Kaufhausarchitektur gestürmt

Chipperfield Architects „Kaufhaus Tyrol“ wurde heute eröffnet; in Tirol, genauer, in Innsbruck, um 8.06 Uhr

Es sieht nicht so aus (Foto), doch heute wird im historischen Zentrum Innsbrucks entlang der (zugigen) Maria-Theresien-Straße das „Kaufhaus Tyrol“ eröffnet. Der Neubau inmitten der von pittoresken Bauten geprägten Altstadt Innsbrucks fügt sich als großes innerstädtisches Gebäude kraftvoll in den Kontext ein, ohne diesen jedoch in vordergründiger, effekteheischender Art aufzumischen. Ganz im Gegenteil zollt der Neubau den Nachbarn wie auch dem Platz an sich Respekt. Er besetzt das Gelände des ehemaligen „Kaufhaus Tyrol“ und erstreckt sich von der Maria-Theresien-Straße über das Blockinnere mit einem zentralen Atrium bis hin zur Erlerstraße.

Durch drei leicht schräg zueinander stehende Fassadenbereiche wird die lang gestreckte Gebäudefront des Neubaus gegliedert und die unregelmäßig gewachsene historische Struktur der Maria-Theresien-Straße fortgeführt. Der mittig angeordnete Haupteingang wird durch einen überhöhten Fassadenbereich kenntlich gemacht und wendet sich der Altstadt und der Fußgängerzone zu. Kolonnadenähnliche Fassadenstützen mit großen Querschnitten bilden das architektonische Hauptmerkmal des Gebäudes und nehmen über tiefe Laibungen das Schattenspiel der hervorstehenden Erker und Risalite der Nachbargebäude auf.

Die, man möchte schreiben, chipperfieldtypische Rasterfassade besteht aus mit Naturstein versetzten Betonfertigteilen, die geschliffene und gesandstrahlte Oberflächen haben. Raumhohe Fensteröffnungen vermitteln als große Schaufenster über alle Geschosse zwischen dem neuen „Kaufhaus Tyrol“ und der historischen Umgebung.

Das benachbarte „Schindlerhaus“ aus dem 16. Jahrhundert wurde im Laufe der Jahrhunderte vielfach baulich verändert. Nach sorgfältiger Restaurierung der Fassade und Aufstockung um ein weiteres Geschoss bietet es Platz für Büro- und Geschäftsräume sowie das ehemalige „Schindler Café“.

Die an der Erlerstraße gelegene Ostfassade des Kaufhaus Tyrol nimmt mit ihren großen Fensteröffnungen das Thema der Hauptfassade wieder auf. Aufgrund des vor der Planung schon bestehenden Raum- und Tragkonzeptes ist sie als vorgehängte Pfosten-Riegelkonstruktion in eloxiertem, gebürstetem Aluminium ausgeführt. Ein zusätzlicher Eingang auf dieser Seite ermöglicht die Durchwegung des Gebäudes von der Maria-Theresien-Straße zur Erlerstraße. Das fünfstöckige, tagesbelichtete Atrium sorgt für die zentrale Erschließung aller Etagen und erlaubt vielfältige Blickbeziehungen sowie einfache Orientierung; auch beim Einkaufsbummel. Den allerdings sollte man in die kommenden Tage und Wochen schieben, heute musste der Einkaufstempel wegen Überfüllung zeitweise geschlossen werden. Konsumterror und internationale First-Class-Architektur gehen selbstverständlich Hand in Hand … wenn nicht: Würde ein Kaufhausbetreiber dann noch mit Chipperfield und Co. bauen?! Be. K.

Projektbeginn 2007

Fertigstellung 2010

Bruttogrundfläche 58.000 m2

Bauherr Signa Holding GmbH, Innsbruck

Architekt David Chipperfield Architects

Tragwerksplanung dibral, Dipl.-Ing. Alfred R. Brunnsteiner Ziviltechnikergesellschaft mbH

Gebäudetechnik Wagner & Partner ZT GmbH

Elektroplanung A3 Jenewein Ingenieurbüro GmbH

Fassadenplanung gkp Fassadentechnik AG

Lichtplanung matí AG Lichtgestaltung

Generalplanung Dieter Mathoi Architekten

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