Magic Blocks

Ausstellung über die Kollektivbauten aus der sozialistischen Zeit in Bukarest vom 8. September bis 29. Oktober 2009, Berlin

„Magic Blocks“ eröffnet ein neues Feld für die Architekturdiskussion: die wenig bekannten negativen Auswirkungen der Privatisierung der ehemaligen Kollektivwohnungen und die Frage, wie dieser Entwicklung eine andere Perspektive entgegengesetzt werden kann. Das Projekt ist eine Initiative von Archis Interventions mit Zeppelin und Point 4, in Zusammenarbeit mit ATU, Space Syntax, Hackenbroich Architekten und Platforma 9,81.  
 
Das Stadtbild von Bukarest ist geprägt durch die Häuserblöcke aus der sozialistischen Zeit, zumeist in den 1970er und 1980er Jahren errichtet – etwa 70 % der Bewohner Bukarests leben in ihnen. Entlang der traditionellen Straßenachsen errichtet, bilden sie quasi „Betonvorhänge“, die den Blick auf das dahinter liegende Bukarest verstellen. Daneben finden sich neu errichtete Großsiedlungen mit bis zu 400.000 Einwohnern. Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems und der Einführung der Marktökonomie wurden die Kollektivbauten weitgehend privatisiert, gegen ein geringes Entgelt gelangten die vormaligen Mieter in den Besitz ihrer Wohnungen. Deren Wert ist jetzt von den Marktmechanismen abhängig, je nach Lage, Anbindung und Ausstattung steigen oder fallen sie im Wert, sind Spekulationsobjekt oder beginnen zu verwahrlosen. Es herrscht wenig Verständnis bei den Verantwortlichen wie den Betroffenen für diese Zusammenhänge. An dieser Stelle setzt die Initiative von Archis Interventions in Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Architekturinitiativen und -büros an – mit Szenarien für die zukünftige Qualifizierung der ehemaligen Kollektivbauten soll in Bukarest eine öffentliche Debatte in Gang gesetzt werden. Die Ausstellung stellt diese Konzeption vor, ergänzt um Informationen zur Stadtentwicklung in Bukarest.
 
 
Die Situation in Bukarest ist prototypisch für die Städte Osteuropas, die nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme eine Transformationsphase von der Plan- zur Marktwirtschaft absolviert hatten, die unter den Bedingungen einer globalisierten Wirtschaft und eines weltweit agierenden Finanzkapitals stattfand – mit entsprechenden dramatischen Auswirkungen auf das Alltagsleben und auch auf die Entwicklung der Städte. Das Paradigma dieser gesellschaftspolitischen Umwandlung war neben der Demokratisierung die möglichst rasche Privatisierung und die Liberalisierung des Marktes. Das hatte zumeist eine Schwächung der nationalstaatlichen Regulationsfähigkeit zur Folge. Insbesondere das übergroße Vertrauen in die Kräfte des Marktes übersah die nichtökonomischen Faktoren, die für ein funktionierendes Gemeinwesen ebenso wichtig sind. Die Folge war ein »Turbo-Urbanismus«, die Informalisierung des städtischen Raums als Folge eines neoliberal entfesselten Kapitalismus mit all seinen Begleiterscheinungen. Die Städte wurden von einem Boom an Neubauten überschwemmt, von fragwürdigen Investorenprojekten in den Innenstädten bis hin zu den von privaten Bauherrn zumeist am Rand der Städte in großer Zahl errichteten informellen Siedlungen. Charakteristisch war die schwache staatliche Steuerung dieser Prozesse bis hin zum völligen Verzicht auf Regulation. Und im Falle der „Kollektivbauten“ wurde das kommunale Eigentum privatisiert und die Wohnungseigentümer wurden weitgehend sich selbst überlassen. Der Staat entledigte sich schnell seiner sozialen Verantwortung.
 
Hier setzt auch das Projekt von Archis Interventions in Bukarest an. Mit verschiedenen Initiativen und Organisationen wurde 2009 ein zentrales Problem der Bukarester Stadtentwicklung bearbeitet: die aus der Privatisierung der ehemaligen „Kollektivbauten“ resultierenden Probleme der Verwaltung des gemeinsamen Eigentums durch die privaten Wohnungseigentümer, die ungeklärten Zuständigkeiten bei Sanierungsvorhaben und das oftmals fehlende Verständnis der neuen Eigentümer für die Notwendigkeit, nicht nur die eigene Wohnung, sondern auch das Haus als Ganzes in Stand halten zu müssen, um seinen Wert zu erhalten. Hinzu kommt der starke Einfluss übergeordneter Faktoren wie beispielsweise die verkehrstechnische Anbindung und die Lage in der Stadt auf den Marktwert der Wohnung, von dem wiederum auch mögliche Kredite abhängen, die man für Sanierungsvorhaben aufnehmen muss. Ebenso gibt es nur schlecht funktionierende Verhandlungsformen zwischen Eigentümern eines Hauses, die unterschiedliche Interessen haben und nicht zuletzt sind architektonische Gestaltungsmöglichkeiten kaum bekannt. Entscheidend aber ist, dass es auch kein ausreichendes öffentliches Bewusstsein – sowohl bei den Verantwortlichen wie bei den Betroffenen – für die zukünftigen Auswirkungen gibt, die aus der Vernachlässigung dieser Probleme resultieren. Daher sind Publikationen, Ausstellungen, öffentliche Diskussionen und lokale Aktionen ein wichtiger Teil einer öffentlichkeitswirksamen Intervention, die sowohl bei den verantwortlichen Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung wie bei den privaten Eigentümern und ihren Interessenvertretungen eine größere Aufmerksamkeit bewirkt. Dies ist erst der Anfang einer Auseinandersetzung über die zukünftige Perspektive eines schon in seiner Dimension nicht wegzudenkenden Teils der Stadt Bukarest und der in ihm lebenden Menschen.

Veranstaltung: Ausstellung „Magic Blocks“ – Szenarien für die Kollektivbauten aus der sozialistischen Zeit in Bukarest
Ort: AedesLand, Savignyplatz, Else-Ury-Bogen 600-601, 10623 Berlin
Zeit: 8. September bis 29. Oktober 2009, täglich 10 – 20 Uhr

Weitere Informationen: Zur Ausstellungseröffnung am 8. September 2009, 18.30 Uhr
sprechen: Kristin Feireiss, Aedes; Adriana Winkler, Kulturattaché der Rumänischen Botschaft in Berlin, Kai Vöckler, Archis Interventions; Stefan Ghenciulescu, Zeppelin.

Zur Ausstellung erscheint in Rumänisch/Englisch die Publikation: Stefan Ghenciulescu, Constantin Goagea, Kai Vöckler (Hg.), Magic Blocks. Scenarios for socialist collective housing estates in Bucharest. Verlag: Zeppelin Association, Bucharest 2009. ISBN: 978-973-0-06942-6

Internet: www.aedes-arc.de

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