Bücherkisten öffnen

Zur Buchmesse in Frankfurt am Main kamen wieder zig Tausend Händler, Einkäufer, Buchspezialisten, Zeichner, Fotografen, Journalisten, Leser und Architekten und Hundertausend Neuerscheinungen

Um gleich bei letzterer Zahl zu beginnen: So viele Neuerscheinungen gab es in diesem Jahr nur über alles betrachtet! Und ob hier auch Zeitschriftenartikel mitgezählt werden, Broschüren für die Anleitung zur Herstellung erfolgreicher Buchpublikation oder köstlicher wiegleich vollwertiger Speisenfolgen sei dahin gestellt. Die Architekturbuchproduktion trägt ihren Teil zur 100000 bei, das ist gewiss.

Vielleicht nicht mehr als im Vorjahr, doch interessanter allemal, ein Eindruck, der sich aus dem Gang durch drei Hallen und mehrere Geschosse ergab. Insbesondere Halle 4 (4.1.), Halle 3 (3.0) und die den internationalen (englischsprachigen) Publikationen vorbehaltene Halle 8 (die mit dem schönsten (Tages)Licht waren hier zu durchwandern, hier finden sich ca Press, Gestalten, Prestel, Wasmuth, Callwey, Thames & Hudson, DVA, Hirmer, Verlag Hermann Schmidt, Hatje Cantz, Birkhäuser (mit Actar, oder umgekehrt?), Birkhäuser mit Springer (oder umgekehrt?), Springer Wien, Axel Menges, Lars Müller, Steidle, Walther König, Phaidon, DOM Publisher, AA Publisher, NAi-Publisher, Jovis, Avedition … ich habe keinen Platz für mehr an dieser Stelle (und die Liste ist wirklich nicht vollständig). Dass ein großer wie renommierter Fachverlag wie Rudolf Müller seit Jahren die Messe ignoriert, soll hier nur angemerkt werden … der Qualität und dem Absatz der Bücher scheint die Abwesenheit nicht zu schaden.

Ich möchte hier gar nicht die Lieblingsbücher nennen (wenngleich es doch so kommen wird), möchte auch gar nicht darauf hinweisen, dass der in zweiter Auflage unternommene DAM Architectural Book Award-Versuch ein paar Auszeichnungen aufweist, die hier bereits in Rezensionen ihren Niederschlag fanden (alle Titel in ihren jeweiligen Kategorien im beiliegenden PDF). Auch nicht, dass die von der Internationalen Abteilung der Buchmesse organisierte Ausstellung „Sonnige Aussichten. Grüne Architektur heute!“ wenig Zulauf hatte; vielleicht lag es aber auch am Zeitpunkt meines Besuches?!

Also doch die Lieblingsbücher. The Story of Eames Furniture (Gestalten, Berlin) beispielsweise, ein unglaublich kompakt gefülltes, zweibändiges Werk zur Geschichte und zu den Geschichten des Eames-Paares und wie sie ihre Möbel-Entwürfe in die Welt brachten. Oder das auf Bibelpapier gedruckte „Lesikon“ (Verlag Hermann Schmidt, Mainz), das 9704 Begriffe der visuellen Kommunikation versammelt, die Juli Gudehus in neun Jahren zusammengetragen und mit Unterstützung von 3513 Co-Autoren definiert, kommentiert und mit Meinungen und Erfahrungen garniert und geordnet hat. Nicht von A bis Z, sondern von Avantgarde bis After Image, nicht streng logisch, sondern kreativ assoziativ, eine neue, eine weitere unendliche Geschichte in der Buchpublikation (auf die die Architekten eben noch warten … ihre Bibel eben!):

Thames & Hudson haben ihre Reihe der Pritzker-Price-Träger um die aktuellen erweitert, Walther König seine Architekturabteilung um eine riesige Monografie zu Ortner & Ortner sowie einen sonderbar interessanten Band zur Theresienwiese („Analyse und Betrachtung. Vorw. von Elisabeth Merk. Beitr. von Akos Moravansky, Joost Meuwissen, Werner Sewing, Robert Kaltenbrunner u.a.“). A propos Monografie: Phaidon, bekannt für dicke Bücher, hat sich zwei sehr gegensätzliche wie zugleich verwandte Architektur-Autoren für eine Publikation vorgenommen: Gerrit Rietveld und John Pawson.

Und – weil es einfach zu viel ist hier schon der letzte: Ein kleine Entdeckung ganz am Rande und gut versteckt (am Springer Stand in einer kleinen Bücherkiste mit dem Titel „Art & Design“) – noch ein Hinweis auf die Arbeit von Manfred Bertholds „Architektur kostet Raum“, in welcher detailliert und – es schien mir so – erstmalig klar strukturiert der Frage nachgegangen wurde, wie wir mit der Ressource Raum umgehen, wie wir sie besser nutzen könnten, wie wir sie genutzt haben etc.; dass Berthold dann irgendwann seine Untersuchungen in die analytische Darstellung seiner Projekte übergehen lässt, milderte das erste starke Leuchten dieser Ausnahmepublikation dann doch ein wenig.

Taschen, der Großverleger aus Köln, glänzte mehr oder weniger mit einem neuen Standdesign, das Hingucker und Werbeaktion für eine Neuerscheinung war. Shigeru Bans Monografie zu seinem Werk hatten die Kölner genutzt, dem Architekten das Design für ihren Stand abzuringen. Gelungen? In direkter Nachbarschaft zu den eher auf Gediegenheit setzenden anderen Großverlagen in Halle 3 ein ambitionierter Versuch.

Es gab noch ein paar DVDs (Vilem Flusser bei Walther König, Il Girasole bei Scheidegger & Spiess), ein paar Apps fürs Mobilfone (natürlich aus dem Hause Apple), ein paar E-Books, doch immer noch sind das Randerscheinungen in einem Markt, der wesentlich auf Haptik setzt, auf die Qualität des Papiers, der gedruckten Bilder, der gedruckten Zeichnungen etc. Von hier aus gesehen sind die Verlage im Architekturgeschäft äußerst konservativ; schön. Be. K.

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