im Ergebnis doch ein sehr schönes Projekt geworden.
Christian Lainer (CL): Das sehe ich ähnlich. Wir sind damals zu einem relativ frühen Zeitpunkt in das Projekt eingestiegen. Das war für uns schon etwas ganz Besonderes, weil wir Wünsche direkt einbringen konnten. Schnell hatte sich gezeigt, dass das gesamte Gebäude für uns allein zu groß war, weshalb man sich dafür entschied, den anderen Teil des Gebäudes an einen anderen Betreiber zu übergeben. Wichtig war uns, dass hierfür jemand gewählt wird, der nicht in direkter Konkurrenz zu uns steht, um einem allgemeinen Kannibalisierungseffekt vorzubeugen.
Martin Oesterreich (MO): Ich kann mich noch gut an den Beginn des Projekts erinnern. Wir sind ja etwas später hinzugestoßen. Hintergrund dessen war, dass es sowohl vonseiten der Superbude als auch von IG Immobilien den Wunsch gab, ein hybrides Hotellerie-Projekt zu entwickeln. Da wir mit unserem Longstay-Konzept eine ideale Ergänzung boten, wurden wir proaktiv gefragt, ob wir nicht Interesse an dem Gebäude hätten. Das war für uns ein in vielerlei Hinsicht tolles Angebot. Wir hatten ohnehin geplant, zu expandieren.
Interessant, aber was unterscheidet denn ein Longstay- von einem Shortstay-Konzept?
KK: Sie unterscheiden sich einerseits durch die Zimmergröße und andererseits durch die Facilities. Wie Christian schon erwähnt hat, richtet sich die Superbude mit dem Shortstay-Konzept eher an Städtereisende, die etwa für ein verlängertes Wochenende nach Wien kommen, während Zoku verstärkt die Remote-Arbeitenden, die tendenziell länger an einem Ort verweilen, im Fokus hat. Wenn man also ein Zoku-Zimmer betritt, hat man nicht das Gefühl, in einem Hotelzimmer zu stehen. Es hat eher den Charakter einer Ferienwohnung und bietet sich daher auch für einen längeren Aufenthalt an.
MO: Dadurch, dass das Bett in unseren Zimmern in einer Nische untergebracht ist, rückt es ins Abseits und der Arbeitsplatz mit großem Tisch, bequemen Stuhl und hohem Tageslichtanteil ins Zentrum des Geschehens. Ein weiteres Plus ist, dass sich die Leiter, die zur Bett-Nische führt, vollständig in der Wand verstauen lässt. Das Interieur mutet einem Loft, stellenweise auch einem Tiny House an. Zusätzlich gibt es viel Stauraum und eine gut ausgestattete Küche, optimal für einen längeren Aufenthalt. Es gibt aber auch die Möglichkeit, die Apartments tagsüber zu vermieten. So können sie etwa als Meetingräume für Geschäftsreisende genutzt werden.
CL: Bei uns fallen die Belegungszeiten tendenziell kürzer aus. Jedoch möchte ich betonen, dass sich Superbude vom klassischen Hostel in Richtung Vollhotel weiterentwickelt hat. Eigentlich haben wir noch nie nur das einzelne Bett im Mehrbettzimmer verkauft. Grundsätzlich beherbergen wir natürlich gerne Backpacker, das bringt Seele ins Haus und lädt die Stimmung auf. Jedoch zählen wir mittlerweile auch Geschäftsreisende, Familien und Einzelreisende, die aus der konformen Hotelwelt heraustreten möchten, zu unseren Gäs-ten. Hierfür bieten wir eine Vielzahl an liebevoll entworfenen Zimmertypen mit entsprechender Ausstattung inklusive hochwertiger Bettwäsche und Bädern mit Regenduschen an. Als später Zoku mit einem komplementären Konzept dazugestoßen ist, hat uns das gut gefallen. In dem Sinne kann man hier von einer echten Win-Win-Situation sprechen.
Am Prater in Wien haben Superbude und Zoku die Pforten für Städtereisende und Remote-Arbeitende geöffnet: Das Gebäude besteht aus zwei transparenten Sockeln, darüber überspannen die Zimmergeschosse den Busparkplatz der Messe Wien. Im Dachgeschoss befinden sich zwei Rooftop-Bars mit atemberaubendem Ausblick auf den Prater und die Wiener Innenstadt
Foto: nonconform
Gepaart mit dem unweit von hier gelegenen Vergnügungspark bietet Superbude also einen besonders attraktiven Standort für Familien.
