Kündigung formnichtig: Vertrag aufgehoben!?
OLG Frankfurt, Urteil vom 16.05.2022 - 29 U 94/21Das OLG Frankfurt hat grundsätzlich festgestellt, dass eine formnichtige Kündigung des Architektenvertrages durch den Auftraggeber und die anschließende Schlussabrechnung des Auftragnehmers als einverständliche Vertragsaufhebung zu werten sein können (aber nicht müssen!).
Der Sachverhalt:
Der Eigentümer (E) beauftragte einem Architekten (A) zunächst schriftlich mit dem Aufmaß einer auf seinem Grundstück vorhandenen Scheune. Drei Tage später schlossen die Parteien einen schriftlichen Architektenvertrag. Planungsziel war die Umwandlung der Scheune in ein Mehrfamilienhaus einschließlich Bauantrag. Per E-Mail teilte der E dem A mit, mangels Finanzierbarkeit werde das Projekt bis auf weiteres nicht realisiert. Das Oberlandesgericht legte diese E-Mail aufgrund von A nicht erbrachter Leistungen der Zielfindungsphase als Ausübung des Sonderkündigungsrechts nach § 650r BGB aus. Der A legte Honorarschlussrechnung über restliche ca. 36.000,00 € auf der Basis anrechenbarer Kosten gemäß DIN 276 in Höhe von ca. 977.000,00 € für Teilleistungen der Leistungsphasen 1 - 3. Die Kosten wurden auf der Grundlage der Kostenberechnung eingesetzt, dass Honorar wurde mit einem Programm berechnet. Mit Anschreiben zur Schlussrechnung begründete der A die abgerechneten Teilleistungen. Der E persönlich rügte zunächst eine nicht prüfbare Schlussrechnung mit Beanstandungen nach § 14 VOB/B. Darauf beanstandete sein Rechtsanwalt die unzureichende Darlegung zu den erbrachten Teilleistungen. Diese habe der A auch nicht in vollem Umfang erbracht. Es fehle insbesondere an einer Entwurfsplanung für die Leistungsphase 3. Die vorgelegten Vorentwürfe reichten dafür nicht aus; sie erfüllten nicht einmal die Anforderungen an eine Vorplanung. Die Kostenberechnung sei grob fehlerhaft und vertragswidrig. Das Landgericht wies die Klage des A wegen fehlender Prüfbarkeit der Schlussrechnung als zur Zeit unbegründet ab.
Die Entscheidung:
Zu Unrecht! Es handle sich nämlich um einen Anspruch nach neuem Architekten- und Ingenieur-Recht auf der Grundlage des BGB in der Fassung ab 2018, weil der Vertrag nach dem 1.1.2018 geschlossen wurde, und um eine vorzeitige Beendigung eines Architektenvertrages. Anwendbar seien daher die §§ 650p ff. BGB. Durch die Verweisung in § 650q Abs. 1 BGB sei auch für den Architektenvertrag die Regelung über die Prüfbarkeit der Abrechnung in § 650g Abs. 4 BGB anwendbar. Danach gelte die Schlussrechnung als prüfbar, wenn der Besteller nicht innerhalb von 30 Tagen nach ihrem Zugang begründete Einwendungen gegen ihre Prüfbarkeit erhoben hat. Das persönliche Schreiben des E entspreche diesen Anforderungen nicht. Die Bezugnahme dort auf § 14 VOB/B zeige, dass der E nicht die einschlägigen Rügen gegen die Abrechnungen von Architekten, sondern solche gegen die Abrechnungen von Bauleistungen erhoben habe. Die anwaltliche Rüge sei zwar inhaltlich ausreichend begründet, aber nicht binnen 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung beim A eingegangen. Das Landgericht hätte daher die Klage - wenn überhaupt – als endgültig unbegründet abweisen müssen. Allerdings müsse eine Schlussrechnung ohnehin prüfbar sein, um die Klageforderung begründen zu können. Diesen Anforderungen genüge die Schlussrechnung. Die Kündigungserklärung des E nach § 650r Abs. 1 BGB sei zwar formnichtig gemäß § 650q Abs. 1, § 650h BGB, da sie die erforderliche Schriftform nicht eingehalten habe. Im Falle einer formgerechten Kündigung wäre der Architektenvertrag nach der Zielfindungsphase beendet gewesen. Durch die Übersendung der Schlussrechnung habe sich A mit der Aufhebung des Vertrages aber einverstanden erklärt und es sei wie nach einer formwirksamen Kündigung abzurechnen. Weder Prüfbarkeit noch Schriftform seien in einem solchen Fall entscheidungserheblich.
Praxishinweis:
Letztlich hat sich das Gericht also eines „Kunstgriffes“ bedient und so die Klage des Architekten als begründet angesehen. Rügt der Auftraggeber die fehlende Prüfbarkeit der Schlussrechnung nicht binnen 30 Tagen nach Zugang mit hinreichender Begründung, ist er mit dieser Rüge im Prozess ausgeschlossen. Gleichwohl muss die Rechnung prüfbar sein, um die Klageforderung damit schlüssig begründen zu können. In der Praxis bleiben die Regelungen zur Rüge der fehlenden Prüfbarkeit der Schlussrechnung und zur erforderlichen Schriftform jeder Kündigung eines Architektenvertrages weitgehend unbeachtet. Die vom Oberlandesgericht angewendeten „Umgehungslösungen“ fangen dies allerdings im Wesentlichen auf, so dass die Sinnhaftigkeit der gesetzlichen Regelungen durchaus hinterfragt werden kann. Verlassen sollte man sich auf eine derartige Rechtsprechung, die erkennbar von dem – richtigen – Grundsatz geprägt ist, dass niemand „gratis“ handeln muss, aber nicht.