Bodenlose Theorie?
Der Untertitel der Publikation mag erschrecken, denn offenbar geht es der Autorin um Vergemeinschaftung, also Enteignung zugunsten der Gemeinschaft. Doch eigentlich geht es ihr eher darum, wie sich Raum-Gestalt durch vergemeinschaftenden Raum-Gebrauch umdeuten lässt. Das allerdings setzt die Begriffsschärfung des „Commons“ voraus, welches dann als Begriff in der urbanen Planung und Forschung handhabbar wird. Untersuchungsraum waren Orte in Berlin (wo, so die Autorin, „eine im globalen Vergleich zeitlich stark komprimierte Transformationsdynamik neoliberaler Stadtentwicklungspolitik auf eine traditionell widerständige Stadtgesellschaft“ gestoßen sei).
Das gewählte Anamneseverfahren: Kartierungen. Hier bezogen auf die drei Siedlungs-/Eigentums-/Nutzungsvarianten Freiräume, Gewerberäume und Wohnräume. Die auf abstrahierende Zeichenlandschaften bezogenen Analysen wurden umfassend und in fachlich übergreifend arbeitenden Gruppen erstellt, sie alle führten zu eigenen Ergebnissen (kleinen Druckwerken), die hier in Faksimile-Manier ins Buch übernommen wurden; teils kaum entzifferbar ob der starken Verkleinerung von Schrift und Zeichnungen.
Diese Studien, kartografische Bestandsaufnahmen an konkreten Orten, sollen dann die räumlichen Phänomene und Zuschreibungen des Commons, der Vergemeinschaftung, sichtbar machen, was ansatzweise auch nachvollziehbar wird. Allerdings wird dieses Ansatzweise-Erkennen/Nachvollziehen-Können – das nach einer längeren theoretischen und sprachlich schier in sich selbst verschraubten Verunklarung der Begriffszusammenhänge unkommentiert einen Großteil der vorliegenden Arbeit füllt – anschließend derart begriffslastig und mit gehöriger Redundanz verabschiedet, dass dem Rezensenten auf dem heftigen Hintergrundrauschen systemkritischer und dialektisch semikongruenter Begriffswelten nichts mehr bleibt, als von neuem zu starten. Vielleicht mittendrin, vielleicht von der letzten Seite aus, vielleicht über die „Matrix der Spatial Commons, Teil 1“, vielleicht auch gar nicht.
Dass das Buch „versiert konzeptionelle Begrifflichkeiten“ klärt und „praxisbezogene Methoden der Raumbeschreibung aufzeigt und sich damit […] an Stadtforschende, Architekt*innen und Planer*innen, ebenso wie an Kulturproduzenten*innen und all jene, die an gebrauchsorientierten Prozessen des Gemeinschaffens und an Mapping als raumerkundendes Werkzeug interessiert sind oder daran arbeiten möchten“ (Verlagstext) richtet, das kann sein. Vielleicht gelingt es, ein grundsätzliches Interesse am Commons zu wecken. Um es für einen breiteren Diskurs zugänglich zu machen, bedürfte es allerdings einer gründlichen Redaktion. So bleibt uns meisten einfach nur: Lesen, schauen, wieder einmal, und vielleicht effektiver, darüber sprechen. Be. K.