CL: Das stimmt, die von Katharina erwähnten Familienzimmer sind fast immer ausgebucht. Im Nachhinein haben wir uns ein bisschen geärgert, dass wir diesen flexiblen Nutzungsmix nicht auch noch für andere Zimmertypen entwickelt haben.
Zum Teil nur wenige Meter von der Achterbahn entfernt, findet man sich mitten im Treiben des Wiener Praters wieder
Foto: nonconform
Herr Leitner hat es anfangs schon erwähnt – normalerweise stoßen Hotelbetreiber erst zu einer späteren Phase zum Bauvorhaben hinzu. In diesem Fall waren Sie praktisch von Anfang an in die Planung einbezogen worden.
KK: Das war für uns eine tolle Sache. Nachdem wir den Wettbewerb gewonnen und die Betreiber ins Boot geholt haben, unternahmen wir gemeinsam eine Reise nach Hamburg und Amsterdam, um die Atmosphäre der Hotels dort zu schnuppern. Aus dieser Erfahrung haben wir viele Inspirationen gezogen.
CL: Danke für die Rückmeldung, Katharina. Man hat deine Leidenschaft von erster Minute an wahrgenommen. Das hat es auch uns leicht gemacht, uns in das Projekt einzufinden, denn schließlich war das für uns ja der allererste Neubau. Die ers-ten Superbuden-Hotels waren allesamt Bestandsbauten.
MO: Ich kann den anderen nur beipflichten. Die Kommunikation war stets auf Augenhöhe, alle Beteiligten haben von Anfang an Vollgas gegeben und zum Gelingen des Projekts beigetragen. Sowohl das Projekt als solches als auch die Zusammenarbeit im Team empfand ich als sehr positiv.
Stimmungsvolles Entré im Erdgeschoss des Hotels Superbude. Im Planungsprozess musste aufgrund der Nähe des Hotels zu den Fahrgeschäften des Praters besonders auf Licht- und Lärmschutz geachtet werden
Foto: nonconform
Trotzdem hat jedes Bauvorhaben seine Tücken – was waren denn die größten Hürden?
KK: Die Tiefgaragenplanung unter den drei Gebäuden war technisch sehr herausfordernd, außerdem haben wir sehr viele technische Anlagen auf dem Dach, wobei die Kostenschnittstellen nicht leicht zu klären waren. Ein weiterer Stolperstein war natürlich das Budget. Wir hatten etwa die Idee, für das Gebäude einen Vertical Garden zu entwickeln, wozu uns der MFO-Park in Zürich inspiriert hatte. Die Brandschutzanforderungen und Baukosten haben dann jedoch zu einer etwas vereinfachten Umsetzung des Konzepts geführt.
CL: Man könnte sagen, wir warten aktuell noch auf den dichten Bewuchs. Ansonsten kann ich von meiner Seite aus nur berichten, dass natürlich die Entwicklung der unterschiedlichen Zimmertypen sehr zeitaufwendig war. Auch fiel so manche Planung dem begrenzten Budget zum Opfer. Ursprünglich waren etwa umlaufende Balkone angedacht gewesen, am Ende konnten diese nur auf einer Seite ausgeführt werden.
MO: Bei uns bestand die Herausforderung, ein Hotelzimmer zu entwickeln, das als solches nicht erkennbar sein sollte. Das machte eine hochwertige Materialität und individuelle Details erforderlich – all das durfte das Budget natürlich auch nicht sprengen. Als Hürde würde ich das wohl nicht bezeichnen, man könnte sagen, dass wir einen guten Konsens gefunden haben.
Von der Not zur Tugend: Aufgrund von Platzmangel wurde für das Hotel Zoku ein hybrider Begegnungsraum entwickelt, der Wohn- und Arbeitszimmer in einem ist
Foto: nonconform
Das Hotel war gegen Ende der Pandemie fertiggestellt worden. Wie war das für Sie?
CL: Die Pandemie hat unsere Pläne natürlich komplett durcheinandergewirbelt. Damit waren wir jedoch nicht alleine, denn das war für alle Hoteliers weltweit eine existenzielle Bedrohung. Schlussendlich denke ich jedoch, dass wir diese Phase gut gemeistert haben und wir gestärkt aus dieser globalen Krise hervorgegangen sind.
