Pragmatismus und Spleen

Das Ashmolean Museum, Oxford, von Rick Mather Architects, London, ist eröffnet

Pragmatismus und Spleen, in kaum einer anderen Region wie der Großbritanniens findet sich dieses Gegensatzpaar häufiger. Pragmatismus ist es, wenn in einem Museumsum- und -neubau in einem noch längst nicht fertiggestellen Galerieraum eine Grafik hängt, in welcher der Bauprozess folgendermaßen knapp vorgestellt wird: Am Ende eines Zeitstrahls, der im Jahr der ersten Arbeiten 2001 beginnt und bis zum “ending date” November 2009 die unterschiedlichen Bauphasen darstellt, steht das Wort „open“, ergänzt durch „ready or not“.
 
Offenbar hat diese Entschlossenheit dazu geführt, dass das traditionsreiche wie also erwartungsgemäß spleenige Ashmolean Museum im Herzen Oxfords pünktlich und so gut wie fertiggestellt eröffnete. Pünktlich am 21. November 2009, nach langjähriger Bauzeit machte es seine Tore zum zweiten Mal weit offen, und 22.000 Neugierige kamen in zwei Tagen und schauten sich um in dem Neubau, der in und hinter dem viktorianischen Dreiflügelbau von Charles Robert Cockerell untergebracht ist. Spleenig ist die Sammlung insofern, als sie ihre Ursprünge in der Sammelleidenschaft der königlichen Gartenbauer Tradescant, Vater und Sohn, hat, die vornehmlich naturhistorische und ethnologische Stücke zusammentrugen, darunter erste Gegenstände der Indianerkultur. Mit Unterstützung von Elias Ashmole, schillerndem Anwalt und schreibwütigem Alchimisten, wurde 1656 ein erster Katalog zur Sammlung erstellt. Wie immer Ashmole es damals schaffte, er drängte Tradescant Jr. jedenfalls, ihm die Sammlung zu vererben. Was auch gelang, allerdings war noch der Tod durch Ertrinken der Mutter Tradescant nötig, selbiger ereignete sich im Entenweiher.
 
Ashmole erweiterte die Sammlung in einer für die Zeit typischen reichlich wahllosen Art um römische, gotische und fränkische Stücke und überliess es – im Zusammenhang mit seiner Nominierung für das Amt des Garter King at Arms – 1677 der University of Oxford. Nach einer längeren Periode der Verwahrlosung der Sammlung brachte die Verschmelzung des ethnologisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Museum mit der Kunstsammlung 1908 eine Wende. Und zugleich den Einzug in den Bau von Charles Robert Cockerell an der Beaumont Street.
 
Heute, nach Abschluss des Um- und Erweiterungsbaus haben die Kuratoren viele wirkliche Schätze aus dem Depot des Ashmolean gehoben – andere, eher dem Grusel und purer Unterhaltung gewidmete Expote verschwanden dorthin, mögen sie sanft ruhen. Einen prominenten Platz in dem Neubau, der die Ausstellungsfläche von rund 4000 m² auf 9000 m² mehr als verdoppelt, nimmt jetzt die Sammlung islamischen Kunsthandwerks ein, ebenso wie die der asiatischen Kunst. Das ganze wird unter dem durchaus umstrittenen Motto „Crossing Cultures Crossing Time“ durcheinandergemischt, im Ashmolean Museum geht es den Verantwortlichen darum, interkulturelle Bezüge herzustellen auf Kosten der bisher sonst üblichen museumsdidaktischen Gliederung der Sammlung nach Epochen oder Stilen.

Den Neubauentwurf, der im wesentlichen das rückwärtige Gelände des Altbaus sechsgeschossig überdeckt, verantwortet Rick Mather Architects, London, ein Büro, das über eine langjährige Erfahrung mit dieser Bautypologie verfügt. Wie schon bei einigen Vorgängerbauten in den USA oder Großbritannnien hat Mather Architects auch im Ashmolean die Räume eingehängt, mittels Rampen und Stege verbunden sowie ein durchgängiges Tageslichtkonzept in den Entwurf eingebracht. Der Übergang von Alt und Neu ist teils spektakulär - aus schon hohen Räumen öffnen sich gebäudehohe Lichträume (u.a. Treppen) - teils unmerklich in der Höhenangleichung. Allerdings muss man schon einiges an Orientierungssinn mitbringen, will man sich nicht in den 39 Galerieräumen, den Atrien und dem Stegesystem verirren.

Oben auf dem Dach des Neubau gibt es ein Café mit schönem Blick über Oxford. Und der tut zwischendrin einfach einmal gut, nach all dem Schweben durch die vitrinenreiche Ausstellungslandschaft. Dass sich keinerlei Hinweise auf Biographisches zum Sammler und Spender und Namensgeber Ashmole findet ist bedauerlich, er und seine Vita hätten sich hervorragend gemacht, ausgestellt in einer der Galerien, ein Schmuckstück innerhalb des „Crossing Cultures Crossing Time“-Ensembles. Be. K.

Weitere Informationen unter www.rickmather.com sowie www.ashmolean.org

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