Heinrich Lee. Heute: Da sind wir aber überrascht!

Der Architekten- und Ingenieur-Verein (AIV) fordert für die Schlossrekonstruktion ein „Konjunkturpaket“

Hinterher sind wir alle schlauer. Und können meckern. Dabei sollten wir einfach mal anfangen, der Rest wird sich schon regeln! So jedenfalls denken und handeln die, die in Berlin Mitte mittels Abräumen aufgeräumt haben. Und jetzt nicht so genau wissen, wie es weitergehen kann. Die globale Krise setzt Staatsneuverschuldung in Gang, die vor Monaten noch undenkbar gewesen wäre. Doch die Zeit der Haushaltsdecklung ist vorbei, Milliardenprogramme sollen die Rezession mildern helfen. Außer Herrn Ackermann waren die meisten schon in Berlin, in der Hoffnung, ein paar Milliarden-Bürgschaften oder gar Bares mit nach Hauses nehmen zu können. Dass das jetzt auch der Minister Tiefensee zusammen mit dem Herrn v. Boddien in Sachen Stadtschlossrekonstruktion machen sollen, schlägt aktuell der Architekten- und Ingenieur-Verein (AIV) Berlin vor.
 
Denn der rechnet mit deutlich höheren Kosten für das so genannte Humboldt-Forum als ursprünglich geplant. Für dieses Bauvolumen sei das veranschlagte Budget von 552 Millionen Euro zu gering angesetzt, sagte der AIV-Vorstand Edzard Schultz am gestrigen Dienstag (20. Januar) in Berlin. Aus fachlicher Sicht schätzt der AIV die tatsächlichen Baukosten um 30 Prozent höher ein; und fordert eine neue Kalkulation für die Rekonstruktion. Durch ein zu geringes Budget, so der AIV, würde sonst einem „über die Jahrhunderte weisenden Bau die notwendige nachhaltige Qualität“ entzogen; was genau damit gemeint ist, weiß Herr Schultz wohl auch nicht, er sprach sich für ein „Konjunkturpaket für die Baukultur des Stadtschlosses“ aus. Davon könnten auch spezialisierte Handwerker und Betriebe profitieren.
 
Das Schloss also als Konjunkturmotor, eine grandiose Idee, die Herr Schultz schon beim Abriss des Palastes der Republik hätte haben können, aber da drohte Deutschland und der Welt ja auch noch kein Konjunktureinbruch solchen Ausmaßes. Klar ist, dass dieses Elend mit dem dann doch reduzierten Stella-Entwurf nicht gebremst werden kann, das allüberall in grellen Farben gemalte Gigantische der Rezession wird allein ein gigantischer, also vollständig rekonstruierte Hohenzollernpalast kontern können. Der AIV schlägt also vor, den Siegerentwurf zu überarbeiten, denn nach Ansicht des Vereins hat Franco Stella zwei stadträumlich und historisch wichtige Gebäudeelemente des ehemaligen Stadtschlosses „vergessen“. Dabei handele es sich um die so genannte Schlüterecke sowie die Begrenzung des Lustgartens durch die Erweiterung des Apothekerflügels.
 
Lieber AIV: Das kann doch nur der Anfang sein! Wir sollten das Humboldt-Forum mit seiner kaiserlichen Kolonialwarensammlung in ein komplett rekonstruiertes Kaiserschloss einziehen lassen; mit komplett historischen Fassaden an allen fünfundzwanzig Innen-, Außen-, Hof- oder Durchfahrtsseiten, nicht als Tapete vor Beton sondern als Abschluss einer massiven Ziegelkonstruktion. Die Wandputze, Bespannungen, die Deckengemälde, die Holzfußböden, die Handläufe, Fensterkästen, Scheiben, Ornamente bis in die WC-Räume, Waschbecken, Mobiliar und Skulpturenschmuck, Anstriche und natürlich sämtliche Gebrauchsspuren, wie wir sie heute finden würden, wäre das Schloss nicht gesprengt worden … es gäbe ja soviel zu tun! Und soviel zu investieren. Wir brauchen ein Konjunkturpaket, wir brauchen ein Notopfer Hohenzollern, wir brauchen einen Schlosscent, wir brauchen endlich wieder Menschen, die einfach ja sagen und mit dem Meckern aufhören!

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