MO: Natürlich war Corona auch für uns keine einfache Zeit. Als die Reisebeschränkungen gelockert wurden, hatten wir jedoch einen leichten Wettbewerbsvorteil, da sich unsere Zimmer bekanntermaßen ideal für Remote-Worker anbieten. Dementsprechend hoch war auch die Nachfrage und so waren wir direkt nach der Eröffnung bereits ausgebucht.
Was war denn die für Sie wichtigste Lernaufgabe bei diesem Projekt?
KK: Zwei Hotelkonzepte samt unterschiedlicher Raumaufteilung und Gebäudedetails unter einem Dach zu vereinen, war schon ein echtes Learning. Das hat bei uns Tradition, denn wir legen seit jeher ein besonderes Augenmerk auf eine effiziente Raumausnutzung. Angesichts der Klimakrise ist der „nicht umsonst“ gebaute Raum der nachhaltigste. Mit unserem Ansatz zur Baureduktionsplanung möchten wir auch in Zukunft bewusst den Anteil von Neubauten so gering wie möglich halten und stattdessen vermehrt im Bestand arbeiten. Diese Herangehensweise ermöglicht es uns, nachhaltiger zu planen und gleichzeitig den vorhandenen Raum effizienter und kreativer zu nutzen. Wir sehen darin nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine ökologische Verantwortung, der wir uns stellen. Dasselbe Credo haben wir auch bei diesem Projekt verfolgt. Das sich das so umsetzen ließ, ist sicherlich auch auf die gute Zusammenarbeit aller am Projekt Beteiligten zurückzuführen. Das war eine absolut bereichernde Erfahrung.
CL: Ich denke, die gute Zusammenarbeit hat maßgeblich zum Gelingen des Bauvorhabens beigetragen. Da Wien unser erster Neubau war, hatten wir großen Respekt vor dem Projekt. Letztendlich haben wir 17 verschiedene Zimmertypen für dieses Hotel entwickelt. Das war echt spannend – wenngleich auch etwas nervenaufreibend. Manchmal frage ich mich natürlich, ob fünf Typen nicht auch gereicht hätten.
MO: Bei uns stand immer die Frage im Raum, wie wir auf verhältnismäßig wenig Platz möglichst viel Nutzung unterbringen können. Das hat natürlich auch die eine oder andere Innovation hervorgebracht. Beispielsweise haben wir für das Hotel einen multifunktionalen Raum entwickelt, der Living Room und Co-Working-Space in einem ist. Und so gibt es viele Stellen im Gebäude, wo wir aus der Not eine Tugend gemacht haben. Diese Social Spaces derart zu optimieren, bezeichnen wir als ein echtes „Wien-Learning“. Im Ergebnis sind diese Mischnutzungsräume sogar zum Maßstab für alle künftigen Zoku-Hotels geworden.
Wie urlauben Sie den privat am liebsten? Im Ferienhaus, Hotel oder doch lieber im Zelt?
CL: Ich bin allein schon von Berufswegen her ein echter Hotel-Fan. Ich liebe es einfach, unterschiedliche Gasthäuser zu entdecken, natürlich schaue ich dabei auf andere Dinge als der normale Durchschnittsreisende. Manchmal mache ich dabei auch Entdeckungen, bei welchen ich denke, „Mensch, das brauchen wir auch“. Insofern reist der Job immer ein stückweit auch mit.
MO: Das geht mir ganz ähnlich – ich lege generell viel wert auf Authentizität. Daher präferiere ich Hotels, die mit Leidenschaft geführt und mit der Umgebung im Einklang sind. Da ich ebenso gerne in der Natur bin, kann es gerne auch ein Ferienhaus oder die privat geführte Unterkunft sein.
KK: Bei mir ist das etwas anders. Da ich eine Familie mit zwei Kindern habe und wir fast immer mit Freunden verreisen, fällt die Wahl meistens auf Ferienhäuser mit Wohnküchen, da diese auch großen Gruppen genügend Platz bieten. Auch wenn wir nur zu zweit oder mit unseren Kindern in der Stadt unterwegs sind, ziehen wir die Ferienwohnung dem Hotel vor, weil wir dadurch das Gefühl bekommen, in der Stadt zu wohnen. Da die Kinder Frühstücksbuffets so gerne mögen, gehen wir ab und zu auch mal ins Hotel. Glücklicherweise wissen sie nicht, dass es so etwas wie ein All-inclusive-Cluburlaub existiert, denn das wäre weder für meinen Mann noch für mich etwas.
Das Interview führte DBZ-Redakteurin Yoko Rödel am 17. Mai 2024 in Wien