Anbau entstellt das Architektenwerk: Abriss!
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 02.06.2023, Az.: 6 U 162/22Ein Architekt entwarf im Auftrag eines Bauherrn eine Moschee. Im Architektenvertrag wurde auch das Urheberrecht des Architekten geregelt. Insbesondere wurde vereinbart, dass Veränderungen am Bauwerk, durch die das Urheberrecht des Architekten tangiert wird, ohne Mitwirkung des Architekten unzulässig sind. 2018 wurde die Moschee fertiggestellt. Im Jahr 2022 ließ der Bauherr an einer Ecke der Moschee, über einem vom Bauherrn betriebenem Café ein Vordach aus Metall und Glas errichten. Der Architekt mahnte den Bauherrn daraufhin ab und forderte ihn zur Beseitigung des Vordaches auf. Die von ihm entworfene Fassade hebe sich von den üblichen Fassaden von Moscheen ab und genieße daher wie die gesamte Moschee urheberrechtlichen Schutz. Das Vordach stelle einen Fremdkörper dar und entstelle das Werk des Architekten.
Der Bauherr sprach dem Bauwerk jeglichen urheberrechtlichen Schutz ab und empfand auch keine Entstellung der Moschee oder der Fassade durch das angebaute Vordach. Dem Abrissverlangen kam der Bauherr nicht nach.
Der Architekt verklagte den Bauherrn schließlich u.a. auf Beseitigung des Vordaches. Ihm wurde sowohl vom Landgericht als auch vom Oberlandesgericht Köln Recht zugesprochen.
Die Moschee inklusive der Fassade ist ein Werk der Baukunst im Sinne der urheberrechtlichen Vorschriften. Erforderlich ist eine eigenschöpferische Leistung, die über die Lösung einer fachgebundenen technischen Aufgabe durch Anwendung der einschlägigen technischen Lösungsmittel hinausgeht und das geschaffene Bauwerk aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens heraussticht. Gerade die Fassade entspricht einer derartigen Eigentümlichkeit und Individualität. Die Bedienung der westlichen Formensprache war im Vergleich zu den bis dahin in Deutschland gebauten Moscheen einzigartig. Ferner spricht für die eigene Individualität auch die besondere Schlichtheit, die bei durchschnittlichen Moscheen nicht zu finden sei. Das Oberlandesgericht führte ferner aus, dass das Vordach den geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Bauwerks bzw. dessen Fassade beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung wird bei jeder objektiv nachweisbaren Änderung des vom Urheber bestimmten Gesamteindrucks indiziert. Das Vordach steht der bewusst schlicht gehaltenen Fassade als zusätzliches Bauelement entgegen und nimmt auch nicht den Neigungswinkel des Daches auf. Diese Beeinträchtigung gefährdet schließlich auch die Interessen des Architekten als Urheber, da der Gesamteindruck verändert ist und zudem zu befürchten steht, dass das Vordach in der öffentlichen Wahrnehmung seinem Entwurf zugerechnet wird. Das Gericht hat sodann noch eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Bauherrn sowie den Interessen des Architekten durchgeführt. Dabei kam es u.a. auch auf die Auslegung des Architektenvertrages an. Demnach war weder eine Abweichung vom urheberrechtlich geschützten Änderungsverbot anzunehmen, noch lag aufgrund der erheblichen Beeinträchtigungen durch das Anbringen des Vordaches eine Duldungspflicht des Architekten nach Treu und Glauben vor. Das Oberlandesgericht betonte auch, dass die überdurchschnittliche Schöpfungshöhe bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist. Aus diesem Grund sei von einem schwerwiegenden Eingriff auszugehen.
Eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung, bei der sich über die Einstellung des Bauherrn zu Recht gewundert werden darf.
Autor:
Jochen Mittenzwey, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Gesellschafter bei MO45LEGAL Rechtsanwälte und Notare
mittenzwey@mo45.de