Visionäre Räume!?
Walter Pichler trifft Friedrich Kiesler in einem Display von raumlaborberlin. In Krefeld 21.11.2024 |Das Ausstellungsprojekt "Visionäre Räume" wird zwei bedeutende Avantgardisten unterschiedlicher Generationen, Friedrich Kiesler (1890-1965) und Walter Pichler (1936-2012), präsentieren. Vom Belvedere, Wien, in Zusammenarbeit mit den Kunstmuseen Krefeld entwickelt, wurde die Schau in Wien - hier kuratiert von Verena Gamper - durch eine künstlerische Arbeit kommentiert, in Krefeld - kuratiert von Michael Krajewski - durch eine Ausstellungskonzeption, hier der Display genannte Ausstellungsbegleiter, den raumlaborberlin konzipiert hat. Auf eine ganz besondere Art und Weise.
"Der austroamerikanische Architekt Kiesler," so das Kunstmuseum Krefeld, "der sich nach seinen bahnbrechenden Ausstellungsdisplays und Architekturvisionen der 1920er-Jahre vermehrt der Skulptur zuwandte, trifft auf den österreichischen Bildhauer Pichler. Dieser setzte in den frühen 1960er-Jahren mit seinen als alternative Wohnräume deklarierten Plastiken maßgebliche und international rezipierte Impulse. Beide begannen als Pioniere früh, herkömmliche Bauweisen in Frage zu stellen und dazu experimentell Alternativen zu entwickeln: biomorphe, skulpturale Architekturen oder architektonische Skulpturen."
Leger-, Trägersystem (1924), dann, in Paris 1925, die legendäre "Raumstadt" Kieslers
Foto: Benedikt Kraft
Das Treffen ist tatsächlich ein eher immaginäres denn die beiden Künstler/Architekten haben sich nachweislich nur einmal an einem Tag getroffen; und über ihr Gespräch ist nichts bekannt. Damit ist das Ins Gespräch setzen eher dem kuratorischen Ansatz zu verdanken, zwei Avantgardisten mit ihren Werken zu präsentieren, die scheinbar sehr verbunden sind. Nicht bloß scheinbar, beide lebten und arbeiteten in einem vergleichbaren Kosmos, hatten vergleichbar Bezüge zu Personen, Institutionen, Auftraggeber etc.
Walter Pichlers Skulpturen auf einem Stapel ehemaliger Podeste. Im Hintergrund eine mit Stoffresten bekleidete Wand aus alten Bauelementen für Stell- und Zwischenwände im Museum
Foto: Benedikt Kraft
Die rund 120 Leihgaben - von teils exquisitem Charakter und größtenteils Originale oder Repliken, die längst Originalcharakter erhalten haben in den Jahrzehnten ihres Daseins - erzeugen dann tatsächlich in der Gegenüberstellung, in dem Verweben von künstlerischem Arbeiten und inhaltlicher Arbeit einen Dialog, den das interdisziplinäre Kollektiv raumlaborberlin mit einer ganz eigenen, fast wollte ich schreiben eigenartigen künstlerisch-architektonische Gestaltung kommentiert, kanalisiert und wieder aufbricht. Sie realisierten eine Art "Erlebnisparcours" (Michael Krajewski auf der Pressekonferenz), der uns Neugierige durch die Objekte führt, diese präsentiert und eben auch aber sehr dezent kommentiert.
Pneumatischer Raum, Prototyp 5 von Walter Pichler
Foto: Benedikt Kraft
Dabei war raumlaborberlin, hier Francesco Apuzzo, schnell klar, dass das Display seine Wirkung nicht über eine rein ästhetisch begründete Präsentation entfalten kann, wenn man die utopischen Projekte von damals aus heutiger Perspektive zu betrachten sucht. raumlaborberlin nahm alles Material, das bereits im Haus vorhanden war: Trennwandkonstruktionen, alte Podeste, Pappröhren, Dachlatten etc. Einzig hinzu kamen Stoffreste, Verschnitte aus der Produktion zweier großer Textilfirmen vor Ort (Object Carpet und Verseidag).
Möbelentwürfe Kieslers aus den 1930er- bis 1960er-Jahren
Foto: Benedikt Kraft
Diese Haltung, die mittlerweile Paradigma im internationalen Ausstellungsgeschäft ist - Material wiederzuverwenden - nahm Francesco Apuzzo zum Anlass, die Arbeit von raumlaborberlin in Krefeld mit "Paradigma und Halluzination" zu untertiteln. Halluzination, weil gerade mit den Stoffen und einer aus dem gebrauchten Material heraus resultierender Inperfektion der Hänge- oder Legegründe das Textile zu flirren beginnen, sich zu bewegen, zu verändern. Das allerdings muss in der Ausstellung dann überprüft werden, beim schnellen Durchgang überzeugte eher das Raue, die Direktheit, der unglaubliche Kontrast des Displays zu den Bronzen, dem polierten Edelstahl, den fragilen Kunststoffräumen und Körperextensions, die in der Kunst der 1960er-Jahre so angesagt waren.
Museumspädagogik: Im Studio 2 können Interessierte in Workshops mit Materialien Dinge herstellen, Skulpturen, die möglicherweise als zusammengesetztes Ganzes bis in die Ausstellungsräume vordringen sollen
Foto: Benedikt Kraft
Die Schau, "die sich", so die Ausstellungsmacher, "an ein breites kunst- und architekturinteressiertes Publikum richtet", läuft noch bis Ende März 2025. Der Katalog (bei Walter und Franz König, 29,80) könnte - im Vorfeld gelesen - den "Erlebnisparcours" über ein Erleben hinaus für das eigene Denken öffnen.
Visionäre Räume. Walter Pichler trifft Friedrich Kiesler in einem Display von raumlaborberlin
22. November 2024 bis 30. März 2025, Eröffnung heute Abend, 21. November, 19.00 Uhr
Kaiser Wilhelm Museum
Joseph-Beuys-Platz 1
47798 Krefeld