Bilder im Kopf
Man könnte sich etwas vorstellen. So beispielsweise, dass man zu jedem Ort der Welt, der etwas bedeutet, beschreibende Textdokumente sammelt. Und aus dieser Sammlung eine Stadtgeschichte herstellt, die anschaulich, die authentisch, die offen sein kann, wenn es die Kuratorinnen zulassen.
Ein solches Projekt textlicher Aufschlüsselung von moderner Stadtgeschichte liegt nun mit „Metropole Wien“ vor – eigentlich wollte der Rezensent es bereits in der Dezember-Ausgabe der DBZ besprechen, ein ideales Buch für den weihnachtlichen Gabentisch. Ein dickes Lesebuch, das einlädt, sich einzulassen auf Zeitzeugen. Sortiert in die Kapitel u. a. Stadtzustand – Stadtentwicklung, Stadthygiene, Gewässer, Wohnungsfrage etc. können wir dort die unterschiedlichsten Texte lesen von Architektinnen oder Soziologen, Städteplanern und Kulturkritikerinnen, Texte, die allerdings auch einmal fürs Feuilleton geschrieben waren, sich also an die Bildungsbürgerschaft und eben nicht nur an Fachkollegen richteten und eigenständige literarische Arbeit sind. Dazu kommen aber auch Texte, wie die eher trockene Darstellung von Heizungsanlagen, die aus heutiger Perspektive aber mit besonderem Interesse zu lesen sind.
So versammeln die Herausgeberinnen die unterschiedlichsten Stimmen (und Stimmungen) zum Städtischen; 306 zeitgenössische Auszüge aus meist längeren Originalen sind es am Ende geworden. Die alle ermöglichen uns ein Bild von Wien in der Zeit zwischen 1850 und 1945, ein – wie schon geschrieben – offenes Bild, das in unserem Kopf entsteht.
Damit wir aber nicht gänzlich alleingelassen sind im offenen Raum der Assoziation werden alle Kapitel sehr knapp thematisch eingeleitet. Ein paar sw-Fotos gibt es, doch die eigentlichen Bilder entstehen beim Lesen kreuz und quer, ein Sach- und Namensregister kann der Anker sein. Be. K.