Achtung: Auf eine grundlose Kündigung folgt wirksame Gegenkündigung!
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 26.06.2023, 29 U 210/21Wer zuerst kündigt verliert! Dieser Spruch beinhaltet viel Wahres, vor allem in der meistens sehr komplexen Gemengelage bei Bauvorhaben. Bei einer wirksamen Kündigung aus wichtigem Grund sind die Rechtsfolgen für die jeweils kündigende Seiten wesentlich günstiger als bei einer ordentlichen Kündigung, zumal der Auftragnehmer regelmäßig nicht ordentlich kündigen kann. Nach dem Ausspruch von wechselseitigen Kündigungen aus wichtigem Grund besteht daher grundsätzlich immer Streit zwischen den Parteien, wer für Schäden, Mehrkosten oder Vergütung für nicht erbrachte Leistungen aufzukommen hat.
In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main (kurz: OLG) entschiedenen Fall hatte der Architekt das Nachsehen. Da der Auftraggeber Abschlagsrechnungen nicht bezahlte, kündigte der Architekt den Vertrag aus wichtigem Grund. Der Auftraggeber wies die Kündigung als unberechtigt zurück und kündigte selbst den Vertrag aus wichtigem Grund.
Das OLG entschied, dass der Architekt keinen wichtigen Grund hatte, den Vertrag zu kündigen. Die Kündigung erfolgte nach Ansicht des OLG unberechtigt und war im Ergebnis unwirksam. Dass der Auftraggeber mehrere Abschlagsrechnung ohne Begründung nicht zahlte, berechtige allein nicht zur Kündigung des Architektenvertrages aus wichtigem Grund. Denn die jeweiligen Abschlagsrechnungen waren nicht fällig, da sie nicht prüffähig aufgestellt waren. Der Auftraggeber konnte demnach gar nicht in den Zahlungsverzug kommen, der zur Kündigung aus wichtigem Grunde berechtigen würde. Stattdessen entschied das OLG, dass die Gegenkündigung des Auftraggebers aus wichtigem Grund wirksam war. Mit der Kündigung des Architektenvertrages hatte der Architekt nämlich unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, nicht mehr leisten zu wollen. Eine ernstliche unberechtigte Leistungsverweigerung führt zu einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Auftraggebers.
Aus diesem Fall kann so einiges gelernt werden. Bevor man sich auf eine Kündigung aus wichtigem Grund stützt, sollten unbedingt die Kündigungsvoraussetzung intensiv geprüft werden. Etwas einfacher wäre der Fall gewesen, wenn der Architekt vorher noch eine Bauhandwerkersicherheit vom Auftraggeber (fall dieser kein öffentlicher Auftraggeber war) nach §648a (a.F.) BGB bzw. § 650f BGB unter Fristsetzung gefordert und in dem Fall des fruchtlosen Fristablaufs (üblich in Konfliktfällen) dann nach § 648a (a.F.)/ § 650f Abs.5 BGB den Vertrag gekündigt hätte. So muss der Architekt nun auch noch für die Schäden aus der unberechtigten Leistungsverweigerung aufkommen, etwa für die Mehrkosten eines anderen Planers.